Politik | 30. Juni 2022

Brüssel bleibt beim Halbieren

Von AgE
Die Europäische Kommission bleibt trotz des Ukraine-Krieges bei ihrer Zielmarke aus der Farm-to-Fork-Strategie: So soll der Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel EU-weit rechtsverbindlich bis zum Jahr 2030 um 50 Prozent reduziert werden.
Aus Richtlinie wird Verordnung: So will Brüssel gewährleisten, dass die Vorgaben überall in der EU gleich umgesetzt werden.
Wie die Brüsseler Behörde dazu am  22. Juni erläuterte, werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, nationale Reduktionsziele innerhalb bestimmter Parameter festzulegen, um sicherzustellen, dass das EU-weite Soll auch erreicht wird. Betont wird, dass vor allem die Verwendung der gefährlicheren Mittel bis zum Ende dieses Jahrzehnts halbiert werden müsse. Im Weiteren gab die EU-Kommission bekannt, dass  die bestehende Richtlinie in eine Verordnung umgewandelt werde.
Umsetzung überall gleich vorgeschrieben
Im Unterschied zu einer Richtlinie muss eine EU-Verordnung  in allen Mitgliedstaaten direkt und gleichermaßen umgesetzt werden.  Zudem sollen die Mitgliedstaaten ihr jährlich detaillierte Fortschritts- und Umsetzungsberichte vorlegen. Dem Verordnungsentwurf zufolge soll es im Einzelnen unter anderem strenge Vorschriften für eine umweltfreundlichere Schädlingsbekämpfung geben. So soll  integrierter Pflanzenschutz verbindlich werden.
Verbot in Schutzgebieten
Zu den vorgeschlagenen Maßnahmen gehört auch die Pflicht zur Führung von Aufzeichnungen.  Ferner soll der Einsatz aller Pflanzenschutzmittel an Orten wie städtischen Grünflächen einschließlich öffentlicher Parks oder Gärten, Spielplätzen und Schulen verboten werden. Dieses Anwendungsverbot wird gemäß der Vorstellung der Kommission auch für Erholungs- oder Sportplätze, öffentliche Wege und in Natura-2000-Schutzgebieten sowie für alle ökologisch empfindlichen Gebiete gelten, damit diese für bedrohte Bestäuber erhalten bleiben oder wiedergewonnen werden.
Zur Abfederung der Kosten und Ertragseinbußen, die den Landwirten aufgrund der Reduzierung des chemischen Pflanzenschutzes entstehen, soll es laut Kommissionsangaben eine „außergewöhnliche EU-Unterstützung” geben. Fünf Jahre lang sollen die Mitgliedstaaten Gelder aus der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nutzen, um die Aufwendungen der Bauern, die durch die neuen Anforderungen notwendig werden, zu decken.
Aktionsplan für den Biosektor
Darüber hinaus soll die Präzisionslandwirtschaft unterstützt werden. Im Weiteren verweist die EU-Behörde auf den 2021 vorgelegten Aktionsplan für den Biosektor hin. So werde auch eine Förderung des Ökosektors helfen, den Pflanzenschutzmitteleinsatz weiter zu begrenzen.
Eingeführte Lebensmittel mit messbaren Gehalten an verbotenen Stoffen sollen  der Kommission zufolge in der EU grundsätzlich nicht mehr in Verkehr gebracht werden dürfen, also auch bei minimalstem Nachweis. Hierdurch sollen Drittländer dazu angeregt werden, die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln, die in der EU bereits verboten sind, ebenfalls einzuschränken oder gar komplett zu untersagen.
Die geplante Einschränkung der Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel begründet die EU-Kommission mit dem massiven Rückgang der Bestäuber in landwirtschaftlichen Gebieten. Hervorgehoben wird deren Bedeutung für die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung. Laut der Brüsseler Behörde sind mehr als 75 Prozent der weltweit angebauten Nahrungspflanzen auf die Bestäubung durch Tiere angewiesen. Derweil weise aber schon die Hälfte der Flächen, auf denen von Bestäubern abhängige Nutzpflanzen angebaut würden, ein Bestäubungsdefizit auf.
Plan: Bis 2030 zehn Prozent für Landschaftselemente
Bis zum Jahr 2030 sollen zehn Prozent der Agrarflächen in der Europäischen Union mit Landschaftselementen im Sinne des Naturschutzes aufgewertet werden. Das geht aus dem  Gesetzesvorschlag zur Wiederherstellung Europas geschädigter Natur hervor, den die EU-Kommission am 22. Juni vorgelegt hat. Wie eine Sprecherin der Kommission allerdings  klarstellte, handelt es sich hierbei zunächst um einen Richtwert. Als gesetzliche Zielmarke verankert werde der Wert mit dem Vorschlag nicht. Insgesamt sollen nach dem Willen der Kommission bis einschließlich 2030 auf mindestens 20 Prozent der Land- und Meeresgebiete der Europäischen Union Maßnahmen zur Wiederherstellung der Natur durchgeführt werden. Diese sollen bis 2050 auf alle sanierungsbedürftigen Ökosysteme ausgedehnt werden. Die Brüsseler Behörde begründet dies damit, dass sich 80 Prozent der europäischen Lebensräume in einem „schlechtem Zustand” befänden. Konkret soll ein Stopp des Rückgangs der Bestäuberpopulationen  bewirkt werden. Zudem soll  insgesamt eine Zunahme der biologischen Vielfalt und insbesondere eine positive Entwicklung bei den Wiesenschmetterlingen und Feldvögeln erreicht werden. Ziel ist auch ein höherer Anteil an organischem Kohlenstoff in Ackerböden.
Klare Zielvorgaben nennt die Brüsseler Kommission außerdem für die Wiederherstellung beziehungsweise Wiedervernässung von landwirtschaftlich genutzten Torfmooren und Torfabbaugebieten. So sollen 30 Prozent der entwässerten Torfgebiete, die aktuell landwirtschaftlich genutzt werden, bis 2030 wiederhergestellt sein. Bis zur Mitte dieses Jahrhunderts sollen es 70 Prozent sein. Darüber hinaus will die EU-Behörde auch in den Waldökosystemen eine Zunahme der biologischen Vielfalt erreichen. Im Einzelnen soll es dazu mehr Totholz geben und eine bessere Vernetzung der Waldflächen erfolgen. Ferner sollen der Anteil von Wäldern mit einer uneinheitlichen Altersstruktur und der Bestand an organischem Kohlenstoff erhöht werden. Schließlich hat sich die EU-Kommission als weiteres Vorhaben die Entfernung von Hindernissen in Flüssen auf die Fahnen geschrieben.