Pflanzenbau | 12. August 2016

Braunfäule im Kartoffellager vorbeugen

Von Hans-Jürgen Meßmer, LTZ Augustenberg, Außenstelle Donaueschingen
Niederschläge und hohe Luftfeuchtigkeit haben in diesem Jahr die Krautfäule sehr stark gemacht. So ist fast jeder Bestand mit dem Pilz befallen. Der hohe Infektionsdruck bedroht auch die Erntequalität der Knollen.
Vorsicht bei der Ernte: Die Zahl der knollenbeschädigungen ist abhängig von Sortenempfindlichkeit, Rodebedingungen und Bedienung der Erntemaschine.
Das Wetter, vor allem im Juni, hat die Schutzmaßnahmen gegen die Krautfäule erheblich erschwert.  Der Pilz Phytophthora infestans bildet so lange Sporen, wie grünes Kartoffelkraut vorhanden ist. Von dem infizierten Laub werden die Sporen über das Regenwasser in den Boden eingewaschen und bleiben dort etwa drei Wochen infektionsfähig.
Verschärfend kommt in diesem Jahr hinzu, dass das Knollennest sehr weit oben sitzt und der Dammaufbau oft zu flach ist. Dadurch ist das Risiko einer Braunfäuleinfektion durch das Einwaschen der Sporen in den Damm deutlich erhöht. Die im Damm oben liegenden Knollen werden zuerst befallen.
Die in diesem Jahr sehr stark verschlämmten Böden erzeugen Sauerstoffmangel für die Knolle. Infolgedessen öffnet sie ihre Atmungsöffnungen (Lentizellen) weit. Das erleichtert wiederum dem Pilz das Eindringen in die Knollen.
Braunfaule Kartoffelknollen werden nach der Ernte unter ungünstigen Bedingungen auch noch zum Schrittmacher für die Knollennassfäule. Äußerlich ist den Knollen die Erkrankung, bei noch nicht fortgeschrittenem Verlauf oder bei viel Erdanhang, in den meisten Fällen zunächst nicht anzusehen. Dafür muss man die Kartoffeln aufschneiden. Braunfaule Knollen zeigen im Inneren eine fleckenartige Braunverfärbung. Anfangssymptome können aber auch mit der 2016 relativ häufigen Eisenfleckigkeit verwechselt werden.
Aufgeschnittene Knollen mit Symptomen der Eisenfleckigkeit

Aufgeschnittene Knollen mit Braunfäulebefall
 
Kraut abtöten
Der Schutz der Knollen vor Braunfäule ist, angesichts der großen Infektionsgefahr, in diesem Jahr sehr wichtig. Um Qualitätseinbußen durch Befall zu verhindern, muss der Fungizidschutz zum Zeitpunkt der physiologischen Reife der Kartoffel durch eine gezielte Krautregulierung ergänzt werden, die rund eine Woche nach der letzten Spritzung mit sporiziden Fungiziden durchgeführt werden sollte. Der damit verbundene Ertragsverlust wird durch die Gesundheit der Kartoffeln aufgewogen. Das Kraut kann mechanisch durch Abschlegeln, thermisch durch Abflammen  oder chemisch sowie im mechanisch-chemisch kombinierten Verfahren reguliert werden.
Um einen späten Braunfäulebefall an den Knollen zu verhindern, ist die chemische Krautabreifeförderung in phytophthorabefallenen Beständen vorzugsweise im Splittingverfahren durchzuführen. Dann ist bei der zweiten Behandlungsmaßnahme das eingesetzte Mittel mit einem sporenabtötenden Fungizid wie beispielsweise Ranman Top,  Shirlan oder Carneol, Nando und Terminus zu kombinieren, um die Sporen auf der Dammoberfläche besser treffen zu können. Ein Wiederaustrieb sollte unbedingt verhindert werden, um Spätinfektionen durch Braunfäule zu vermeiden.
Terminwahl für die Krautminderung
Um zu bestimmen, ob der richtige Zeitpunkt für die Krautminderung gekommen ist, muss die Entwicklung der Knollen und ihrer Reife durch eigene Kontrollen festgestellt weden. Hierfür liefern der aktuelle Stärkegehalt und eine Kochprobe bei Speisekartoffeln wichtige Hinweise. Bei einer Proberodung sollten mindestens zehn repräsentative Stauden geerntet und hinsichtlich der nachfolgend aufgeführten Parameter ausgewertet werden:
  • Ertrag und Größensortierung
  • Stärkegehalt und Kocheigenschaft (Salzbad und Kochtest)
  • äußere und innere Qualität, zum Beispiel Zwiewuchs und Durchwuchs, Wachstumsrisse, Hohlherzigkeit, Befall mit Nass- und Braunfäule, YNTN-Ringnekrosen und anderes.
Stärkegehalt wichtig
Eine sichere Aussage über die Reife der jeweiligen Sorten ergibt sich über die Ermittlung des Stärkegehalts. In der Regel wird die Abreifemaßnahme durchgeführt, wenn rund 80 % des sortenspezifischen Stärkegehalts der Knollen erreicht sind. Die meisten Sorten sind bereits ab 12 % Stärkegehalt lagerfähig.Der Stärkegehalt kann entweder mit einer Stärkewaage oder mithilfe eines selbst hergestellten Salzbades ermittelt werden. Der Vorteil des selbst hergestellten Salzbades liegt darin, dass die Stärkeverteilung innerhalb der Stauden besser kontrolliert und ausgewertet werden kann. Beispiel: Um eine Zehn-Liter-Kochsalzlösung auf ein Unterwassergewicht von 330 g = 12,0 % Stärke einzustellen, werden 1052 g Kochsalz benötigt. Man gibt erst das Salz in das Gefäß und füllt anschließend mit Wasser auf zehn Liter auf. Bevor die Knollen in das Salzbad geschüttet werden, müssen sie gründlich gewaschen werden. Anhaftende Erde an den Knollen verfälscht das Untersuchungsergebnis. Knollen über 12,0 % Stärke bei einem Kochsalzanteil von 1052 g in zehn Litern Wasser (bei einer Wassertemperatur von 15 °C) sinken zu Boden, die anderen, unreifen schwimmen oben und werden deshalb auch als „Schwimmer” bezeichnet. Zu beachten ist, dass sich bei längeren Standzeiten die Wassertemperatur nicht verändert, sondern konstant bleibt.
Durch die Krautregulierung verliert die Knolle mehr oder weniger viel Stärke. Sortenspezifische Unterschiede müssen unbedingt beachtet werden. Besonders bei grenzwertigen Gewichten und anschließenden Niederschlägen muss der Stärkegehalt über das Unterwassergewicht unmittelbar vor der Krautregulierung nochmals  gemessen werden.
Großen Einfluss auf Veränderungen des Stärkegehaltes haben zum Beispiel auch Bodenfeuchte, Sortenempfindlichkeit und Witterung während und nach der Krautregulierung. Dieses ist besonders bei einem grenzwertigen Stärkegehalt zu berücksichtigen.
Sikkationsmittel sollten vor allem nicht bei Trockenstress der Pflanzen oder bei starker Hitze appliziert werden. Je trockener der Boden und je höher die Temperaturen sind, umso größer ist das Risiko. Die Krautminderung sollte daher möglichst in den frühen Morgenstunden erfolgen, damit die Pflanzen ihren Wasserhaushalt regenerieren können. Die zweiphasige oder mehrphasige Krautregulierung durch Splitting oder durch die Kombination verschiedener Wirkstoffe bietet hier eine Alternative, um die Gefahr von Verbräunungen der Gefäßbündel und Nabelendnekrosen zu reduzieren. Auch nach Niederschlägen sollte mit der Krautregulierung einige Tage gewartet werden, damit sich die Pflanze wieder regenerieren kann.
Zu beachten ist auch, dass bei offenen Lentizellen keine Krautabreifemaßnahme durchgeführt wird. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sich die Lentizellen nicht mehr schließen und anschließend verkorken. Das Erntegut wird dadurch unansehnlich. Eine Auflistung verschiedener Mittel zur Krautabtötung ist im  Merkblatt „Integrierter Pflanzenschutz 2016” aufgeführt.
 
Bei offenen Lentizellen – die weißen Pünktchen sind Atmungsöffnungen – ist die Krautabtötung zu verschieben.

Erntebedingungen haben großen Einfluss
Während der Rodearbeiten besteht die größte Gefahr für Knolleninfektionen. Daher ist bei der Ernte auf Folgendes zu achten:
  • Gefährdete Partien auf dem Feld ausfaulen lassen und getrennt von gesunden lagern.
  • Nur schalenfeste Kartoffeln roden.
  • Faule Knollen im Erntegut vollständig aus dem Roder auslesen.
  • Keine Ernte bei Temperaturen unter 10 °C.
  • Eine hohe Rodegeschwindigkeit bei niedriger Zapfwellendrehzahl schafft ein langes Erdpolster – das ist allerdings in diesem Jahr aufgrund der Kluten nicht einfach.
  • Verzicht auf zusätzliche Rüttler und Siebhilfen.
  • Begrenzung der Fallhöhen auf ein Minimum.
  • Kleinere Kartoffelbetriebe sollten die geernteten Kartoffeln erst zwischenlagern und rund drei bis vier Wochen später für die Einkellerung sortieren oder absacken. Knollenerkrankungen sind zu einem späteren Zeitpunkt besser zu erkennen.
Um die im Qualitätskartoffelanbau geforderte Schalenfestigkeit zu erzielen, müssen die Kartoffeln nach der Behandlung je nach Sorte rund zwei bis vier Wochen im Boden nachreifen. Schalenfeste Ware muss sofort gerodet werden. Bei zu später Rodung werden Silberschorf, Colletotrichum und Rhizoctonia einschließlich der dry-core-Symptome gefördert. Andererseits ist zu beachten, dass der Anteil an Lagerdruckstellen bei zu früher Ernte ansteigt. Bei zu später Ernte können, besonders in diesem Jahr, Fraßschäden durch Drahtwürmer und Schnecken vorkommen.