Die Borchert-Kommission lässt bis auf weiteres ihre Arbeit ruhen. Eine Fortsetzung sei nur
sinnvoll, „wenn die Bundesregierung den Einstieg in eine langfristig vertraglich zugesicherte und staatlich finanzierte Tierwohlprämie beschließt”.
Jochen Borchert: „Wir lehnen es ab, als Feigenblatt für eine Politik zu dienen, die nicht imstande ist, die notwendigen Weichenstellungen vorzunehmen.”
Zwar hat das Gremium auf seiner Sitzung am 8. September in Berlin der Bitte von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir grundsätzlich entsprochen, den Umbau der Tierhaltung weiter zu begleiten. Die Bundesregierung müsse jedoch einen klaren Beschluss dazu treffen. Erst dann sei man wieder zur Mitarbeit bereit, erklärt das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung in seinem Beschluss, den der Vorsitzende Jochen Borchert vorgelegt hatte. Er begründete die Entscheidung mit der Unzufriedenheit über den Stand der politischen Diskussion: „Wir lehnen es ab, als Feigenblatt für eine Politik zu dienen, die nicht imstande ist, die notwendigen Weichenstellungen vorzunehmen.” Die Arbeit werde man erst dann wieder aufnehmen, wenn es eine Einigung der Ampelkoalition auf ein tragfähiges Finanzierungskonzept gibt. Dafür stelle man zwar kein Ultimatum. Sollte sich bis Jahresende jedoch nichts getan haben, werde man sich zusammensetzen und das bewerten. „Wir werden unsere Entscheidung im Lichte der politischen Diskussion in den kommenden Wochen treffen”, kündigte Borchert an.
Deutliche Kritik an der FDP
In seinem Beschluss übt das
Kompetenznetzwerk deutliche Kritik an der FDP, die bislang keinem der
vorgeschlagenen und machbaren Finanzierungsoptionen zustimme. Für wenig
zielführend hält es den zuletzt bekanntgewordenen Vorschlag einer nicht
weiter spezifizierten Tierwohlabgabe und warnt davor, noch mehr Zeit zu
verspielen.
FDP-Agrarsprecher Gero Hocker bekräftigte am Donnerstag voriger Woche in der Haushaltsdebatte des Bundestages die Verhandlungsbereitschaft
seiner Partei für ein Finanzierungskonzept zum Umbau der Tierhaltung,
das eine Tierwohlprämie zum Ausgleich laufender Kosten enthält. Hocker
sprach sich für eine Tierwohlabgabe in einer Höhe von 40 Cent pro
Kilogramm Fleisch aus. Voraussetzung sei jedoch ein 20-jähriges
Auflagenmoratorium für Tierhalter. „Wir machen einen Schritt auf unsere
Koalitionspartner zu”, betonte der FDP-Politiker. Nun liege es an ihnen,
ihren Beitrag zu einer Einigung zu leisten. Insbesondere die Grünen
seien gefordert, „von ihrem ideologischen Baum herabzusteigen”.
Privatwirtschaftliche Abgabe ungeeignet
Borchert äußerte sich zurückhaltend zu dem FDP-Vorschlag.
„Mir ist bis heute schleierhaft, was die FDP eigentlich meint”, sagte
der frühere Bundeslandwirtschaftsminister. Die bisherigen Äußerungen aus
der Partei könnten nach seiner Einschätzung darauf hindeuten, dass eine
privatwirtschaftliche Abgabe bevorzugt wird. Das vorliegende
Rechtsgutachten habe jedoch ergeben, dass eine solche Abgabe mit einem
kaum zu vertretenden bürokratischen Aufwand verbunden wäre und keine
langfristig sicheren staatlichen Verträge ermöglichen würde. „Ich halte
dieses Modell für ungeeignet”, betonte Borchert. Für ihn steht außer
Frage, dass das Finanzierungskonzept neben der Investitionsförderung
eine Kompensation der laufenden Mehrkosten einschließen muss: „Die
Landwirte brauchen langfristige staatliche Verträge über mindestens 15,
besser jedoch 20 Jahre, die ihnen diese Unterstützung in Form einer
staatlichen Tierwohlprämie garantiert.” Anderenfalls werde sich kaum ein
Landwirt darauf einlassen. Als Einstieg in die langfristige
Finanzierung einer Tierwohlprämie könne dienen, die im Bundeshaushalt
bislang ausschließlich für die Investitionsförderung vorgesehenen Mittel
von einer Milliarde Euro auch zur Kompensation laufender Kosten
einzusetzen. Voraussetzung dafür wäre Borchert zufolge allerdings ein
entsprechender Beschluss der Bundesregierung sowie Sicherheit durch
langfristige staatliche Verträge.