Tierhaltung | 06. September 2019

„Biopute lohnt sich!”

Von Jürgen Beckhoff
Eine wirtschaftliche Mast von Bioputen gilt als große Herausforderung. Dem Betrieb Hoffarth gelingt dieses Kunststück genauso wie eine sehr erfolgreiche Direktvermarktung der Tiere und eine optimale Nutzung der hofeigenen Ställe. Der Betrieb wurde Sieger beim Bundeswettbewerb Ökologischer Landbau.
Claudia Hoffarth mit ihren Puten auf der Wiese.
„Ich mag keine Gänse. Und außerdem wollte ich keinen Verkaufsstress vor Weihnachten haben.” So begründet Claudia Hoffarth ihren Einstieg in die Bioputenhaltung, als sie vor 20 Jahren auf der Suche nach einem neuen Betriebszweig war. Ihr Betrieb ist der Naturlandhof Eselsmühle in Lohra bei Marburg in Hessen, den sie gemeinsam mit ihrem Mann Dieter und ihren Kindern Malte, Felix und Nele leitet.
Wegen der mäßigen Böden der Region hat sich der Betrieb schon seit langem auf die Tierhaltung spezialisiert, vor allem auf die Zucht von Angus-Rindern, Welsh Ponys und auf die Sommerhaltung von Puten. Und das sehr erfolgreich. Anfang 2019 wurde der Hof Eselsmühle von Bundesministerin Julia Klöckner als Sieger beim  Bundeswettbewerb Ökologischer Landbau ausgezeichnet.
 
Mast im Rinderstall
Die Puten der Rasse B.U.T. Big 6 haben eine Sonderstellung im Betrieb. Denn die knapp sechsmonatige Mast findet nur in den  Sommermonaten von Mai bis Oktober statt.  Es gibt also nur einen Durchgang pro Jahr. Dafür hat Claudia Hoffarth gute Gründe: „Wir wollten unseren Rinderstall auch im Sommer sinnvoll nutzen. Denn diese Zeit verbringt unsere Angus-Mutterkuhherde komplett auf der Weide.”
Dass es seit vielen Jahren so gut wie keine Verluste mehr bei der Mast gibt und die Tiere überdurchschnittlich gesund sind, ist laut Hoffarth kein Zufall. „Die Puten haben bei uns nicht nur im Außenbereich auf der Wiese sehr viel Platz, sondern auch im Stall, der durch die offene Bauweise optimal durchlüftet ist.”
Claudia Hoffarth beim Reinigen der Tränken mit Obstessig.
Zudem investieren die Hoffarths viel Arbeit in ihre Puten, insbesondere in die Hygiene. Die Tränken werden täglich mit verdünntem Obstessig gereinigt und mindestens jeden zweiten Tag wird neu eingestreut, bei Regen auch täglich. Zudem sind mehrere Kontrollgänge pro Tag selbstverständlich, um mögliche Probleme rechtzeitig zu erkennen. Viel Aufwand, der sich aber bezahlt macht. „Wir hatten in 20 Jahren nur ein einziges Mal Kokzidien im Bestand”, erzählt Hoffarth.
Auch den Auslaufbereich optimierte die Familie im Laufe der Jahre. Offene Flächen, die Puten instinktiv meiden, wurden nach und nach mit selbstgebauten Hütten, Sträuchern und abgestorbenen Fichten geflügelfreundlich gestaltet. Der Stall mit dem vorgelagerten Hofbereich musste ebenfalls „putensicher” abgedichtet werden mit ausreichend hohen Drähten und Brettern. „Ganz wichtig ist, dass der Stall auch fuchssicher ist”, ergänzt Hoffarth. „Denn einmal hat es ein Fuchs herein geschafft und im Blutrausch 30 Puten gerissen.”
Aufgestallt werden die Puten im Alter von fünf Wochen. „Dann haben sie genügend Federn und können auch mal kühlere Tage im ungeheizten Stall aushalten”, erklärt Hoffarth. Der Bezug von Bioputenküken ist relativ schwierig, da es nur wenige Anbieter gibt. Die Eselsmühle bezieht ihre Jungputen seit vielen Jahren vom Betrieb Lojdl am Bodensee.
Ganz bewusst mästet der Biobetrieb neben Hähnen auch einige Hennen. Die weiblichen Tiere wachsen zwar etwas langsamer und werden nicht so groß und schwer wie die Hähne. Dieser vermeintliche Nachteil ist aber bei der Vermarktung ein Vorteil, da einige Kunden kleinere Tiere bzw. Putenteile bevorzugen.
 
Getrennte Mast von Hennen und Hähnen
Im Sommerhalbjahr tummeln sich die Puten im Rinderstall.
Anfangs wurden beide Geschlechter durchgehend zusammen gehalten, was aber mit zunehmendem Alter und Beginn der Geschlechtsreife zu Problemen führte. „Die Hähne sind in Gegenwart von Hennen sehr aggressiv untereinander. Außerdem bespringen sie die Hennen, was häufiger zu Verletzungen führte”, berichtet Claudia Hoffarth. Gelöst wurde das Problem durch eine getrennte Haltung der Geschlechter, bei der die Hennen außer Sichtweite der Hähne sind. „Das macht die Hähne deutlich entspannter und es gibt viel weniger Auseinandersetzungen.”
 
Nicht am Futter sparen
Neben der Hygiene ist die Fütterung die größte Herausforderung in der Biomast, da die verfügbaren Rassen ausschließlich für die konventionelle Haltung gezüchtet wurden. Claudia Hoffarth greift auf teures, aber sehr hochwertiges Biofutter zurück, mit zwei Energiestufen für die mittlere und späte Mastphase. „Das Futter ist wirklich das Letzte, woran man sparen sollte. Das ist bei uns ein wichtiger Garant für die gute Gesundheit der Tiere und damit auch für die Wirtschaftlichkeit der Mast.”
Um Kosten zu sparen, aber auch um den Energiegehalt der Ration zu senken, wird im Laufe der Mast zusätzlich eigener Bioweizen mit steigenden Anteilen eingemischt. Dass sich dadurch auch das Wachstum der Tiere etwas verlangsamt, ist eine bewusste Entscheidung der Betriebsleiter. „Im Vergleich zur konventionellen Haltung wachsen unsere Tiere deutlich langsamer, aber immer noch sehr schnell”, sagt Claudia Hoffarth. „Wir wollen einfach gesunde, vitale Tiere bis zum Schluss. Bei uns sitzt auch am Schlachttag kein Tier mit Liegebeulen oder Knickbeinen im Stall. Das ist uns wichtig.”
Aus dem gleichen Grund werden die Tiere auch nicht komplett ausgemästet, sondern nur bis zu einem Schlachtgewicht von maximal 19 Kilogramm bei Hähnen und 12 Kilogramm bei Hennen gehalten.
 
Verkauf gut durchorganisiert
Die Vermarktung der Tiere dauert von Ende September bis Ende Oktober und ist ein Kraftakt für die ganze Familie, die für den Verkauf ein eigenes Bestellsystem entwickelt hat. Der Betrieb schickt den Kunden Termine per E-Mail, an denen die vorbestellte Menge an Putenfleisch abgeholt werden kann. Außerhalb dieser Termine findet kein Abverkauf statt. Vor jedem der Verkaufstage werden bis zu 25 Puten in einer lokalen Schlachterei geschlachtet und noch am selben Tag zurückgebracht, damit sie im betriebseigenen Kühlraum aushängen können. Am folgenden Tag werden die Tiere dann zerlegt und die Kunden können die vorbestellten Teile – ganze Pute, halbe Pute oder ein Gourmet-Paket mit Brust und Keulen – abholen.
„Das sind schon sehr intensive Tage”, sagt Claudia Hoffarth. „Aber es lohnt sich auch.” Zudem ist das Kundenfeedback durchgehend positiv. Gelobt werden laut Hoffarth vor allem die besondere Fleischqualität und der Geschmack. „Ganz wichtig ist den Kunden aber auch, dass sie wissen, wo das Fleisch herkommt und wie die Tiere gehalten wurden.”
Deshalb wird die Putenaufzucht auf der Eselsmühle bewusst transparent gehalten. So liegt das Grünland für den Auslauf direkt an einem stark frequentierten Radweg. Viele der heutigen Stammkunden des Betriebs sind so erst auf Bioputenfleisch aufmerksam geworden. Aber auch spontane Betriebsführungen an den Verkaufstagen sind für die Hoffarths selbstverständlich.
„Alles in allem sind wir sehr zufrieden mit unserer Bioputenhaltung”, fasst Claudia Hoffarth ihre Erfahrungen zusammen. „Allerdings sind wir nach dem letzten Verkaufstag auch immer alle froh, dass wir sechs Monate lang nichts mehr mit Puten zu tun haben.”