Beweisen, dass der vierte Weg funktioniert
Von Katrin Schweitzer, LKV
Ende 2020 läuft die Übergangsfrist für die betäubungslose Ferkelkastration aus. Ringmitglieder des LKV Baden-Württemberg testen derzeit den vierten Weg. Die lokale Betäubung der Ferkel übernimmt bei ihnen der Tierarzt. Näheres dazu von LKV-Beraterin Katrin Schweitzer.
Der zusätzliche Zeitaufwand für das Spritzen des Lokalanästhetikums hält sich in Grenzen.
In Mecklenburg-Vorpommern startet jetzt ein staatlich gefördertes Projekt mit dem Thema „Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration”. Getestet wird die lokale Betäubung ohne Injektion. Eingesetzt wird hierzu ein spezielles Betäubungsgel. In Niedersachsen wird das Projekt „Untersuchungen zur wirksamen Schmerzausschaltung bei der Saugferkelkastration mittels Lokalanästhesie” der Tierärztlichen Hochschule Hannover gefördert. Das zeigt, dass auch von Seiten der Politik das Thema der lokalen Betäubung, also der vierte Weg, noch nicht vom Tisch ist.
Wachrütteln
Bei uns im Süden, in Baden-Württemberg und Bayern, werden auch zukünftig fast ausschließlich kastrierte Ferkel aufgestallt werden. Unsere kleiner strukturierten Betriebe können nicht getrenntgeschlechtlich aufstallen und die noch vorhandene Metzgervermarktung wird auch nur kastrierte Ferkel abnehmen.
Die Ringgemeinschaft Bayern hat daher im Frühjahr 2019 einen Aufruf zur sofortigen Umsetzung der örtlichen Betäubung bei der Ferkelkastration auf freiwilliger Basis gestartet. Dahinter steht die Überzeugung, dass die Ferkelerzeuger gemeinsam in Vorleistung gehen müssen, um Politik und Gesellschaft wachzurütteln.
Einige Mitgliedsbetriebe der Erzeugerringe des LKV Baden-Württemberg sind diesem Aufruf gefolgt und kastrieren nun unter örtlicher Betäubung durch den Tierarzt. Der Tierarzt injiziert das Lokalanästhetikum, zugelassen für Schweine, links und rechts der Hodensacknaht, also nicht in den Hoden, sondern in die Haut des Hodensacks. Danach ist seine Aufgabe erledigt und er kann den Betrieb verlassen. Die männlichen Ferkel werden nach der Injektion farblich markiert und wieder in die Bucht gesetzt oder separat gehalten.
Zusätzlicher Zeitaufwand hält sich in Grenzen
Die männlichen Ferkel werden nach der Injektion des Lokalanästhetikums farblich markiert und wieder in die Bucht gesetzt oder separat gehalten.
Gleichzeitig mit dem Lokalanästhetikum wird wie bisher ein Schmerzmittel
verabreicht. Dieses hat dann seine volle Wirkung entfaltet, wenn die
Lokalanästhesie nach 45 bis 90 Minuten nachlässt. Nach dem Wirkungseintritt des Lokalanästhetikums kann der Landwirt die
Ferkel kastrieren.
Der Vorteil dieser Methode ist, dass die Tiere
danach nicht schlafen.Sie kühlen folglich nicht aus und verpassen
keine Mahlzeit. Sie zeigen auch direkt nach dem Kastrieren keine Verhaltensunterschiede zu den weiblichen Ferkeln.
Werner Müller, Schweinehalter aus Ulm-Jungingen, hat festgestellt: „Die
Ferkel sind unbeeindruckt von der Kastration, gehen ans Gesäuge oder
spielen mit den Wurfgeschwistern.” Der zusätzliche Zeitaufwand hält
sich in Grenzen, so Müller. Sein Tierarzt Dr. Wolf Rensmeyer benötigt
etwa 30 Minuten, um 80 bis 90 Ferkel zu spritzen. Das Mittel, ein
Kombipräparat aus Procain und Epinephrin, hat keine Wartezeit. Weder am
selben Abend noch am nächsten Tag konnten negative Auswirkungen der
lokalen Betäubung festgestellt werden.
Für Ferkel und Anwender die beste Lösung
Werner Müller ist zufrieden: „Natürlich ist es ein etwas größerer Aufwand als
bisher, aber auch die anderen vorgeschlagenen Methoden sind mit einem
höheren Aufwand verbunden. Es ist aber ein guter Weg und für die Ferkel
sicher die verträglichste Lösung. Man bemerkt beim Schneiden kein
Zucken, das heißt, die Ferkel spüren den Schnitt nicht. Ich kann mir
daher gut vorstellen, auch in Zukunft so zu kastrieren, wenn es den
vierten Weg gibt.”
Auch Schweinehalter Ernst Buck aus
Holzkirch kastriert seine männlichen Ferkel seit März 2019 unter lokaler
Betäubung. Auch seiner Ansicht nach ist dies für Ferkel und Anwender
die beste Lösung: „In anderen Ländern geht es doch auch, siehe Dänemark
oder Australien. Wir müssen die verbleibende Zeit nutzen, um eine
praktikable Lösung zu finden. Der freiwillige Einstieg, unter lokaler
Betäubung zu kastrieren, ist ein guter Weg, um zu zeigen, dass wir
Landwirte bereit sind, etwas zu tun, um praktikable Lösungen zu finden
und umzusetzen.”
Interessiert?
Tierarzt Jürgen Buschmann, Lonsee, verabreicht auf dem Betrieb Buck das
Anästhetikum den Ferkeln. Seine Meinung zu dieser Methode: „Für mich ist
das auf jeden Fall eine gute Erfahrung, diese Methode zu testen und
durchzuführen. Sie stellt einen echten Mehrwert dar.
Der Schnitt ist
nicht mehr schmerzhaft. Die Betäubung mit Isofluran dauert viel zu lange
(90 Sekunden) und ist für den Organismus der kleinen Ferkel sehr
belastend. Außerdem haben sie danach einen nicht zu unterschätzenden
Kater. Insgesamt dauert das Kastrieren der Ferkel mit der langen
Betäubungszeit viel länger. Nachgewiesenermaßen ist eine Narkose bei
den Ferkeln belastender, als wenn ohne Narkose kastriert wird.”
Weiter berichtet Buschmann: „Im Zuge der zootechnischen Maßnahmen müssen
sowieso alle Ferkel in die Hand genommen werden. Deshalb haben wir
versuchsweise auch den weiblichen Ferkeln das Schmerzmittel verabreicht,
so dass auch das Einziehen der Ohrmarke für die Tiere erträglicher war.
Auch hier war zu erkennen, dass es den Tieren dabei deutlich besser
geht.”
Der vierte Weg ist immer noch eine Alternative,
die es zu verwirklichen gilt. Unterstützen Sie diese Initiative,
sprechen Sie Ihren Tierarzt an oder melden Sie sich bei den
Erzeugerringen im LKV, um weitere Informationen zu erhalten. Werden Sie
jetzt aktiv, solange der Zug noch nicht abgefahren ist.