Tierhaltung | 19. September 2019

Beweisen, dass der vierte Weg funktioniert

Von Katrin Schweitzer, LKV
Ende 2020 läuft die Übergangsfrist für die betäubungslose Ferkelkastration aus. Ringmitglieder des LKV Baden-Württemberg testen derzeit den vierten Weg. Die lokale Betäubung der Ferkel übernimmt bei ihnen der Tierarzt. Näheres dazu von LKV-Beraterin Katrin Schweitzer.
Der zusätzliche Zeitaufwand für das Spritzen des Lokalanästhetikums hält sich in Grenzen.
In Mecklenburg-Vorpommern startet jetzt ein staatlich gefördertes Projekt mit dem Thema „Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration”. Getestet wird die lokale Betäubung ohne Injektion. Eingesetzt wird hierzu ein spezielles Betäubungsgel. In Niedersachsen wird das Projekt „Untersuchungen zur wirksamen Schmerzausschaltung bei der Saugferkelkastration mittels Lokalanästhesie” der Tierärztlichen Hochschule Hannover gefördert. Das zeigt, dass auch von Seiten der Politik das Thema der lokalen Betäubung, also der vierte Weg, noch nicht vom Tisch ist.
Wachrütteln
Bei uns im Süden, in Baden-Württemberg und Bayern, werden auch zukünftig fast ausschließlich kastrierte Ferkel aufgestallt werden. Unsere kleiner strukturierten Betriebe können nicht getrenntgeschlechtlich aufstallen und die noch vorhandene Metzgervermarktung wird auch nur kastrierte Ferkel abnehmen.
Die Ringgemeinschaft Bayern hat daher im Frühjahr 2019 einen Aufruf zur sofortigen Umsetzung der örtlichen Betäubung bei der Ferkelkastration auf freiwilliger Basis  gestartet. Dahinter steht die Überzeugung, dass die Ferkelerzeuger gemeinsam in Vorleistung gehen müssen, um Politik und Gesellschaft wachzurütteln.
Einige Mitgliedsbetriebe der Erzeugerringe des LKV Baden-Württemberg sind diesem Aufruf gefolgt und kastrieren nun unter örtlicher Betäubung durch den Tierarzt. Der Tierarzt injiziert das Lokalanästhetikum, zugelassen für Schweine, links und rechts der Hodensacknaht, also nicht in den Hoden, sondern in die Haut des Hodensacks. Danach ist seine Aufgabe erledigt und er kann den Betrieb verlassen. Die männlichen Ferkel werden nach der Injektion farblich markiert und wieder in die Bucht gesetzt oder separat gehalten.
Zusätzlicher Zeitaufwand hält sich in Grenzen
Die männlichen Ferkel werden nach der Injektion des Lokalanästhetikums farblich markiert und wieder in die Bucht gesetzt oder separat gehalten.
Gleichzeitig mit dem Lokalanästhetikum wird wie bisher ein Schmerzmittel verabreicht. Dieses hat dann seine volle Wirkung entfaltet, wenn die Lokalanästhesie nach 45 bis 90 Minuten nachlässt. Nach dem Wirkungseintritt des Lokalanästhetikums kann der Landwirt die Ferkel kastrieren.  
Der Vorteil dieser Methode ist, dass die Tiere danach nicht schlafen.Sie kühlen folglich nicht aus und verpassen keine Mahlzeit. Sie zeigen auch direkt nach dem Kastrieren keine Verhaltensunterschiede zu den weiblichen Ferkeln.
Werner Müller, Schweinehalter aus Ulm-Jungingen, hat festgestellt: „Die Ferkel sind unbeeindruckt von der Kastration, gehen ans Gesäuge oder spielen mit den Wurfgeschwistern.” Der zusätzliche Zeitaufwand hält sich in Grenzen, so Müller. Sein Tierarzt Dr. Wolf Rensmeyer benötigt etwa 30 Minuten, um 80 bis 90 Ferkel zu spritzen. Das Mittel, ein Kombipräparat aus Procain und Epinephrin, hat keine Wartezeit. Weder am selben Abend noch am nächsten Tag konnten negative Auswirkungen der lokalen Betäubung festgestellt werden.
Für Ferkel und Anwender die beste Lösung
Werner Müller ist zufrieden: „Natürlich ist es ein etwas größerer Aufwand als
bisher, aber auch die anderen vorgeschlagenen Methoden sind mit einem höheren Aufwand verbunden. Es ist aber ein guter Weg und für die Ferkel sicher die verträglichste Lösung. Man bemerkt beim Schneiden kein Zucken, das heißt, die Ferkel spüren den Schnitt nicht. Ich kann mir daher gut vorstellen, auch in Zukunft so zu kastrieren, wenn es den vierten Weg gibt.”  
Auch Schweinehalter Ernst Buck aus Holzkirch kastriert seine männlichen Ferkel seit März 2019 unter lokaler Betäubung. Auch seiner Ansicht nach ist dies für Ferkel und Anwender die beste Lösung: „In anderen Ländern geht es doch auch, siehe Dänemark oder Australien. Wir müssen die verbleibende Zeit nutzen, um eine praktikable Lösung zu finden. Der freiwillige Einstieg, unter lokaler Betäubung zu kastrieren, ist ein guter Weg, um zu zeigen, dass wir Landwirte bereit sind, etwas zu tun, um praktikable Lösungen zu finden und umzusetzen.”
Interessiert?
Tierarzt Jürgen Buschmann, Lonsee, verabreicht auf dem Betrieb Buck das Anästhetikum den Ferkeln. Seine Meinung zu dieser Methode: „Für mich ist das auf jeden Fall eine gute Erfahrung, diese Methode zu testen und durchzuführen. Sie stellt einen echten Mehrwert dar.
Der Schnitt ist nicht mehr schmerzhaft. Die Betäubung mit Isofluran dauert viel zu lange (90 Sekunden) und ist für den Organismus der kleinen Ferkel sehr belastend. Außerdem haben sie danach einen nicht zu unterschätzenden Kater. Insgesamt dauert das Kastrieren der Ferkel mit der langen Betäubungszeit viel länger. Nachgewiesenermaßen ist eine Narkose bei den Ferkeln belastender, als wenn ohne Narkose kastriert wird.”
Weiter berichtet Buschmann: „Im Zuge der zootechnischen Maßnahmen müssen sowieso alle Ferkel in die Hand genommen werden. Deshalb haben wir versuchsweise auch den weiblichen Ferkeln das Schmerzmittel verabreicht, so dass auch das Einziehen der Ohrmarke für die Tiere erträglicher war. Auch hier war zu erkennen, dass es den Tieren dabei deutlich besser geht.” 
Der vierte Weg ist immer noch eine Alternative, die es zu verwirklichen gilt. Unterstützen Sie diese Initiative, sprechen Sie Ihren Tierarzt an oder melden Sie sich bei den Erzeugerringen im LKV, um weitere Informationen zu erhalten. Werden Sie jetzt aktiv, solange der Zug noch nicht abgefahren ist.