Eine erneute befristete Ausweitung der kurzfristigen Beschäftigung wird es aller Voraussicht nach in diesem Jahr nicht geben. Dahingehende Aussagen kommen vom Bundeslandwirtschafts- und vom Bundesarbeitsministerium.
Mit Ausnahmen für die Landwirtschaft bei der Erhöhung des Mindestlohns zum 1.Oktober ist laut Bundesregierung nicht zu rechnen.
Die beiden Staatssekretärinnen vom Bundeslandwirtschafts- und vom Bundesarbeitsministerium, Silvia Bender und Lilian Tschan, erteilten am Dienstag einer Verlängerung der sogenannten 70-Tage-Regelung eine Absage. In den beiden vergangenen Jahren war die kurzfristige Beschäftigung auch wegen der Corona-Pandemie auf 115 beziehungsweise 102 Tage ausgeweitet worden.
Bender wies zugleich aber auch Forderungen von Gewerkschaftsseite zurück, die kurzfristige Beschäftigung weiter einzuschränken oder sogar abzuschaffen. Sie betonte die Bedeutung der Saisonarbeitskräfte insbesondere für den Sonderkulturbereich und warnte vor weiteren Belastungen für die Betriebe. „Mehr regionale Produkte und ein höherer Anteil von heimischem Obst und Gemüse gehen nur mit Saisonbeschäftigung in der Landwirtschaft”, so die Staatssekretärin.
Bender warnte zugleich vor einem übereilten Vorgehen im Hinblick auf den geforderten vollen Krankenversicherungsschutz für Saisonbeschäftigte. Zunächst müsse die seit 1. Januar dieses Jahres geltende Meldepflicht evaluiert werden, bevor weitergehende Maßnahmen ergriffen werden könnten. „Wir gehen davon aus, dass private Gruppenversicherungen einen vergleichbaren Schutz bieten wie die gesetzliche Krankenversicherung”, erklärte die Staatssekretärin unter Hinweis auf die Einschätzung des in dieser Frage federführenden Bundesgesundheitsministeriums.
Offenbar kein Spielraum beim Mindestlohn
Keinen Verhandlungsspielraum
gibt es offenbar beim Mindestlohn. Sowohl Bender als auch Tschan
sprachen sich gegen Ausnahmen für die Landwirtschaft aus. Sie
bekräftigte das Ziel, die Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf zwölf Euro zum 1. Oktober umzusetzen.
Bender räumte ein, dass dies für einen Teil der Betriebe, etwa jenen mit
Apfel- und Kohlerzeugung, noch in diesem Jahr eine erhebliche
Herausforderung darstellen werde.
Bundesregierung erwartet stabile Beschäftigung
Die Bundesregierung rechnet nicht damit, dass sich die für den Herbst geplante Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf die Höhe der Beschäftigung in der Landwirtschaft auswirken wird. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der AfD im Bundestag verweist die Regierung auf Erfahrungen mit der Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015. Die Bundesregierung bekräftigt ihre ablehnende Haltung gegenüber Ausnahmeregelungen beim Mindestlohn im Bereich der Landwirtschaft. Ohnehin werde eine Anhebung auf zwölf Euro zum Oktober 2022 in dieser Erntesaison für die meisten landwirtschaftlichen Betriebe keine größere Rolle mehr spielen. Damit bleibe den Betrieben bis zur nächsten Saison „eine gewisse Vorlaufzeit”, um sich auf die geänderten Rahmenbedingungen einzustellen.
Nach Angaben der Bundesregierung waren im Zeitraum März 2019 bis Februar 2020 rund 275000 Saisonarbeitskräfte in Deutschland tätig.
In ihrer Antwort verweist die Regierung auf den hohen Anteil von Handarbeit in Sonderkulturbetrieben. Für spezialisierte Gartenbaubetriebe liege der Arbeitskräftebesatz bei 65,3 Vollzeit-Arbeitskräften je 100 ha landwirtschaftlich genutzter Fläche (LF), in spezialisierten Dauerkulturbetrieben des Wein- und Obstbaus bei 17,8 Vollzeit-Arbeitskräften je 100 ha LF. Im Durchschnitt aller landwirtschaftlichen Betriebe beträgt dieser Wert 2,9. Insgesamt ist laut Regierung die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Landwirtschaft im letzten Jahrzehnt gestiegen, und zwar von 205000 Mitte 2011 auf 232000 im Juni 2021.