Politik | 24. August 2023

Berlin setzt auf viel mehr Sonnenstrom

Von AgE
Die Bundesregierung will mehr Tempo beim Solarausbau. Das in der vergangenen Woche vom Kabinett beschlossene Solarpaket sieht bis 2026 eine Verdreifachung des jährlichen Zubaus von zuletzt 7,5 Gigawatt (GW) auf dann 22 GW vor.
Neu geregelt werden soll die Förderung von besonderen Solaranlagen. Dazu zählen neben Agri-PV auch Moor-PV und Parkplatz-PV sowie die sogenannten Floating-PV auf Binnengewässern.
Der angestrebte Zubau auf 215GW im Jahr 2030 soll je zur Hälfte auf Dächern und in der Fläche erfolgen. Dazu sollen die Flächenkulisse für Photovoltaik-(PV-)Freiflächenanlagen ausgeweitet und insbesondere die Förderung der Agri-PV verbessert werden.
Benachteiligte Gebiete: grundsätzliche Öffnung
Laut Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Steigerung des Ausbaus photovoltaischer Energieerzeugung soll die Förderung von Solaranlagen künftig grundsätzlich auch in benachteiligten Gebieten möglich sein, die bislang für landwirtschaftliche Zwecke genutzt wurden. Die bisherige Opt-in-Regelung, derzufolge Bundesländer PV-Freiflächenanlagen auf landwirtschaftlichen Flächen in benachteiligten Gebieten erlauben konnten, wird zu einer Opt-out-Regelung. Danach können die Länder unter bestimmten Voraussetzungen benachteiligte Gebiete für Solaranlagen künftig wieder schließen. Die Mindestöffnung soll ein Prozent der landwirtschaftlichen Fläche eines Landes bis Ende 2030 betragen und danach 1,5 Prozent. Das heißt, bei Überschreiten der Ein- Prozent-Schwelle vor dem 31.Dezember 2030 kann das betreffende Land die benachteiligten Gebiete bis Jahresende 2030 ausschließen. Danach können die Flächen erst bei Erreichen der Schwelle von 1,5 Prozent ausgeschlossen werden.
Agri-PV, Moor-PV, Parkplatz-PV, Floating-PV
Neu geregelt werden soll die Förderung von besonderen Solaranlagen. Dazu zählen neben Agri-PV auch Moor-PV und Parkplatz-PV sowie die sogenannte Floating-PV auf Binnengewässern. Für diese besonderen PV-Anlagen soll ein eigenes Ausschreibungssegment eingeführt werden. Der Höchstwert soll 9,5 Cent/kWh betragen. Agri-PV-Anlagen müssen dabei laut Entwurf mindestens 2,10 m hoch aufgeständert sein. Die Ausschreibungsmengen für besondere Solaranlagen im Rahmen der bestehenden Freiflächenausschreibungen sollen von anfänglich 500 Megawatt (MW) schrittweise auf bis zu 3000 MW pro Jahr erhöht werden. Die Mengen in der Ausschreibung insgesamt und die dafür benötigten Flächen bleiben gleich. Um den Naturschutz zu stärken, soll eine neue Kategorie „Biodiversitäts-PV” eingeführt werden. Bei Agri-PV-Anlagen sollen Maßnahmen zum Naturschutz besonders gefördert werden.
Der Bauernverband geht davon aus, dass mit der Energiewende rund 80000 ha an landwirtschaftlichen Flächen für PV-Anlagen in Anspruch genommen werden. Etwas entschärft werden könne der drohende Flächenverlust durch Agri-PV.
Agri-PV braucht klare Vorgaben
Voraussetzung dafür sind laut Generalsekretär Krüsken aber klare Definitionen, Konzepte und gleiche Förderrichtlinien für alle Formen der Agri-PV. Darüber hinaus dürften sich die Konzepte nicht nur auf den Ausbau konzentrieren, sondern müssten weitergedacht werden. „Mit dem Ausbau allein ist es nicht getan”, betonte Krüsken. Es müsse auch an Speicherlösungen gedacht werden, die den Strom der erneuerbaren Energien in Spitzenzeiten auch aufnehmen könnten.
Auch das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) erwartet von dem geplanten Gesetz einen Schub für die Nutzung der Photovoltaik in Deutschland und damit eine Beschleunigung des Klimaschutzes.
Mehrfachnutzung lindert Flächenkonkurrenz
Nach Ministeriumsangaben hat sich Ressortchef Cem Özdemir erfolgreich dafür stark gemacht, dass beim weiteren Ausbau der Photovoltaik die Belange der Landwirtschaft und der ländlichen Regionen berücksichtigt und Flächenkonkurrenzen minimiert werden. Dem Minister Özdemir sei es wichtig gewesen, dass verstärkt PV-Anlagen auf bereits versiegelten oder vorbelasteten Flächen errichtet werden, also insbesondere auf Parkplätzen oder in Doppelnutzung wie durch Agri-PV, betonte das BMEL. Durch diese Mehrfachnutzung könnten mögliche Flächenkonkurrenzen – wie zum Beispiel zwischen der Energieerzeugung auf der einen Seite und der Erzeugung von Lebensmitteln auf der anderen – entschärft werden. Vielmehr würden nun positive Synergieeffekte zwischen Klimaschutz und Klimaanpassung generiert, denn die hochgeständerten PV-Paneele könnten beispielsweise den Obstbau oder Sonderkulturen vor Hagel, Starkregen, Frost und Sonnenbrand schützen.
Duldungspflichten
Die vorgesehenen Duldungspflichten auf Privatgrundstücken bei der Verlegung von Leitungen stoßen berufsständischen Verbänden sauer auf.
Gemäß dem Gesetzentwurf sollen die Betreiber von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien künftig fremde Grundstücke nutzen dürfen, um Leitungen zu den Verknüpfungspunkten in das Energienetz oder Direktleitungen zu Kunden zu führen. Vorgesehen sind außerdem Überfahrungsrechte zum Betrieb der Anlagen sowie Überschwenkrechte für Windenergieanlagen.
Für die Leitungsführung ist eine Vergütung von fünf Prozent des Verkehrswerts der Schutzstreifenfläche vorgesehen. Demgegenüber sieht die Stromnetzentgeltverordnung für die dort geregelten Leitungstypen Vergütungssätze von 35 Prozent des Verkehrswerts der in Anspruch genommenen Schutzstreifenfläche vor. Von den Duldungspflichten für Eigentümer und Nutzungsberechtigte verspricht sich die Bundesregierung eine Beschleunigung des Solarausbaus.
Vom Deutschen Bauernverband, weiteren Verbänden und der Unionsfraktion im Bundestag   kam zu diesem Punkt dagegen heftige Kritik.
Vorgesehene Duldungspflicht heftig kritisiert
Während die Ausbaupläne für Photovoltaik  Unterstützung finden, sorgt die vorgesehene Einführung von Duldungspflichten für Eigentümer und Nutzungsberechtigte beim Anschluss von erneuerbaren Energien an das Stromnetz in der Land- und Forstwirtschaft für erheblichen Unmut.
Der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Bernhard Krüsken, bezeichnete eine solche Regelung als verfassungsrechtlich fragwürdig und warnte davor, die Akzeptanz für die erneuerbaren Energien im ländlichen Raum zu gefährden. „Zwang hat noch nie die Akzeptanz erhöht”, warnte Krüsken. Der Bauernverband setze deshalb weiter auf private Verhandlungen, die in der Vergangenheit immer gut funktioniert hätten. Dem Generalsekretär zufolge ist bisher noch kein Projekt an fehlendem Einvernehmen zwischen Netzbetreibern auf der einen sowie Grundeigentümern und Bewirtschaftern auf der anderen Seite gescheitert. Deren Rechte würden durch eine Duldungspflicht missachtet, die damit einer entschädigungslosen Enteignung gleichkomme.
Ähnlich äußerten sich die Familienbetriebe Land und Forst sowie die „Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände (AGDW) − Die Waldeigentümer”. „Gerade angesichts der zunehmenden politischen Polarisierung, auch zwischen Stadt und Land, müssen die Belange der Betroffenen vor Ort besser berücksichtigt werden”, betonte der Geschäftsführer der Familienbetriebe, Leo von Stockhausen. Dazu gehöre, „dass Grundstücksnutzungen nicht durch gesetzliche Anordnung, sondern durch vertragliche Vereinbarungen geregelt werden, die angemessene Vergütungen vorsehen”.
AGDW-Präsident Professor Andreas Bitter sieht in den Duldungspflichten eine Missachtung der Rechte der Waldeigentümer. „Dieser Schritt kommt teilweise einer Enteignung gleich”, stellte auch Bitter fest.
Kritik kam zudem von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. „Der notwendige Ausbau der Verteilnetze gelingt nur, wenn die Landwirte mit an Bord sind”, stellte der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Steffen Bilger, fest. Das setze eine faire Beteiligung und eine angemessene finanzielle Kompensation voraus. Die Union werde sich für eine umfassende Wahrung des Eigentumsrechts einsetzen, kündigte der CDU-Politiker an.