Politik | 29. August 2019

Berlin schärft die Düngeverordnung nach

Von AgE
Die Bundesregierung wird bei ihren Vorschlägen zur Änderung der Düngeverordnung nachlegen. Das haben die Bundesministerinnen Julia Klöckner und Svenja Schulze bei einem Treffen mit den zuständigen Landesministern sowie Verbandsvertretern am 21. August in Berlin angekündigt.
Die Bundesregierung will gegenüber Brüssel unter anderem mit verlängerten Sperrfristen und Einschränkungen bereits ab fünf Prozent Hangneigung punkten.
Die Bundesregierung hofft damit, einer Verurteilung im laufenden Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen Nichteinhaltung der EU-Nitratrichtlinie zu entgehen und massive Strafzahlungen abzuwenden.
Klöckner und Schulze bekundeten, noch  in dieser Woche nach Brüssel zu reisen und Umweltkommissar Karmenu Vella ihre nachgebesserten Vorschläge zu präsentieren.
Verlängerte Sperrfristen
Im Vergleich zu den im Frühsommer der EU-Kommission in Aussicht gestellten Düngeverschärfungen sollen die Sperrfristen für die Düngung in nitratbelasteten Gebieten auf Grünland sowie für die Düngung mit Festmist und Kompost verlängert werden. Besondere Vorgaben für die Düngung von Hangflächen sollen bereits ab einer Hangneigung von fünf Prozent statt wie bisher von zehn Prozent gelten. Der Nährstoffvergleich soll durch Aufzeichnungspflichten über die tatsächlich aufgebrachten Düngermengen ersetzt werden.
Rukwied fordert praktikablere Vorschläge
Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, äußerte sich kritisch. Die aktuellen Vorschläge konterkarierten die Bemühungen zum Wasserschutz, sagte Rukwied bei der Erntepressekonferenz am 23. August in Berlin. Mangels bedarfsgerechter Düngung seien eine schlechtere Durchwurzelung der Böden und eine ineffiziente Nährstoffaufnahme sowie schwächere Erträge zu erwarten. Er forderte die Bundesregierung auf, praktikablere Vorschläge auf den Tisch zu legen.
Nach den zwischen Bundeslandwirtschafts- und Bundesumweltministerium abgestimmten Vorschlägen soll die Sperrfrist für Festmist und Kompost in den roten Gebieten künftig bereits vom 1. November anstatt wie bisher vorgesehen vom 1. Dezember an bis zum 31. Januar gelten. Gewässerschonend wirtschaftende Betriebe sollen von der Verlängerung ausgenommen werden. Außerhalb belasteter Gebiete soll die Sperrfrist um zwei Wochen vom 1. Dezember bis zum 15. Januar verlängert werden. Zudem will man eine von der Kommission verlangte Obergrenze für die Ausbringung von Festmist auf gefrorenem Boden einführen.
Einschränkungen ab fünf Prozent Hangneigung
Die Düngung von Grünland mit flüssigen organischen und organisch-mineralischen Düngemitteln soll in belasteten Gebieten künftig vom 1. Oktober bis 31. Januar verboten sein. Das sind zwei Wochen mehr als bislang vorgesehen. Zudem soll die Düngung vom 1. September bis zum Beginn der Sperrfrist auf 60 kg Gesamtstickstoff je Hektar begrenzt werden. Bislang sollte die Obergrenze bei 80 kg liegen. Die von der Bundesregierung im Juni vorgeschlagenen Restriktionen für die Düngung von Flächen mit mehr als zehn Prozent Hangneigung sollen nunmehr bereits für Flächen mit einer Hangneigung ab fünf Prozent gelten. Zudem soll der vorgeschlagene Gewässerabstand ab fünf Prozent Hangneigung von zwei auf drei Meter vergrößert werden. Eine von der Kommission geforderte dauerhafte Begrünung der Gewässerrandstreifen soll in den Landeswassergesetzen geregelt werden.
Nachzügler müssen rote Gebiete ausweisen
Stärker reglementiert werden soll auch die Phosphatdüngung. In ausgewiesenen phosphatsensiblen Gebieten sollen Phosphatdüngemittel nicht vom 1. November bis 31. Januar aufgebracht werden dürfen. Allerdings machten die Länder bei dem Treffen in Berlin Bedenken gegen eine Ausweisung von phosphatbelasteten Gebieten geltend. Im Einzelfall sei es kaum rechtssicher möglich, die Phosphatbelastung eines Oberflächengewässers auf die Landwirtschaft zurückzuführen.
Weiterhin gefordert sind die Länder bei der Ausweisung nitratbelasteter Gebiete, nachdem bislang erst zwölf von ihnen ihrer Verpflichtung nachgekommen sind und entsprechende Landesverordnungen vorgelegt haben. Die Kommission drängt dem Vernehmen nach auf eine vollständige Ausweisung der roten Gebiete in Deutschland.
An Ausnahme für Dauergrünland festhalten
„Uns wurde deutlich gemacht, dass Deutschland gegenüber der EU-Kommission kaum Spielraum hat”, erklärte die niedersächsische Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast nach dem Düngegespräch in Berlin. Sie sei deshalb froh, dass Niedersachsen einen Baustein liefern könne, um das von der Kommission geforderte Monitoring zur Nitratbelastung der Gewässer in Deutschland zu erfüllen. „Brüssel fordert eine flächendeckende, schlagbezogene, elektronische Erfassung der Nährstoffströme. Und genau das verfolgen wir mit ENNI”, so die Ministerin. Ihrer Auffassung nach kann die elektronische Erfassung in Niedersachsen als Blaupause dienen und werde in die Arbeit der Bund-Länder-Arbeitsgruppe einfließen.
Bestätigt sieht sich Otte-Kinast in ihrer Forderung nach der Ausnahme für Dauergrünland von der Reduzierung des Düngebedarfs um 20 Prozent in den roten Gebieten. „Eine 20-prozentige Reduzierung der Düngung in den nitratsensiblen Gebieten ergibt bei Grünland keinen Sinn”, betonte die CDU-Politikerin. Die Kommission will die Ausnahme allerdings bislang nicht akzeptieren. Der Bund will nun in dieser Sache noch einmal das Gespräch mit den Brüsseler Beamten suchen.
Schwere Versäumnisse in der Düngepolitik werfen die grünen Landwirtschafts- und Umweltminister der Bundesregierung vor. Die derzeitige Situation nach Einleitung des Zweitverfahrens gegen Deutschland wegen Nicht-Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie sei das Ergebnis „einer jahrelangen Verzögerungstaktik und Missachtung der gemeinsamen europäischen Gewässerschutzregelungen”, vor allem durch die jeweils zuständigen Bundesagrarminister und -ministerinnen, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der grünen Länderressortchefs. Ihrer Auffassung nach muss mit den nunmehr geplanten Vorgaben dem Verursacherprinzip Rechnung getragen werden. Es müsse sichergestellt werden, dass nicht alle in Mithaftung genommen werden. Dies gelte insbesondere für nicht ökologisch und extensiv wirtschaftende Betriebe, die bereits heute gewässerschonend arbeiteten.
Weitere erhebliche Einschnitte für die Landwirtschaft bei der Düngung erwartet der Deutsche Raiffeisenverband (DRV). Hauptgeschäftsführer  Henning Ehlers verwies nach dem Düngegespräch auf die Pläne der Bundesregierung für verkürzte Sperrfristen bei der Ausbringung von Gülle und Festmist sowie verschärfte Auflagen für die mineralische Düngung in Hanglagen.
Ärger und Besorgnis beim DBV
Der DBV hatte im Vorfeld des Spitzentreffens vor überzogenen Verschärfungen der Düngeverordnung gewarnt. „Die fachlichen Grundsätze präziser und ordnungsgemäßer Düngung dürfen nicht dem politischen Druck geopfert werden”, erklärte der DBV-Umweltbeauftragte Eberhard Hartelt. Der Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd (BWV) räumte ein, dass Strafzahlungen aus Brüssel unbedingt abgewendet werden müssten.
Das von der EU-Kommission vorangetriebene Vertragsverletzungsverfahren führe jedoch dazu, „dass das Düngerecht ohne qualifizierte Folgenabschätzung und im Eilverfahren durchgeboxt werden muss”.
Hartelt wirft der Kommission widersprüchliches Verhalten vor. Einerseits weise
sie auf nationale Spielräume für regional angepasste Lösungen im Düngerecht
hin, andererseits mache sie der Bundesregierung jedoch kleinteilige Vorgaben zur Formulierung des Düngerechts.
Besorgt äußerte sich der DBV-Umweltbeauftragte zu Plänen von Bund und Ländern für ein generelles Düngeverbot zu Zwischenfrüchten. Ein Verbot der Düngung nicht nur im Herbst, sondern auch im Spätsommer stelle die besonders gewässerschützende Maßnahme des Zwischenfruchtanbaus in Frage und sei damit kontraproduktiv, kritisierte Hartelt. Zudem würden damit viele Betriebe gezwungen, die Lagerkapazität für Wirtschaftsdünger kurzfristig massiv auszudehnen, und das bei großen Hindernissen im Bau- und Genehmigungsrecht. Hartelt zufolge wird dies viele kleine und mittlere Tierhalter in den Ausstieg treiben.
Nach wie vor nicht ausgeschöpft seien hingegen die Möglichkeiten zur präziseren regionalen Abgrenzung der betroffenen Gebiete, um die strengeren Regelungen im Düngerecht gezielt dort zur Anwendung zu bringen, wo noch Probleme bestünden. Zudem müsse es eine Möglichkeit für Betriebe geben, von den strengeren Regelungen für nitratsensible Gebiete ausgenommen zu werden, wenn beispielsweise anhand der Nährstoffbilanz belegt werde, dass der Betrieb gewässerschonend wirtschafte. Für den Umweltbeauftragten ist nicht akzeptabel, pauschal alle Betriebe in einem nitratsensiblen Gebiet mit verschärften Auflagen zu überziehen, „nur weil Bund und Länder die Arbeit einer differenzierteren Abgrenzung der nitratsensiblen Gebiete scheuen”.