Tierhaltung | 20. Mai 2020

Bei Problemen auch ans Tränkewasser denken

Von Dr. Ingrid Lorenz, TGD Bayern
Bei gehäuft auftretenden Krankheitsproblemen im Kuhstall wird oft in viele Richtungen untersucht. Was aber gerne dabei übersehen wird, ist das wichtigste Futtermittel von allen: das Tränkewasser.
Am liebsten trinken Kühe aus offenen Wasserflächen, in die sie ihr Maul einige Zentimeter tief eintauchen können.
Hochleistungskühe brauchen im Sommer bis zu 170 Liter Wasser am Tag. Steht dieses Wasser nicht in guter Qualität zur Verfügung, kann das zu vielfältigen Gesundheitsproblemen führen. Daher sollte das Tränkewasser vor allem bei Verwendung eines hofeigenen Brunnens mindestens einmal jährlich untersucht werden. Wird das Tränkewasser aus der öffentlichen Trinkwasserversorgung bezogen, kann man davon ausgehen, dass die Qualität des eingespeisten Wassers gut ist. Allerdings ist es auch hier möglich, dass das Wasser im Rohrleitungssystem Veränderungen erfährt, die es dann bedenklich werden lassen, wenn es im Trog ankommt.
Wie viel Wasser brauchen Rinder?
Der Wasserbedarf hängt neben dem Gewicht und der  Fütterung des Tieres  auch von der Umgebungstemperatur und bei der Milchkuh natürlich von der Milchleistung ab. Die Wasserversorgung muss immer an den maximalen Anforderungen ausgerichtet sein, und die können wie bereits angemerkt bis zu 170 Litern im Sommer betragen. Grundsätzlich trinken Kühe in kurzen Etappen (7–12/Tag), wobei sie jeweils 10 bis 20 l Wasser aufnehmen. Dabei können sie bis zu 25 Liter in der Minute trinken, was bei der Nachlaufgeschwindigkeit der Tränken berücksichtigt werden muss.
Am liebsten trinken Kühe aus offenen Wasserflächen, in die sie ihr Maul einige Zentimeter eintauchen können. Hierfür beträgt die optimale Höhe des Wassertrogs 60–70 cm und die Wassertiefe mindestens 7 cm. Man rechnet circa 10 cm Troglänge pro Kuh. Allerdings sollten in jeder Gruppe mindestens zwei Tränken zur Verfügung stehen, damit die Tränke nicht durch ranghohe Kühe blockiert werden kann. Um die Tränke muss ausreichend Platz sein, damit andere Kühe bequem an einer trinkenden Kuh vorbeikommen. Ausreichend Platz macht auch eine Kotverschmutzung der Tränke unwahrscheinlicher. Keinesfalls darf die Tränke in einer Sackgasse angebracht werden. 
Gibt es gesetzliche Vorgaben?
Kalzium und Eisen fördern nicht nur im Tränkebecken, sondern auch in den Leitungen die Bildung von Biofilmen.
Der einzige rechtliche Hinweis auf Tränkewasser ergibt sich aus der Futtermittelhygiene-Verordnung. Danach muss Tränkwasser so beschaffen sein, dass es für die betreffenden Tiere „geeignet” ist. Allerdings hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft einen ausführlichen Orientierungsrahmen für die Qualität von Tränkewasser veröffentlicht, in dem Richtzahlen für die physikalisch-chemische und die hygienische Qualität des Tränkewassers gegeben werden.
Welche Probleme kann es geben?
In der Tabelle werden die Orientierungswerte für einige wichtige Parameter dargestellt. Zu beachten ist, dass die Werte zum Teil deutlich von den Vorgaben für Trinkwasser abweichen, das heißt, sie stellen das absolute Limit des Vertretbaren dar. Alle diese Parameter können bei Abweichungen (auch bereits im Rahmen der Orientierungswerte) zu geringerer Wasseraufnahme führen, aber viele auch zu direkten gesundheitlichen Problemen.
  • Der optimale pH-Wert ist ein Wert um 7. Ein zu hoher pH-Wert (über 9) kann die Wasseraufnahme vermindern. Wohingegen saures Wasser (pH unter 5) Oberflächen und Leitungen angreift oder bei älteren Leitungen Kupfer und/oder Zink freisetzen kann. Eine hohe elektrische Leitfähigkeit ist allgemein ein Indikator für Einträge von Natrium, Kalium und Chlorid (z. B. durch Harn, Kot u. ä.).
  • Kalzium kann in hohen Konzentrationen zu Ablagerungen in den Leitungen führen.
  • Eisen senkt in zu hoher Konzentration die Wasseraufnahme und bildet Ablagerungen. Außerdem behindert Eisen die Aufnahme anderer Spurenelementen wie Kupfer oder Zink, so dass es zu einem sekundären Mangel an diesen Spurenelementen kommen kann.
  • Nitrat und Nitrit weisen auf organische Belastungen hin. Bei Kühen können hohe Werte zu Fruchtbarkeitsstörungen und Aborten führen. Bei Kälbern, die noch nicht wiederkäuen, kann es zu Vergiftungen kommen.
Hat sich eine schmierige Schleimschicht in der Tränke gebildet, ist die Reinigung längst überfällig. Ähnliche Beläge, sogenannte Biofilme, können sich auch in den Leitungen bilden und stetig Bakterien und Gifte ins Wasser abgeben.
Auch die mikrobiologische Qualität des Tränkewassers ist von höchster Wichtigkeit. Hier muss man zunächst einmal unterscheiden zwischen der Qualität des in das System eingespeisten Wassers und der Qualität des von den Tieren am Trog aufgenommenen Wassers. Bei allen Tränkesystemen besteht  eine mehr oder weniger große Gefahr des Eintrags von Bakterien durch Kotverschmutzung und Futterreste. Damit diese sich nicht nachteilig auf die Rinder auswirken, sollte es selbstverständlich sein, die Tränken mindestens zweimal täglich zu kontrollieren und regelmäßig zu reinigen. Hat sich in der Tränke eine schmierige Schleimschicht gebildet, ist die Reinigung längst überfällig.
Das größere, da nicht so offensichtliche Problem ist, dass diese schleimigen „Biofilme” auch in den Leitungssystemen ausgebildet werden können. Gefördert wird das durch die
genannten  Wasserinhaltsstoffe, die Ablagerungen in den Leitungen bilden. Hier finden die Bakterien einen gut geschützten Lebensraum, aus dem sie und die von ihnen gegebenenfalls gebildeten Gifte dann kontinuierlich in das Wasser abgeschwemmt werden.
Grundsätzlich sollte angestrebt werden, dass in das System eingespeistes Tränkewasser Trinkwasserqualität nach der Trinkwasserverordnung hat. Es  sollte frei sein von Salmonellen, Campylobacter und E. coli; die aerobe Gesamtkeimzahl sollte 1000 koloniebildende Einheiten (KBE)/ml bei 37 °C und 10000 KBE/ml bei 20 °C nicht überschreiten. Wird ein eigener Brunnen für die Wasserversorgung benutzt, sollte dieser routinemäßig einmal im Jahr überprüft werden.
Proben steril entnehmen
Um die Beteiligung des Tränkewassers an gesundheitlichen Problemen im Stall abzuklären, ist es allerdings notwendig, das Wasser zu untersuchen, das in den Trögen ankommt. Sehr wichtig für die mikrobiologische Untersuchung ist es in beiden Fällen, dass die Proben steril entnommen werden. Hierfür sollte der Wasserauslass abgeflammt werden (vorher natürlich alles Brennbare entfernen, ist das nicht möglich, Desinfektionsmittel verwenden) und das Wasser in eine abgekochte Glasflasche abgefüllt werden.
Wer untersucht Wasserproben?
Für die in diesem Artikel angesprochenen Wasseruntersuchungen benötigt man ein Labor, das mikrobiologisch, physikalisch und chemisch untersucht. Im Verbreitungsgebiet der BBZ sind dies folgende Labore (ohne Anspruch auf Vollständigkeit): MVZ Laborzentrum Ettlingen GmbH in 76275 Ettlingen, SchwarzwaldWASSER Labor GmbH in 77815 Bühl, SGS Institut Fresenius GmbH in 78315 Radolfzell, Zweckverband Bodensee-Wasserversorgung in 78354 Sipplingen, Gewerbliches Institut für Umweltanalytik GmbH in 79331 Teningen, IFU GmbH Gewerbliches Institut für Fragen des Umweltschutzes in 79423 Heitersheim und Untersuchungsinstitut Heppeler GmbH in 79239 Lörrach. Mit dem ausgewählten Labor sollte man  nicht nur den Untersuchungsumfang und die anfallenden Kosten abklären, sondern unbedingt auch absprechen, welche  Probengefäße zu verwenden  sind und wie man die Proben  verpacken muss.