Tierhaltung | 16. Januar 2020

Bedeutung der Rohfaser nicht unterschätzen

Von Ulrike Amler
In der Ferkelaufzucht werden die entscheidenden Weichen für eine gesunde Darmentwicklung gelegt. Die richtige Strategie zum Zeitpunkt des Absetzens entscheidet über Zunahmen und Gesundheit im weiteren Verlauf der Mast.
Für die Stabilisierung der Tiergesundheit ist auch ein ausreichender Rohfasergehalt im Futter wichtig.
Ein Augenmerk in der Ferkelaufzucht liegt auf dem Faser- und Strukturanteil des Futters. Dieser fördert nicht nur die Stabilität der Darmflora. Faserhaltige Zusatzfuttermittel sorgen auch für Beschäftigung und tragen zur Reduzierung des Schwanzbeißens bei. Derzeit erlebt Roggen eine wahre Renaissance in der Schweinefütterung. Er liefert bei 15 Prozent Anteil in der Ration neben preiswerter Futterenergie wertvolle Faser- und Strukturstoffe, die sättigend wirken und Stress reduzieren. Die darin enthaltenen Fruktane dienen als Futtergrundlage für solche Mikroben, die mit ihren Stoffwechselprodukten die Dickdarmschleimhaut unterstützen. Roggen kann nach Untersuchungen der Sächsischen Landesanstalt für Landwirtschaft bereits ab 12 kg Lebendgewicht verfüttert werden. 
Positive Effekte auf den Verdauungsapparat
Die Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo) wie auch das Versuchs- und Bildungszentrum Landwirtschaft Haus Düsse der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen haben in Versuchen einen positiven Effekt von gröberem, strukturreichem Futter auf den Verdauungsapparat beobachtet. Demnach wirkt sich Futter mit gröberen Partikeln positiv im Hinblick auf die Salmonellenproblematik aus. Bekannte Erfahrungen mit Rationen aus der Schweinemast können auch auf die Fütterung von Absatzferkeln übertragen werden. Die Partikelgrößen lagen bei diesem gröberen Futter anteilig bei 50 Prozent  für weniger als ein Millimeter (mm), 21 Prozent bei 1–2 mm und 28 Prozent bei Partikeln über 2 mm. Feineres Futter fördert dagegen die Staubentwicklung mit allen negativen Nebeneffekten.
Faserreiches Futter oder zusätzliches Beschäftigungsfutter bekommt auch zur Prophylaxe des Schwanzbeißens eine zusätzliche Gewichtung. Die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft hat 2018 Versuchsergebnisse zu Rationen mit Ferkelaufzuchtfutter und diversen  Rohfaserträgern wie Luzernehäcksel, Grascobs und Maissilage als Ad-libitum-Zusatzangebot vorgestellt. Das Fazit der Wissenschaftler: „Die Vorlage faserreicher Futtermittel in einem separaten Trog beeinflusste in allen Versuchen die Leistung nicht negativ.” Die Beifütterung habe kein Ferkelaufzuchtfutter verdrängt. Die positiven Effekte auf das Futteraufnahme- und Fressverhalten bei der Wahl zwischen zwei Trögen mit unterschiedlichem Futter wurde auch in den bayerischen Versuchen bestätigt. Die Tierernährungsexperten mahnen jedoch, dass  die hygienische Qualität der Futtermittel hinsichtlich der Mykotoxinbelastung und antinutritiven Faktoren den Kriterien des Hauptfutters entsprechen müsse.

 
Rohfasergehalt oft zu gering
Ballaststoffe sind essentiell für einen gesunden Verdauungsapparat und damit auch ein stabiles Immunsystem des Schweines. Vor allem Absetzferkel müssen in einer sehr frühen Lebensphase zwischen dem 21. und 28. Lebenstag in relativ kurzer Zeit den Wechsel zwischen der hochverdaulichen milchbetonten Nahrung und stärkereichen pflanzlichen Futtermitteln bewältigen. Bis dahin sind weder das Verdauungssystem noch das Immunsystem vollständig ausgereift und empfindlich gegenüber pathogenen Keimen. Die Wissenschaftler des Lehr-, Versuchs-  und Fachzentrums für Schweinehaltung in Schwarzenau bemängeln, dass noch immer zu viele Ferkelfutter in der Praxis einen zu geringen Rohfasergehalt aufwiesen, teilweise sogar unter drei Prozent. Aus Tierschutzsicht sollte das Alleinfutter von Schweinen wenigstens 5 % Rohfaser aufweisen, für Ferkel wie für Mastschweine.
In weiteren Versuchen glichen die Tierernährungsexperten in Schwarzenau die faserreichen Rationen energetisch mit Pflanzenöl aus. Wieder wurden die täglichen Zunahmen nicht negativ durch die Anhebung des Rohfasergehaltes im Ferkelaufzuchtfutter beeinflusst. Die Versuchsgruppen, die eine Ration mit 5 % Rohfaser und zum Ferkelaufzuchtfutter einen Fasermix im Austausch zu Weizen oder 4 % Rohfaser mit der Ergänzung von Stroh erhielten, lagen mit ihren Tageszunahmen sogar geringfügig höher als die Kontrollgruppe, die ausschließlich Ferkelaufzuchtfutter mit einem Rohfasergehalt von drei Prozent in der Ration erhielt.
Der energetische Ausgleich mit Pflanzenöl verursacht etwas höhere Futterkosten. Die Tierernährer berichten jedoch aus der Praxis, dass der Tierarzneimitteleinsatz nach der Umsetzung zurückgegangen sei. Das wirkt sich wiederum kostenmindernd aus.
Auch Professor Mechthild Freitag von der Fachhochschule Soest bestätigt höhere Tageszunahmen bei faserreichen Rationen. Mit einer Mischung aus im Dickdarm löslichen und unlöslichen Fasern werde einerseits im Darm eine schnelle und effiziente Bildung von organischen Säuren gefördert, die die Infektionsabwehr des Organs unterstütze. Die kurzkettigen Fettsäuren im Dickdarm führten zu weniger coliformen Keimen bei NDF (Neutral-Detergenzien-Faser-)Gehalten von 69 Gramm (g) gegenüber 54 g/kg sowie zu einem besseren Verhältnis zwischen erwünschter und unerwünschter Darmflora. Hierbei spielen Hemicellulosen eine tragende Rolle. Gleichzeitig werde eine schnelle Darmpassage erreicht, die zum ständigen Ausscheiden pathogener Mikroorganismen mit dem Kot führe und Verstopfung vermeide. Bei der Verdopplung der NDF-Gehalte von 53 auf 102 g berichtet Freitag von signifikant weniger Durchfall. Forschungsbedarf sieht die Wissenschaftlerin noch bei der Definition der optimalen Gehalte an ADF (Säure-Detergenzien-Fasern) und NDF, die in Fütterungsversuchen bislang nicht definiert seien.

 
Vielfältige Möglichkeiten
Neben der Konditionierung eines robusten und leistungsfähigen Verdauungssystems durch eine Erhöhung des Rohfaseranteiles in der Ration gibt es weitere Strategien zur Förderung der Darmgesundheit. Kräuterzusätze wirken stimulierend auf die Verdauung, außerdem antibakteriell auf pathogene Keime. Der Ferkelerzeuger kann darüber hinaus aus einer Vielzahl von probiotischen Futterzusätzen, fermentierten Fertigmischungen, organischen Säuren, natürlichen Pflanzenextrakten, Kräutern und Gewürzen sowie Substanzen zur Bindung von Mykotoxinen wählen.
 Die passende Ration sollte vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der individuellen Betriebsbedingungen  in enger Zusammenarbeit mit einem Berater entwickelt auf den Betrieb abgestimmt werden. Auch Stress ist ein wichtiger Faktor, der das Immunsystem negativ beeinflussen kann. Stressminimierung kann durch eine Änderung der Haltungsbedingungen wie weitere Tier-Fressplatz-Verhältnisse, ausreichend Spielmaterial aber auch Wühlerde, angereichert mit Toxinbinder, herbeigeführt werden.
Welche Maßnahme für den einzelnen Betrieb die richtige ist, hängt von den Gegebenheiten ab. Allen gemeinsam ist jedoch die weitere Reduzierung der Kosten in Verbindung mit der Steigerung der Tiergesundheit und damit des Tierwohls.