Bedeutung der Rohfaser nicht unterschätzen
Faserreiches Futter oder zusätzliches Beschäftigungsfutter bekommt auch zur Prophylaxe des Schwanzbeißens eine zusätzliche Gewichtung. Die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft hat 2018 Versuchsergebnisse zu Rationen mit Ferkelaufzuchtfutter und diversen Rohfaserträgern wie Luzernehäcksel, Grascobs und Maissilage als Ad-libitum-Zusatzangebot vorgestellt. Das Fazit der Wissenschaftler: „Die Vorlage faserreicher Futtermittel in einem separaten Trog beeinflusste in allen Versuchen die Leistung nicht negativ.” Die Beifütterung habe kein Ferkelaufzuchtfutter verdrängt. Die positiven Effekte auf das Futteraufnahme- und Fressverhalten bei der Wahl zwischen zwei Trögen mit unterschiedlichem Futter wurde auch in den bayerischen Versuchen bestätigt. Die Tierernährungsexperten mahnen jedoch, dass die hygienische Qualität der Futtermittel hinsichtlich der Mykotoxinbelastung und antinutritiven Faktoren den Kriterien des Hauptfutters entsprechen müsse.
In weiteren Versuchen glichen die Tierernährungsexperten in Schwarzenau die faserreichen Rationen energetisch mit Pflanzenöl aus. Wieder wurden die täglichen Zunahmen nicht negativ durch die Anhebung des Rohfasergehaltes im Ferkelaufzuchtfutter beeinflusst. Die Versuchsgruppen, die eine Ration mit 5 % Rohfaser und zum Ferkelaufzuchtfutter einen Fasermix im Austausch zu Weizen oder 4 % Rohfaser mit der Ergänzung von Stroh erhielten, lagen mit ihren Tageszunahmen sogar geringfügig höher als die Kontrollgruppe, die ausschließlich Ferkelaufzuchtfutter mit einem Rohfasergehalt von drei Prozent in der Ration erhielt.
Der energetische Ausgleich mit Pflanzenöl verursacht etwas höhere Futterkosten. Die Tierernährer berichten jedoch aus der Praxis, dass der Tierarzneimitteleinsatz nach der Umsetzung zurückgegangen sei. Das wirkt sich wiederum kostenmindernd aus.
Auch Professor Mechthild Freitag von der Fachhochschule Soest bestätigt höhere Tageszunahmen bei faserreichen Rationen. Mit einer Mischung aus im Dickdarm löslichen und unlöslichen Fasern werde einerseits im Darm eine schnelle und effiziente Bildung von organischen Säuren gefördert, die die Infektionsabwehr des Organs unterstütze. Die kurzkettigen Fettsäuren im Dickdarm führten zu weniger coliformen Keimen bei NDF (Neutral-Detergenzien-Faser-)Gehalten von 69 Gramm (g) gegenüber 54 g/kg sowie zu einem besseren Verhältnis zwischen erwünschter und unerwünschter Darmflora. Hierbei spielen Hemicellulosen eine tragende Rolle. Gleichzeitig werde eine schnelle Darmpassage erreicht, die zum ständigen Ausscheiden pathogener Mikroorganismen mit dem Kot führe und Verstopfung vermeide. Bei der Verdopplung der NDF-Gehalte von 53 auf 102 g berichtet Freitag von signifikant weniger Durchfall. Forschungsbedarf sieht die Wissenschaftlerin noch bei der Definition der optimalen Gehalte an ADF (Säure-Detergenzien-Fasern) und NDF, die in Fütterungsversuchen bislang nicht definiert seien.
Die passende Ration sollte vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der individuellen Betriebsbedingungen in enger Zusammenarbeit mit einem Berater entwickelt auf den Betrieb abgestimmt werden. Auch Stress ist ein wichtiger Faktor, der das Immunsystem negativ beeinflussen kann. Stressminimierung kann durch eine Änderung der Haltungsbedingungen wie weitere Tier-Fressplatz-Verhältnisse, ausreichend Spielmaterial aber auch Wühlerde, angereichert mit Toxinbinder, herbeigeführt werden.
Welche Maßnahme für den einzelnen Betrieb die richtige ist, hängt von den Gegebenheiten ab. Allen gemeinsam ist jedoch die weitere Reduzierung der Kosten in Verbindung mit der Steigerung der Tiergesundheit und damit des Tierwohls.