Politik | 29. Februar 2024

Bauerntag schnürt Forderungspaket

Von Walter Eberenz
Die BLHV-Mitglieder und die Gäste des südbadischen Bauernverbandes erlebten am vergangenen Samstag in Oberkirch einen Landesbauerntag mit klaren Ansagen und Forderungen an die Politik. Friedlich und geordnet lief er ab, was die Veranstalter zugleich beruhigte und erfreute.
BLHV-Präsident Bernhard Bolkart (am Rednerpult) freute sich über den sehr guten Zuspruch beim Landesbauerntag des Verbandes in Oberkirch und dessen geordneten, friedlichen Verlauf – drinnen sowie draußen vor der Halle.
Bei der Anfahrt zur Erwin Braun-Halle in Oberkirch war es etwas anders als gewohnt vor Landesbauerntagen. Polizisten mit ihren Fahrzeugen sowie Absperrungen mit Trassierband gab es am vergangenen Samstag. Die Ereignisse andernorts zuvor im Zusammenhang mit Bauernprotesten, vor allem in Biberach, zeigten sichtbar Wirkung.   Die Organisatoren des Landesbauerntages 2024 des BLHV konnten am Ende aufatmen. Es gab keinerlei aggressive Zwischenfälle in Oberkirch. Im Gegenteil: Der Bauerntag verlief überaus friedlich. Die Stimmung drinnen im Saal war deutlich besser als die Lage der Bauern auf ihren Höfen.
„Weg von Misstrauen gegenüber Landwirten, hin zum Zutrauen”, forderte Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Peter Hauk bei seiner Ansprache vor der Grundsatzrede des Bauernpräsidenten mehrfach  von Akteuren, die in Politik, Verwaltung und Gesellschaft auf Landwirtinnen und Landwirte einwirken. So müsse auf EU-Ebene einer Ermöglichungshaltung  der Boden bereitet werden, statt weiterhin eine Regulierungs- und Verbotshaltung einzunehmen. Hauk blickte hierbei auf die  Wahlen am 9. Juni zum Europaparlament und zu den Kommunalparlamenten.
Hauk kritisiert Ampel
Landwirtschaftsminister Peter Hauk solidarisierte sich in seiner Ansprache mit den Anliegen und Forderungen der versammelten Bäuerinnen und Bauern aus Südbaden.
„Wählen Sie engagierte Leute,” riet er und rief dabei gleichzeitig dazu auf, sich selbst zu engagieren. Um den Nachwuchs in Parteien mit landwirtschaftlichem Sachverstand sehe es nicht so rosig aus, so Hauk. „Die Bundesregierung hat schwere Fehler gemacht. Es kann nicht sein, dass man einen Teil der Wirtschaft mit Steuererhöhungen belastet und für den anderen ein Wachstumschancengesetz bietet”, übte Hauk heftige Kritik am  Vorhaben der Ampelregierung von Mitte Dezember, den Agrardiesel und die Grüne Nummer ersatzlos zu streichen. Am Referentenentwurf für ein neues Tierschutzgesetz monierte er vor allem, dass die Anbindehaltung in kurzer Frist ersatzlos verboten werden soll. Er forderte „mindestens eine längere Übergangszeit und dass Kombihaltung ermöglicht wird”. Kein gutes Haar ließ er am geplanten neuen Bundeswaldgesetz. Der studierte Förster  wertete die Pläne als „extreme Vorschriftensammlung mit Strafbewehrung” und forderte unter Beifall im Saal, die Gesetzesvorlage „in die Tonne zu stampfen”.  „Wir brauchen mehr Tiere und mehr Ackerfläche, statt weniger”, fasste er seine Haltung zur Tierhaltung im Land, vor allem im Schwarzwald, und zum Flächenverbrauch zusammen. Hauk rief unter anderem zu
flächensparendem Bauen auf.
Das System vom Kopf auf die Füße stellen
Authentischer und kämpferischer Auftritt: BLHV-Präsident Bernhard Bolkart hielt in Oberkirch eine vielbeachtete Grundsatzrede.
BLHV-Präsident Bernhard Bolkart stellte in seiner Grundsatzrede rückblickend den Bauerndemonstrationen, die der DBV und der BLHV zu verantworten hatten, ein gutes Zeugnis aus: „Wir waren weder zu langsam, noch zu träge. Wir haben solide und zielgerichtet gearbeitet. Wir waren mit tollen Bildern draußen und hatten eine sehr gute Medienresonanz”, bilanzierte Bolkart.
Der BLHV-Präsident forderte von der Politik in Oberkirch unmissverständlich: „Stellt unser System wieder vom Kopf auf die Füße”. Politik dürfe nicht  ideologiegetrieben funktionieren, sondern müsse von wissenschaftlichen Erkenntnissen geleitet sein. Als ein beispielhaftes  ideologiegetriebenes Politikelement betrachtet Bolkart das EU-Vorhaben „zur Wiederherstellung der Natur”. Der BLHV-Präsident  verwies auf die weitaus bessere  baden-württembergische Variante als „tolle Blaupause”: das Biodiversitäts-Stärkungsgesetz.
Intelligente Lösungen fordert Bolkart, um den Flächenverbrauch deutlich einzuschränken. Das sei die Motivation für den erfolgreichen Volksantrag zusammen mit Naturschutzverbänden gewesen.
Die Herausforderungen gehen der Landwirtschaft auch in Zukunft nicht aus. „Es braucht mehr denn je einen starken Einheitsverband, der sich mit Herz und Verstand einsetzt”, schloss Bernhard Bolkart seine Grundsatzrede,  die das Publikum im Saal mit langanhaltendem Beifall   honorierte.
Aus dem großen Unmut heraus, der letztlich die großen Bauerndemonstrationen in ganz Deutschland auslöste,  erstellte der BLHV-Vorstand ein Papier mit Forderungen, in der Erwartung, dass sich die Politik zügig damit befasst und  sie umsetzt.
Das fordert der BLHV
Die Weichen für eine zukunftsfähige Landwirtschaft stellen: Die Kreisvorsitzenden des BLHV präsentierten und erläuterten auf dem Landesbauerntag die zentralen Forderungen des BLHV an die Politik, um die Landwirtschaft finanziell sowie von Bürokratie zu entlasten.
Zu den zentralen Forderungen des BLHV gehören:
  • Die Aufrechterhaltung der Gewinnglättung und die Einführung einer Risikoausgleichs-rücklage, um die finanzielle Stabilität der Betriebe zu stärken.
  • Eine Vereinfachung der Berufsmäßigkeitsprüfung in der Sozialversicherung, um bürokratische Hürden für Landwirte zu reduzieren.
  • Maximale AFP-Förderung für rinderhaltende Betriebe, um Investitionen in tierwohlfreundliche Ställe zu fördern, ohne zusätzliche Auflagen zu schaffen.
  • Die steuerliche Begünstigung biogener Treibstoffe, um eine nachhaltige und klimafreundliche Energieversorgung in der Landwirtschaft zu unterstützen.
  • Ein effektives Management von Wildtierpopulationen wie Wölfen und Bibern, um Schäden in der Landwirtschaft zu minimieren und den Schutz von Nutztieren zu gewährleisten.
  • Eine Anpassung des Bundeswaldgesetzes, die den Bedürfnissen der Forstwirtschaft gerecht wird und gleichzeitig die ökologische Vielfalt fördert.
  • Die Abschaffung der Stoffstrombilanz und der Stilllegungspflicht, um unnötige bürokratische Belastungen zu vermeiden und die Produktivität zu steigern.
  • Die Einführung einer verbindlichen Herkunftskennzeichnung für Lebensmittel, um Transparenz zu erhöhen und regionale Produkte zu fördern.
Am Ende des Bauerntages oblag es Egon Busam, 1. BLHV-Vizepräsident und als Offenburger Kreisvorsitzender aus Renchen in der Rolle des lokalen Gastgebers des BLHV, sich bei allen für den gelungenen Landesbauerntag zu bedanken. Er schloss dabei auch die Bezirkslandfrauen von Oberkirch ein, die für Essen und Trinken sowie den Hallenschmuck sorgten.
Ausnahmslos Zuspruch
Die Grußwortredner beim Landesbauerntag betonten, unterschiedlich  nuanciert, unisono die Bedeutung der Landwirtschaft für die Bevölkerung und den ländlichen Raum. Sie schlossen sich den Anliegen der Bäuerinnen und Bauern an und sagten nach ihren Möglichkeiten Unterstützung zu. Es sprachen der Oberkircher Oberbürgermeister Gregor Bühler,  für den Ortenaukreis die Dezernentin für den ländlichen Raum, Dr. Diana Kohlmann, und  die Landtagsabgeordnete Martina Braun für die Grünen. Sie vertrat zudem Martin Hahn für den Landtagsausschuss für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz. Für den Bund Badischer Landjugend sprach Felix Wentz.
„Wir leben von der Hand in den Mund”
Das Thema Ernährungssicherheit in der Welt, in der Europäischen Union bis in die südbadische Region hinein beleuchtete auf dem Landesbauerntag Richard Riester, Abteilungsleiter Agrarmärkte und Ernährung bei der Landesanstalt für Landwirtschaft, Ernährung und Ländlichen Raum (LEL) Schwäbisch Gmünd.
Untermauert mit umfangreichen Statistiken zu Produktion, Vermarktung und Lagerhaltung wesentlicher landwirtschaftlicher Erzeugnisse für die Ernährung erklärte er, dass Europa nach seinem Dafürhalten zu sorglos mit dem Thema Ernährungssicherheit umgeht. „Die EU steht mit abgesägten Hosen da, was Vorräte angeht. Wir leben von der Hand in den Mund”,  lautete eine Schlussfolgerung aus dem präsentierten Zahlenwerk. China  verhalte sich bei der Lagerhaltung deutlich vorausschauender. Mit China reichten die Weltvorräte 2023/24 zum Beispiel bei Weizen noch 115 Tage, ohne China nur 54 Tage. Was Selbstversorgungsgrade und Ernährungssicherheit angeht, sieht Riester „erhebliche potenzielle und latente Risiken im System”. Auf die hiesige Region heruntergebrochen sagte er: „In Südbaden haben wir nur ein Drittel der Ackerfläche, die pro Kopf nötig wäre”.
„Die EU steht mit abgesägten Hosen da, was Vorräte angeht”: Richard Riester, Abteilungsleiter Agrarmärkte und Ernährung bei der LEL, referierte auf dem Landesbauerntag in Oberkirch.
Der Fachmann von der LEL riet zu mehr Vorsicht beim Thema Ernährungssicherheit: „Sich als Gesellschaft mit der Ernährungssicherheit zu beschäftigen und Vorräte zu
haben, wäre kein Luxus, und darauf hinzuweisen, keine Schwarzmalerei,” betonte Riester und erhielt bei seinem landwirtschaftichen  Publikum große Zustimmung.
Das bäuerliche Betriebseinkommen unter den hiesigen Strukturverhältnissen war ein weiteres Thema von Riesters Vortrag.
Riester schloss   mit sechs zusammenfassenden Hauptpunkten:
  • Die letzten 20 Jahre konnte das globale Produktionswachstum mit dem Bevölkerungswachstum Schritt halten.
  • Die globalen Mehrernten wurden (und werden) von der Tierhaltung und dem Energiebereich aufgesogen.
  • Baden-Württemberg und Südbaden sind weit von der Selbstversorgung entfernt.
  • Das Thema Ernährungssicherheit ist in der EU und in Deutschland wie ausgeblendet und dringt so gut wie nicht ins Bewusstsein von Medien und Politik.
  • Die Betriebe in Baden-Württemberg sind unter den derzeitigen Rahmenbedingungen  nur mit öffentlichen Geldern existenzfähig.
  • Nur wenn Rahmenbedingungen geschaffen würden, die deutlich höhere Erzeugerpreise ermöglichten, könnte auf diese Gelder verzichtet werden.