Der tödliche Angriff eines Bären auf einen 26-jährigen Sportler in der norditalienischen Provinz Trentino hat die Diskussion um den Schutz großer Beutegreifer und den Umgang mit ihnen befeuert.
Nicht nur in Italien ist nach dem tödlichen Bärenangriff eine heftige Debatte ausgebrochen.
Nach der Attacke hat sich Umweltminister Gilberto Pichetto Fratin mit dem Präsidenten der Provinz, Maurizio Fugatti, getroffen. Danach hieß es, dass der Plan des Ministers für einen Massentransfer von Bären aus dem Trentino in andere Gebiete evaluiert werde. Zudem soll ein Runder Tisch zum Umgang mit den Bären in den Alpen eingerichtet werden.
Plan: Bären auch nach Österreich umsiedeln
Fugatti hatte nach dem
tödlichen Vorfall die Regierung in Rom aufgefordert, endlich etwas gegen
die Beutegreifer zu unternehmen. Mittlerweile seien es „über 100 Bären,
die sich in den Wäldern der Provinz herumtreiben”. Pichetto Fratin
hatte jedoch Fugatti gemahnt, nicht voreilig die Bären zu erledigen. Er
hatte angekündigt, die Hälfte der Bärenpopulation in Kürze in andere
Regionen, einige auch nach Österreich umsiedeln zu lassen.
Dagegen hatte Fugatti wegen bestehender Gefährdung der Bevölkerung die
Erschießung des betreffenden Bären, der anhand einer DNS-Analyse
identifiziert werden konnte, angeordnet. Zudem sollten drei weitere
„problematische” Bären, die in der Vergangenheit eine Gefahr für den
Menschen darstellten, getötet werden. Eines dieser Tiere soll eine
Bärenmutter mit drei Jungen sein. Nun hieß es nach dem Treffen zwar,
dass die Provinz befugt sei, Maßnahmen „zur Minderung” der Population
von Wölfen anzuordnen. Dies soll aber nur nach Absprache mit der
staatlichen Umweltbehörde ISPRA erfolgen.
Projekt außer Kontrolle?
Die Umweltverbände lehnen eine Tötung der Tiere
strikt ab. Sie verweisen auf Versäumnisse der Provinz Trentino, denn „in
den Abruzzen, wo auch eine Bärenbevölkerung lebt, kommt es nicht zu
solchen Vorfällen”.
Hingegen sind inzwischen viele Bürger und die Landwirtschaftsverbände
der Ansicht, dass das 1999 gestartete Projekt „Life Ursus” vollkommen
außer Kontrolle geraten ist. Damals waren zehn Bären aus Slowenien in
den Trentino umgesiedelt worden, um dem Aussterben der Bärenpopulation
in der Region entgegenzutreten. Der Großteil der Tiere blieb in der
Provinz, aber ein paar Jungtiere zogen in Richtung Piemont und der
Grenze zu Österreich weiter.
Auch 26 Wolfsrudel unterwegs
Der mitgliederstärkste Landwirtschaftsverband Coldiretti
stellte sich klar hinter Fugatti. „Der Tod des 26-jährigen Sportlers ist
nur die Spitze des Eisbergs”, so Gialuca Barbacovi, der Vorsitzende des
Verbandes in Trient. Außerdem stellten nicht nur die Bären eine Gefahr
für die Menschen und Landwirtschaft dar. In der Gegend trieben sich
mittlerweile auch 26 Wolfsrudel herum, berichtete Barbacovi. Im Jahr
2020 seien 17 Wölfe gezählt worden, die immer wieder „in Bauernhöfe
einbrechen”.
Die Mutter des Getöteten warf den Behörden Versäumnisse vor. Man sei
sich als Anwohner bewusst gewesen, dass die Bären eine Gefahr
darstellten. Dennoch habe es von Behördenseite an „größeren” Eingriffen
zur Sicherheit der Bevölkerung gefehlt.
Auch Messner meldet sich zu Wort
In die Debatte mischte sich auch der
bekannte Extrembergsteiger und Buchautor Reinhold Messner ein. „Das
Zusammenleben mit Wölfen und Bären in einem vermenschlichten und kleinen
Gebiet wie dem unseren ist nicht mehr nachhaltig”, so Messner.
Tierschützer reagierten auf die Abschusspläne von Fugatti mit einem
Banner an der Grenze zu Venetien. „Willkommen im Land, wo sie Bären
töten”, heißt es darauf.
Tourismus in Gefahr
In Deutschland nahm Bayerns Wirtschaftsminister
Hubert Aiwanger die tödliche Attacke des Bären im Trentino zum Anlass,
um auf die zunehmenden Wolfsprobleme in bayerischen Tourismusregionen
hinzuweisen. Er forderte die Bundesregierung auf, „endlich eine Bejagung
dieser Tiere zuzulassen”. „Wölfe und Bären haben keine natürlichen
Feinde und breiten sich immer mehr aus. Die Konflikte bis hin zu
menschlichen Todesfällen nehmen logischerweise immer mehr zu”, so
Aiwanger. Daran seien nicht die Raubtiere schuld, die ihren natürlichen
Trieben nachgingen, sondern die „unvernünftige” Politik.
Die Bundesregierung müsse dringend den günstigen Erhaltungszustand des
Wolfes fest-stellen und den Bestand regulieren lassen, so der Politiker
der Freien Wähler. Er warnte davor, dass die zunehmenden Probleme mit
Bären und Wölfen auch dem Tourismus schadeten. Wenn es in Bayern mit der
Wolfsbestandsvermehrung genau so komme wie in anderen Regionen
Deutschlands, dann seien Almwirtschaft und Bergweide in wenigen Jahren
tot und die Tourismusmagneten würden massiv an Attraktivität verlieren.