Tierhaltung | 28. Juni 2019

Auch Algen können eine Mastitis verursachen

Von Dr. Franz Uhlenbruck, EGD Karlsruhe
Wird bei Kühen eine Prototheken-Mastitis nachgewiesen, ist guter Rat teuer: Es gibt weder eine Therapie, noch findet eine Selbstheilung statt. Letztendlich bleibt nur die Merzung der Tiere. Um so wichtiger ist die Vorbeugung gegen diese bei uns bislang eher seltene Erkrankung.
Stark erhöhte Zellzahlen können ein erster Hinweis auf eine Prototheken-Mastitis sein.
Seit Anfang der 1990er-Jahre mehren sich in den neuen Bundesländern die Fälle von Protoheken-Mastitis (PrM). In Baden-Württemberg war die PrM zwar bekannt, als Bestandsproblem tritt sie jedoch erst seit wenigen Jahren in Erscheinung.
Biologisch gesehen eine Algenart
Biologisch gehören Prototheken zu den Algen. Sie stellen hier eine eigene, nicht chlorophyllhaltige Gruppe mit mehreren Spezies dar. Vermutlich ist aktuell nur eine Spezies – Prototheka zopfii – in der Lage, eine Euterentzündung hervorzurufen.
Der Lebensraum von Algen und so auch der von Prototheken ist grundsätzlich das feuchte, wässrige Milieu, weshalb PrM früher nahezu ausschließlich mit extrem schlechten, feuchten Stall- und Liegeplatzverhältnissen in Verbindung gebracht wurden. In Umgebungsproben (z. B. Tupfer vom Futtertisch, aus Tränkebecken, Liegeflächen, kotkontaminierten Stellen) können Prototheken oft nachgewiesen werden. Ob diese jedoch für ein Mastitisgeschehen relevant oder aber „nicht-krankmachend” sind, lässt sich erst durch aufwendigere Untersuchungen im Vergleich zu Milchproben an PrM erkrankter Kühe klären. Zunächst lässt sich anhand der Veränderungen eine PrM nicht sicher von anderen Mastitiden unterscheiden. Auffällig wird eine veränderte Milchbeschaffenheit mit Flocken. Das Allgemeinbefinden der Kuh ist in der Regel ungestört. Eine sauber entnommene Viertelgemelksprobe mit eindeutigem Erregernachweis bei meist erheblich erhöhtem Zellgehalt (mehr als 1.000.000/ml) ist das einzig sichere Diagnoseverfahren.
Beim Nachweis nur weniger Prototheken bei kaum erhöhtem Zellgehalt oder weiteren, nachgewiesenen Mastitiserregern ist eine Nachprobe erforderlich, da es sich hierbei auch um eine Verunreinigung bei der Milchprobenentnahme handeln kann.
 
Erhalten die Prototheken Schützenhilfe?
So nicht: Spritzen müssen hygienisch gelagert und bei der Applikation von Mastitispräparaten muss penibel sauber gearbeitet werden.
Die Übertragungswege sind nicht genau bekannt. Verschiedene Beobachtungen lassen jedoch Folgendes vermuten: Es existiert ein Erregerreservoir aufgrund einer zeitweisen/dauerhaften Kontamination. Hier stehen die Liegeboxen und die verwendeten Einstreumaterialien im Fokus. Sie können Ursache sein für eine hohe Kontamination der Zitzenhaut und auch des äußeren Strichkanals.
Prototheken schaffen es aber nicht (oder nur sehr selten), aktiv die natürliche Barriere des Strichkanals zu überwinden. Erforderlich ist ein Transportmittel. Man kann davon ausgehen, dass Prototheken, die in großer Anzahl die Zitzenhaut besiedeln, bei der Applikation eines Arzneimittels zusammen mit dem Wirkstoff in das Euterviertel eingebracht werden, sofern nicht vor der Applikation die Zitzenhaut wirksam desinfiziert wurde.
Eine weitere Möglichkeit stellt die Verwendung eines im Betrieb mit Prototheken verunreinigten Arzneimittels dar. Hier stellen sogenannte „Multidoser”-Präparate bei lässigem Hygieneverständnis eine erhebliche Gefahrenquelle dar. Mit Multidoser-Präparaten sind hier Arzneimittel gemeint, bei denen mittels Spritze mehrere Dosen des Arzneimittels entnommen werden, um dann mittels (Einmal-!)Aufsatzkanüle ins Euterviertel eingebracht zu werden.
 
Was dafür spricht
Für die genannten Vermutungen sprechen folgende Aspekte: Prototheken sind gegen Antibiotika unempfindlich. Die Applikation eines Antibiotikums, das für eine Trockenstell- oder Mastitisbehandlung zugelassen ist, hat damit keine Wirkung gegen möglichweise unabsichtlich mit ins Euterviertel eingebrachte Prototheken. Für interne Zitzenversiegler gilt dies natürlich genauso. Bei rückblickenden und fortlaufenden Untersuchungen in Beständen mit bis zu 30 Prozent an PrM erkrankten Kühen geht dem Erstnachweis in nahezu allen Fällen eine Euterbehandlung voraus. Dies kann sowohl eine Mastitistherapie in der laufenden Laktation als auch eine Trockenstell-Behandlung sein. PrM bei nie zuvor behandelten Erstkalbinnen kommen nur extrem selten vor.
Amerikanische Untersuchungen in Betrieben mit erheblichen Problemen mit PrM stellten als hauptsächliche Gemeinsamkeit der Betriebe die – meist nicht sehr saubere – Verwendung von Multidoser-Präparaten fest. Diese scheinen allerdings in den Staaten weitaus größere Verwendung zu finden als bei uns.
 
Mögliche Maßnahmen
Eine Behandlung gegen  PrM gibt es bislang nicht. Eine Selbstheilung findet ebenfalls nicht statt. Anders als bei Hefemastitiden hilft hier auch ständiges Ausmelken nicht. Es sind Protothekennachweise aus ein und demselben Viertel über mehrere Jahre hinweg beobachtet worden. Langfristig bleibt nur die Merzung der erkrankten Kuh. Kurzfristig kann das Trockenstellen erkrankter Viertel zur Verminderung der Erregerausscheidung beitragen. Mögliche Vorbeugemaßnahmen ergeben sich aus den vermuteten Übertragungswegen: Trockene, möglichst saubere Liegeflächen, die generell eine große Bedeutung für eine gute Eutergesundheit haben, sind hier ganz besonders wichtig. Feuchte, lang lagernde Einstreukomponenten stellen ein Risiko dar (z. B. überlagerter Carbokalk). Unwetterschäden mit Wassereinbrüchen stellen ein weiteres Risiko dar. Häufig ist eine Eintragsquelle nicht mehr zu ermitteln. Aus den vermuteten Mechanismen der Erregerübertragung ins Euter ergibt sich nicht zuletzt, dass  bei der Applikation von Mastitispräparaten penibel sauber gearbeitet und der Strichkanal zuvor desinfiziert werden muss.  
Eutergesundheitsdienst hinzuziehen
Werden in Viertelgemelksproben Prototheken nachgewiesen, so ist es ratsam, den Eutergesundheitsdienst hinzuzuziehen. Denn es sind  mindestens die vier folgenden Aufgabenfelder abzuarbeiten:
  1. Ermittlung der Eintragsquelle, sofern diese noch vorhanden ist.
  2. Ermittlung der bereits infizierten Kühe.
  3. Unterbindung der Neuinfektionen durch Änderung der Therapiehygiene, eventuell auch der Melkhygiene.
  4. Kontrolle des Rückgangs der Neuinfektionen.
Die Eutergesundheitsdienste der Tierseuchenkasse Baden-Württemberg sind unter folgenden Telefonnummern zu erreichen:
  • Aulendorf Tel. 07525/942-283;
  • Freiburg Tel. 0761/1502-267;
  • Karlsruhe Tel. 0721/ 926-7214;
  • Stuttgart Tel. 0711/ 3426-1364.