Tierhaltung | 16. Dezember 2021

Artenvielfalt im Grünland fördern

Von Brigitte Werner-Gnann
Die Erwartungen von Politik und Gesellschaft zum Schutz der Artenvielfalt blühender Pflanzen steigen. Maßnahmen, die auch auf intensiv genutzten Wiesen und Weiden zu mehr Biodiversität beitragen, wurden bei der Aulendorfer Wintertagung Anfang Dezember vorgestellt.
Altgrasstreifen bieten Insekten Nahrungsquelle und Lebensraum.
Blütenvielfalt hilft den Insekten durch ein besseres Nahrungsangebot. Doch in den letzten Jahrzehnten sind immer mehr bunte Blumenwiesen verschwunden und damit ging auch die Zahl der Insekten zurück. Neben der Intensivierung sieht Dr. Kerstin Grant vom Landwirtschaftlichen Zentrum in Aulendorf (LAZBW) die Ursachen für diese Entwicklung in der modernen Erntetechnik sowie in der Zerschneidung von Lebensräumen. Dabei ist Blütenvielfalt auch im intensiv wirtschaftenden Betrieb durch folgende Maßnahmen möglich:
  • abgestufte Wiesennutzung,
  • Extensivierung von Flächen,
  • mehr Blüten durch Leguminoseneinsaat,
  • Mahdtechnik,
  • Randstrukturen herstellen,
  • Altgras- und Brachestreifen. 
Individuell entscheiden
Welche Maßnahme gewählt und wie diese im Einzelnen umgesetzt wird, hängt laut Grant dabei von betriebsindividuellen Bedingungen ab. Nicht jede Maßnahme bietet sich für jeden Betrieb an. So können bei der abgestuften Wiesennutzung weniger produktive Standorte gezielt für Biodiversitätsmaßnahmen genutzt werden. Sollen intensiv genutzte Flächen künftig extensiv bewirtschaftet werden, kann bei hohen Nährstoffgehalten eine Aushagerung hilfreich sein. Bei geringem Samenvorrat im Boden nützt eine Ansaat mit regionalem Saatgut oder eine Mahdgutübertragung. Auf breiter Fläche lässt sich das Blühangebot für Bienen und Co. durch die Nachsaat von Leguminosen verbessern. 
Gestaffelte Mahd
Als weiteren Ansatz nannte Grant die gestaffelte Mahd. „Aufgrund der Wetterlage oder wegen des Arbeitsaufwands werden häufig alle Flächen gleichzeitig gemäht. Zu überlegen ist, einzelne Flächen vielleicht im Abstand von zwei, drei Wochen zu schneiden oder zumindest einen Streifen stehen zu lassen”, lautete ihr Vorschlag dazu. Großen Einfluss hat aber auch die Mahdtechnik selbst. Insbesondere Mähaufbereiter stehen dabei in der Kritik. Im Vergleich zu Kreiselmähwerken schonen Messerbalken-Mähwerke die Insekten besser. Die höchsten Tierverluste aber werden durch Mulchgeräte verursacht. Die Mahd selbst sollte möglichst morgens oder abends erfolgen und nicht zur Hauptflugzeit der Insekten tagsüber. „Dennoch wird die Mahd zu jedem Zeitpunkt mit der Lebensweise bestimmter Tiere kollidieren. Deshalb sind Extensivierung, gestaffelte Mahd und das Stehenlassen von Streifen wichtig”, meint die LAZBW-Mitarbeiterin.
Ohne die Grünlandwirtschaft stärker zu beeinträchtigen, finden Insekten einen Lebensraum in Inseln, Streifen und Randstrukturen, beispielsweise entlang von Gräben, Gewässern, Baumreihen, Wegrändern oder auf Ackerzufahrtsstreifen. Diese Elemente sollten nach Möglichkeit fünf Meter breit sein und nicht isoliert stehen, sondern miteinander verbunden sein. Botanisch können sie durch eine gezielte Einsaat von Kräutern aufgewertet werden. 
Altgras- und Brachstreifen
Schließlich kommt zum Schutz von Insekten die in die Grünlandnutzung integrierte Anlage von Altgras- und Brachestreifen in Betracht. Unter futterbaulichen Aspekten lassen sich solche Streifen, die alternierend gemäht werden, gut integrieren und auch Mäuseansiedlung ist kein Problem. Unter dem Aspekt der Artenvielfalt sind sie allerdings nicht ganz so wertvoll. „Es wäre gut, wenn ein Altgrasstreifen auch mal über Winter oder für zwei Jahre stehen bleiben könnte”, meint Grant. Abschließend verweist sie auf ein Beratungsangebot des Landes zu gesamtbetrieblichen Biodiversitätsmaßnahmen unter www.beratung-bw.de.

neues Feld
Eine Empfehlung, der sich Anne Scholl von der Aulendorfer Wildforschungsstelle anschloss. Sie berichtete über Biodiversitätsmaßnahmen, die über Landesprogramme und die EU gefördert werden, und nahm dabei Bezug auf Modellregionen, in denen diese zum Schutz von Niederwild erprobt werden. „Wir haben tolle Programme in Baden-Württemberg, die jetzt noch ausgeweitet werden”, meinte sie und verwies dabei beispielhaft auf die Möglichkeit in FAKT, Blühflächen bis zu fünf Jahre stehen zu lassen, was das Nahrungsangebot für Fasane, Rebhuhn und Hasen verbessert. 
Bereits seit 2019 verankert ist in dem Landesprogramm die Rotationsbrache: Nach der Ansaat im ersten Jahr wird im zweiten eine Teilfläche umbrochen und wieder neu angelegt, bevor im dritten der Umbruch der restlichen Fläche mit Neuanlage folgt. So steht für das Niederwild stets neuer Aufwuchs als Nahrungsquelle bereit, zugleich bietet der Altaufwuchs Deckung. „Die Entlohnung mit 540 Euro pro Hektar ist noch zu gering. Hier sollte nachgebessert werden”, fordert Scholl auf Basis der aus dem Projekt gesammelten Erkenntnisse. Weitere Vorschläge zur Optimierung der Biodiversitätsmaßnahmen sind: eine verlängerte Standzeit der Winterbegrünung, eine Mulchbefreiung, die sich mithilfe eines einfachen Formblattes beantragen lässt, sowie der bessere Zugang für Ökobetriebe zu den Fördermaßnahmen.