Pflanzenbau | 23. November 2017

Agritechnica: Feldroboter sind ein heißes Thema

Von Raiser
Der Einsatz von Robotern, Drohnen und Sensoren zur Bekämpfung von Unkräutern klingt heute noch utopisch. In nicht allzu ferner Zukunft könnten diese Techniken aber praxisreif werden. Das zeigten verschiedene Aussteller auf dem Spezial zur Zukunft des Pflanzenschutzes im Rahmen der Agritechnica.
Der Multi Tool Trac ist der Prototyp eines Hybridschleppers dänischer Herkunft, der elektrischen und Diesel-Antrieb kombiniert.
Die Unkrautbekämpfung mit autonomen Systemen, sprich Robotern, ist bisher kaum über eher unauffällige Prototypen einiger Landtechnikhersteller hinausgekommen. Auf absehbare Zeit werden autonome Systeme zu langsam und zu teuer für einen wirtschaftlichen Einsatz sein – so scheint es.
Dennoch lassen wichtige Gründe erwarten, dass die Unkrautbekämpfung mit Robotern praxisrelevant werden könnte – in erster Linie für den biologischen Landbau, aber auch für konventionelle Sonderkulturen. Es erscheint nicht unrealistisch zu erwarten, dass bei einer praxistauglichen Umsetzung aller sich abzeichnenden Möglichkeiten neuer elektronischer Technologien der Ersatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln in nie dagewesenem Umfang möglich werden könnte.
Das Thema wird wichtiger
„Feldroboter sind ein heißes Thema, auch für die praktische Landwirtschaft”, fasste ein Firmenvertreter auf der Agritechnica seine Einschätzung zusammen. Da sind zum einen die Nöte des Ackerbaus mit dem chemischen Pflanzenschutz: wachsende Resistenzen der Schadorganismen, Verlust bewährter Wirkstoffe ohne Perspektive für nachrückende alternative Substanzen, Zulassungsstau sowie die generelle gesellschaftliche Kritik am chemischen Pflanzenschutz.
Zum anderen war in Hannover, vor allem im Sonderausstellungsbereich „Zukunft Pflanzenschutz”, den die DLG eingerichtet hatte,  ein großes Interesse von Firmen und Forschungseinrichtungen spürbar, in diesem potenziellen Wachstumsmarkt rechtzeitig dabeizusein, um im Wettlauf mit der Konkurrenz mithalten zu können.
Feldroboter des Flourish -Projekts.
Ein Beispiel dafür ist die Forschungskooperation für das Projekt „Flourish”. Es wird koordiniert von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH). Mit dabei sind mehrere andere Universitäten sowie der Bosch-Konzern als Industriepartner. Das Ziel von Flourish besteht darin, die Unkrautbekämpfung mit autonomen Systemen effizienter zu gestalten: Die Arbeit soll schneller und präziser werden. Beispielsweise könnte eine Drohne Luftbilder von Unkrautnestern machen, die dann von einem Roboter gezielt angefahren und chemisch oder mechanisch bekämpft werden.
Wenn dabei Herbizide zum Einsatz kommen sollen, geht es vor allem um eine punktgenaue Ausbringung sowie Mittelersparnis. Aber auch der Vielfalt mechanischer und physikalischer Bekämpfungsideen scheinen keine Grenzen gesetzt zu sein. Die auf der Agritechnica vertretenen Unternehmen verfolgen die unterschiedlichsten Ansätze. Unter anderem erprobt wird eine Unkrautbekämpfung mit elektrischen Impulsen von Hochspannungsstrom. Mechanisch wirkt dagegen eine Art Stanze oder Stempel, die das Unkraut  in den Boden hineinhämmert. Anderswo kommt ein Hochdruck-Wasserstrahl zum Einsatz.  Auch Laserstrahlen sind vertreten und natürlich die verschiedensten Werkzeuge für die Bodenbearbeitung, wie sie schon bisher in der Praxis verbreitet  sind.
Herausforderungen
Für alle Roboter oder autonomen Systeme für den landwirtschaftlichen Einsatz gilt: Die Hardware muss viel robuster sein als in der industriellen (Hallen-)Produktion, damit sie den rauen Bedingungen im Freiland standhält. Hitze, Kälte oder Nässe  setzen der Technik zu, die dennoch zuverlässig arbeiten können muss.
Eine  besonders aufwendige Technik ist erforderlich für die Unkrauterkennung, die für praktische Landwirte mit etwas Übung und Erfahrung  normalerweise kein großes Problem darstellt. Sie funktioniert bei Maschinen aber noch nicht zuverlässig genug. So kann es beispielsweise vorkommen, dass ein Forschungsroboter auf dem einen Feld 95 bis 98 Prozent der unerwünschten Pflanzen sicher erkennt, auf einem anderen aber nur 70 Prozent. Jedoch ist eine derart schwankende Genauigkeit bei der Pflanzenerkennung für einen Einsatz in der landwirtschaftlichen Praxis nicht akzeptabel. Aktuell versuchen Forscher, zum Beispiel der Universität Bonn, selbstlernende Systeme zur Unkrauterkennung zu entwickeln. Ein Ansatz besteht darin, dass der Landwirt den Roboter zu Beginn seines Arbeitseinsatzes auf dem Feld „einlernt”, indem er auf den ersten Metern die vorhandenen Kulturpflanzen, zum Beispiel eine Reihe von Zuckerrüben, von Hand markiert, was es dem Elektronengehirn ermöglicht, seine vorhandene Datenbank zu erweitern und seine Erkennung zu schärfen.
Das bereits erwähnte Flourish-Projekt setzt für seine Forschungsarbeiten auf eine abgewandelte BoniRob-Plattform. Dieser Feldroboter war erstmals auf einer der vergangenen Agritechnicas von der Firma Amazone im firmeneigenen Grün-Orange vorgestellt worden und ist daher vermutlich noch vielen Landwirten in Erinnerung.
Dr. Tillmann Falck von der Robert Bosch GmbH erklärt dazu: „Inzwischen gibt es, global gesehen,  viele Mitspieler auf dem Markt für autonome Feldmaschinen. Beispielsweise hat Australien eine vergleichsweise aktive Szene für Agricultural Robotics. Dort bauen unter anderem die Universitäten ihre Versuchsroboter selber.”
Er verweist jedoch auf die vorhandene Gesetzeslücke, denn es sei immer noch nicht geklärt, welche Bedingungen für einen rechtssicheren Einsatz von Robotern auf dem Feld oder der Straße erfüllt werden müssen.
Wie weit die Entwicklung bereits fortgeschritten ist, zeigt eine serienreife sogenannte Scouting-App, die auf der Agritechnica vorgestellt wurde von Xarvio, einem Start-Up aus dem Hause Bayer CropScience. Für das Programm  sind fünf verschiedene Anwendungsgebiete vorgesehen: Krankheitserkennung, Analyse von Blattschäden, Stickstoffstatus der Pflanze bestimmen, Unkrauterkennung und Gelbschalenanalyse. Dass es bereits möglich ist, die sehr kleinen Schadkäfer im Raps, die sich  mit bloßem Auge kaum unterscheiden lassen, mit Sensoren und Erkennungssoftware auseinanderzuhalten, zeigt, wie hoch die Messlatte für technische Lösungen im Rahmen von Landwirtschaft 4.0 inzwischen liegt.
Ziemlich futuristisch klingt ein weiteres, allerdings noch in der Entwicklungsphase befindliches Projekt von Xarvio, bei dem es spezielle Sensoren ermöglichen, nützliche und schädliche Insekten auf einem Feld anhand ihrer artspezifischen Flügelschlagfrequenz zu identifizieren.
Kompostierbare Minisensoren fürs Feld
Das Fraunhofer-Institu ENAS stellte in Hannover seine kompostierbaren, sehr preiswerten Feldsensoren vor.
Das Infektionsrisiko für Pilzkrankheiten ist direkt vom Wetter abhängig. Um Spritzungen optimal zu terminieren, wird beispielsweise für den Einsatz von Fungiziden in den bekannten Prognosemodellen das kommende Wetter aufgrund der Datenlieferung von verschiedenen Wetterstationen interpoliert, es werden also Mittelwerte gebildet. Das kann natürlich nie schlagspezifisch sein, sondern hat eher die Qualität einer guten Schätzung.
Ein Ansatz des Fraunhofer ENAS Technologieinstituts, der ebenfalls auf der Agritechnica vorgestellt wurde,  zielt darauf ab, auf jedem Schlag die Wetterbedingungen präzise zu messen. Dafür wurden Sensoren mit Funkverbindung entwickelt, die klein sind. Billig ist die Produktion der Komponenten, weil sie wie die Druckerschwärze einer Zeitung auf eine Papierrolle aufgebracht werden. 
Angedacht ist, dass ein Netzwerk aus bis zu zehn Sensoren je Bewirtschaftungseinheit seine Daten per Funk zum Hof des Landwirts überträgt. Der besondere Mehrwert des Systems soll darin bestehen, dass alle seine Komponenten, also Batterien, Sensoreinheiten und Antennen, am Ende der Saison nicht wieder eingesammelt werden müssen, sondern vor Ort verbleiben, weil sie kompostierbar sind, also keine Schadstoffbelastung der Böden von ihnen ausgeht und sie untergepflügt werden können.  
Diese kompostierbare Batterie im Scheckkartenformat basiert auf Mangan und Zink.
 
 
Mit Laser gegen Unkraut
Dieser Prototyp einer „Unkrauthacke”, die mit Laserstrahlen arbeitet, trägt die Bezeichnung Jäti. Die Hightec-Bauteile unter der Haube waren auf der Agritechnica zum Schutz vor Industriespionage abgedeckt.
Die österreichische Firma Service für Präzisions-Landwirtschaft GmbH betont, dass ihr Prototyp Jäti, der mittels Laserstrahlen Unkräuter im Keimblattstadium eliminiert, in-
dem der Vegetationskegel verschmort wird, die Nutzpflanze sehr viel mehr schont als beispielsweise mechanische Geräte wie Hacken oder Striegel. Die Maschine erkennt die Kulturpflanzen auf dem Schlag, indem sie die Sensorbilder mit den Mustern in ihrer Datenbank vergleicht. Dann richtet sie ihre Laserstrahlen auf alle Nicht-Kulturpflanzen. Jäti hat einen elektrischen Antrieb über Gummiraupenketten. Die Energie liefern Akkus mit hoher Energiedichte. Da die Maschine leere Akkus ohne menschliche Hilfe autonom an der Ladestation austauschen kann, ist ein Einsatz über 24 Stunden pro Tag möglich.