Führende Vertreter der deutschen Agrarwirtschaft hoffen weiter auf eine Nachbesserung der Vorschläge für eine Verschärfung der Düngeregeln. Indessen ist der Zeitplan für die Umsetzung eng bemessen.
Laut UBA-Bilanz ist der Stickstoffüberschuss in den viehdichten Regionen gestiegen. Betroffen seien Kreise mit intensiver Tierhaltung in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.
In einem gemeinsamen Schreiben haben die Spitzen von fünf Verbänden und der Initiative „Land schafft Verbindung” an Bundeskanzlerin Angela Merkel appelliert, den fachlichen Bedenken gegen einzelne Maßnahmen wie eine generelle Reduzierung der Düngung in den sogenannten „Roten Gebieten” um 20 Prozent im Betriebsdurchschnitt Rechnung zu tragen und sich gemeinsam mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer für die Anliegen einzusetzen.
Die Unterzeichner
Unterzeichnet haben das Schreiben die Präsidenten vom
Deutschen Bauernverband (DBV), Joachim Rukwied, Deutscher
Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG), Hubertus Paetow, Deutschem
Raiffeisenverband (DRV), Franz-Josef Holzenkamp, dem Zentralverband
Gartenbau (ZVG), Jürgen Mertz, dem Verband der Landwirtschaftskammern
(VLK), Gerhard Schwetje, sowie dem Sprecher von „Land schafft
Verbindung”, Dirk Andresen.
In ihrem Schreiben weisen die Vertreter der Verbände und von „Land
schafft Verbindung” darauf hin, dass die Umsetzung eines erneut
verschärften Düngerechts einer großen Zahl von Landwirten erhebliche
Sorgen bereite. Zwar räumen sie ein, dass die Europäische Kommission für
die anstehende Rechtsetzung wenig Raum lasse. Dennoch seien auf dem Weg
der Zielerreichung eines effektiven Gewässerschutzes alle
wissenschaftlichen und faktenbasierten Grundlagen zu berücksichtigen,
„um gleichzeitig die bedarfsgerechte Nährstoffversorgung der Pflanzen sicherzustellen, den
Aspekten der Nachhaltigkeit gerecht zu werden und die von Verarbeitern
und Verbrauchern geforderten Qualitäten insbesondere im Gemüse- und
Getreideanbau zu erzeugen”. Die 20-Prozent-Regelung laufe Gefahr, den
Ansatz der Nachhaltigkeit wie etwa den Erhalt der Bodenfruchtbarkeit zu
konterkarieren.
Bereitschaft signalisiert
Die Spitzenvertreter bekräftigen ihre
Bereitschaft für einen effektiven Natur- und Grundwasserschutz. Deswegen
wolle man gemeinsam mit den Landwirten die Stickstoffeffizienz
nachhaltig verbessern, modernste Technik nutzen und die
einzelbetriebliche Beratung ausbauen.
Den Handlungsbedarf im Düngerecht unterstreicht die aktuelle
Stickstoffbilanz des Umweltbundesamtes (UBA), die die Behörde vergangene
Woche vorgelegt hat. Danach war bis 2017 noch keine Trendwende beim
Stickstoffüberschuss der Landwirtschaft eingetreten. Der
durchschnittliche Stickstoffüberschuss liegt demnach im Mittel der Jahre
2015 bis 2017 bei 77 kg/ha. Dieser bundesweite Durchschnittswert ist
seit mehr als 20 Jahren praktisch unverändert geblieben.
Stickstoffüberschuss in viehdichten Gebieten
Laut UBA-Bilanz ist der
Stickstoffüberschuss in den viehdichten Regionen gestiegen. Betroffen
seien Kreise mit intensiver Tierhaltung in Niedersachsen und
Nordrhein-Westfalen. Gleichzeitig hätten Gülletransporte dazu geführt,
dass sich die Stickstoffüberschüsse in einigen Kreisen mit starker
Tierhaltung vermindert hätten, während in aufnehmenden Kreisen die
Bilanzsalden gestiegen seien. Genannt werden Ackerbauregionen im
östlichen Niedersachsen sowie im südlichen Nordrhein-Westfalen. Deutlich
zugenommen hat der Dessauer Behörde zufolge der Beitrag der Gärreste
aus der Biogaserzeugung. Insgesamt entfielen mittlerweile rund 15
Prozent der in der Landwirtschaft verwendeten Stickstoffmengen auf
Gärreste, berichtet das UBA.
Für die nationale Flächenbilanz werden die Stickstoffmengen ermittelt,
die mit der Düngung, mit dem Saatgut und aus der Luft auf die Äcker und
Wiesen gelangen, und es wird ermittelt, wie viel Stickstoff mit der
Ernte wieder entzogen wird. Die Differenz ist der Stickstoffüberschuss.
Tierhaltung begrenzen
Dem UBA zufolge ist die nun aktualisierte
Flächenbilanz neben der Stall- und der Biogasbilanz eine Teilgröße der
Stickstoff-Gesamtbilanz. Der Stickstoffüberschuss aus der Flächenbilanz
habe im Mittel der Jahre 1995 bis 2017 zu 73 Prozent zum
Gesamtüberschuss beigetragen. „Die Stickstoffüberschüsse lassen sich mit
Maßnahmen wirksam mindern”, stellte UBA-Präsidentin Dr. Maria
Krautzberger fest. Dafür müsse der Stickstoff in der Gülle und in den
Gärresten aus Biogasanlagen so ausgebracht werden, dass er nicht als
Ammoniak in die Luft entweiche und von den Pflanzen besser aufgenommen
werden könne. Dort, wo hohe Nitratgehalte das Grundwasser belasten,
könnten eine Begrenzung der Tierhaltung und eine Reduzierung der
Stickstoffdüngung sinnvoll sein, empfiehlt Krautzberger.
Ehrgeiziger Zeitplan für die Umsetzung
Unterdessen hat die Ressortabstimmung über die geplante Verschärfung der Düngeverordnung begonnen. Der Zeitplan für die Neuregelung zur Umsetzung der nach Brüssel übermittelten Änderungsvorschläge ist ehrgeizig.
Bereits am 20. Dezember soll die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung abgeschlossen sein. Bis dahin müssen auch die Länder sowie die Verbände ihre Stellungnahmen abgegeben haben. Anfang Januar soll der Verordnungsentwurf der EU-Kommission zur Notifizierung vorgelegt werden. Parallel dazu läuft die vorgeschriebene Strategische Umweltprüfung (SUP), die die Bundesregierung bis Mitte März abschließen will. Am 19. Februar 2020 soll die Änderung der Düngeverordnung vom Bundeskabinett beschlossen werden. Der Bundesrat soll die Verordnung am 3. April 2020 beschließen.
Allein dieser enge Zeitplan lässt die geforderte Neuverhandlung einzelner Punkte kaum zu. Wie ernst die Generaldirektion Umwelt die Umsetzung strengerer Düngevorgaben in Deutschland nimmt, wird allein dadurch ersichtlich, dass sie im November erneut einen umfassenden Fragenkatalog zu den geplanten Änderungen an die Bundesregierung geschickt hat. Deren Beantwortung umfasst 26 Seiten. Sie wurden Ende November nach Brüssel geschickt.