Grüne Karriere | 24. April 2020

20 Jahre nach der Ausbildung nochmal die Schulbank gedrückt

Von Lisa Dinger
Oliver Dinger betreibt in der Nähe von Freiburg Getreide-, Gemüse- und Maisanbau. Daneben bietet er Serviceleistungen für Landwirte an. Um dies professionell zu tun, hat er sich zum Agrarservicemeister qualifiziert.
Agrarservicemeister Oliver Dinger (Mitte) kann nach der Qualifikation auch Azubis ausbilden. Nico Kienzle (links) und Lukas Dinger (rechts) arbeiten in dem Unternehmen als Gesellen mit.
„Ein Landwirt bucht uns nur, wenn wir es besser machen können als er selbst”, betont  Oliver Dinger. In seinem eigenen Betrieb, dem Gutshof Emmendingen, baut er Getreide, Gemüse, Erdbeeren und Mais an. Außerdem kann man seine Dienstleistungen buchen: Seit 2018 erledigt er als Agrarservicemeister auch Aufgaben im Lohn. Dinger hat ursprünglich die Ausbildung zum Forstwirt absolviert. Nach 20 Jahren Berufsleben und mit vielfältigen Erfahrung aus dem eigenen Betrieb, entschloss er sich vor zwei Jahren zu einer Weiterbildung. Sein Ziel war der Abschluss „Agrarservicemeister”, mit dem er zum einen professionell alle Lohnarbeiten ausführen kann, aber auch dazu berechtigt ist, Lehrlinge auszubilden. So drückte der damals 48-Jährige nochmal die Schulbank. In Baden war er damit einer der ersten, die sich zur „Fachkraft Agrarservice” ausbilden ließen. Für den Meistertitel musste Oliver Dinger zusätzlich den entsprechenden Kurs am Fachzentrum für Energie und Landtechnik in Triesdorf/Bayern absolviern. Der Unterricht fand in Vollzeit in Blockwochen und vorwiegend in den Wintermonaten statt. Eine Regelung, die ihm die Möglichkeit bot, den Meisterkurs berufsbegleitend zu bewältigen und auf diese Weise weiterhin ein geregeltes Einkommen zu erwirtschaften.
Praxisnahes Lernen
Die Inhalte der Ausbildung werden von erfahrenen Lehrkräften und Praktikern vermittelt. „Das macht die Fortbildung lebendig”, erklärt Oliver Dinger. Wichtiges Element ist die sogenannte „Fremdbetriebsbeurteilung”. Dabei erhalten die Kursteilnehmer Einblicke in andere Betriebe, teilweise mit weniger bekannten Schwerpunkten, und lernen, Arbeitsschritte, betriebliche Abläufe und Dienstleistungen sowie Deckungsbeiträge zu durchleuchten. In persönlichen Gesprächen mit Betriebsleitern können Hintergründe von Maßnahmen und  Innovationen, die sich dann auf dem  eigenen Betrieb integrieren lassen, erörtert werden. Davon profitieren auch die Betriebe, die sich zur Fremdbetriebsbeurteilung bereitgestellt haben: Betriebsfremde beurteilen das Unternehmen aus einer anderen, meist neutralen Perspektive und erkennen häufig Optimierungsmöglichkeiten. Im Teil „Mitarbeiterführung” werden Fähigkeiten vermittelt, mit denen die Teilnehmer lernen, Mitarbeiter richtig einzuschätzen. Dies ist besonders wertvoll, wenn beispielsweise Aufgaben zu verteilen sind, denn diese können dann nach Stärken und Schwächen der jeweiligen Person gezielt vergeben werden. Ein weiteres Thema heißt  „Rentabilitätsberechnung”. Dabei sollen einzelne Arbeitsgänge oder auch ganze Dienstleistungspakete im Hinblick auf Kosten und Nutzen hinterfragt werden. Häufig führt dies bei den Teilnehmern zur Erkenntnis, dass nicht jeder Arbeitsschritt sinnvoll ist oder dass er sich  im Verhältnis zum Arbeitseinsatz  finanziell nicht lohnt.
Aufgaben, die dem eigenen Betrieb nutzen
Mit der Ausbildung zum Agrarservicemeister erhalten die Teilnehmer wertvolle „Werkzeuge”, die ihnen bei den Jahresplanungen für den eigenen Betrieb nutzen. Zusätzliche Themen sind unter anderem  Ökonomie, Pflanzenbau und Dienstleistungen, Buchführung, Steuerwesen, Recht und Berufsausbildung. Den Abschluss bildet sodann ein Arbeitsprojekt, das der Teilnehmer auf seinen Betrieb abstimmt. Oliver Dinger wählte dafür  das regional relevante Thema Sonderkulturen: In der klimatisch begünstigten Region am Oberrhein kultivieren viele seiner Kunden Erdbeeren. 
Voraussetzungen
Um die Ausbildung zum Agrarservicemeister absolvieren zu können, sind ein erfolgreicher Abschluss im Beruf Fachkraft Agrarservice und zwei Jahre Berufserfahrung erforderlich. Die Zulassung zur Meisterprüfung kann auch erhalten, wer einen anderen anerkannten landwirtschaftlichen Ausbildungsberuf wie zum Beispiel Landwirt, Forstwirt, Gärtner oder Tierwirt vorweist und außerdem mindestens drei Jahre  in einem Agrarservicebetrieb oder Lohnunternehmen gearbeitet hat.
Auch wer eine mindestens fünfjährige Berufspraxis nachweisen kann, wird zugelassen. Die Berufspraxis muss dann in einem vergleichbaren Unternehmen wie Agrarservice, Pflanzenbau mit Serviceangeboten oder ähnlichem ausgeübt worden sein. Oliver Dinger brachte für die Qualifizierung  seine forstwirtschaftliche Ausbildung und eine fast  18-jährige Berufserfahrung in der Landwirtschaft mit. Bereits zwei Jahre nach seinem Abschluss  zum Agrarservicemeister hat sich für Oliver Dinger vieles sehr positiv verändert. Die Abläufe in seinem Betrieb konnten optimiert werden, die Qualität hat sich verbessert. In Kundengesprächen kommt auch sein erworbenes Wissen in Ökologie, wie beim Bioanbau oder Anlegen von  Blühstreifen, zum Tragen. Dinger geht häufig auf Bekannte und Passanten zu, um über Maßnahmen wie integrierten Pflanzenschutz zu informieren. Hier sieht der Agrarservicemeister noch viel Handlungsbedarf. Es müsse wieder ein positives Image der Landwirtschaft als Verantwortliche in der Lebensmittelproduktion geschaffen werden. „Wir sind bislang einer der wenigen Betriebe in Deutschland, die das Qualitätszeichen ‚Agraservicemeister‘ tragen dürfen”, erklärt Oliver stolz. Auf seinem Betrieb beschäftigt er zwei Gesellen und seit September 2019 einen Auszubildenden.