Land und Leute | 26. Februar 2014

Nicht über den eigenen Körper meckern

Von Karin Vorländer
„Bin ich zu dick? Zu dünn? Schön genug?” Schluss mit dem ewigen Kalorienzählen und Herumnörgeln an sich selbst, fordert Autorin Julia Warkentin in ihrem Buch „7 Wochen ohne Meckern über Bauch, Beine & Co: Der etwas andere Fastenkalender”. Sie schlägt ein ungewöhnliches Experiment vor.
„Spieglein, Spieglein an der Wand.” Frauen und Mädchen nehmen ihr Aussehen meist kritisch unter die Lupe. Das Ergebnis ist im seltensten Fall ein wohlgefälliger Blick auf sich selbst, sondern das kritische Urteil:„So, wie ich bin, bin ich nicht schön genug.” Nur zwei Prozent aller Frauen in Deutschland finden sich schön. Auch Männer schauen zunehmend kritisch in den Spiegel, denn dem propagierten Bild vom gestählten, schlanken Mann mit Waschbrettbauch entsprechen die wenigsten. Julia Warkentin (39) boykottiert ihre Waage. Sich selbst zu mögen hat für sie mehr Gewicht als der Ausschlag des Zeigers auf der Skala. Erhobenen Hauptes trägt sie Konfektionsgröße 44. Vom Versuch, sich um eine oder zwei Kleidergrößen runterzuhungern, hat sie sich verabschiedet.
Nicht perfekt, aber gut genug
Gezielt „Ja” zu sich sagen und die permanente Unzufriedenheit hinter sich lassen: Wer schön sein will, muss sich freuen.
Den bedauernden Blick in den Spiegel kennt die Kulturwissenschaftlerin nur allzu gut. Der endete bei ihr meist mit dem Gefühl, mit den tollen Frauen in Zeitschriften und Katalogen nicht mithalten zu können. Julia Warkentin hat gelernt, sich nicht länger dem Diktat von superschlank und faltenfrei zu beugen. „Ich habe geübt, mich so zu mögen und anzunehmen, wie ich bin. Nicht perfekt, aber gut genug”, sagt sie.
Runter von der Waage, das war einer von vielen Schritten, mit denen sie sich von den medial vermittelten Schönheitsidealen verabschiedet hat. Und dann? Augen zu und nicht mehr in den Spiegel gucken? Keineswegs. „Ich habe angefangen, mich ganz bewusst im Spiegel anzuschauen und mich  an dem zu freuen, was ich schön an mir finde”, beschreibt sie einen weiteren Schritt auf ihrem Weg, Freundschaft mit dem eigenen Körper zu schließen.
Julia Warkentin regt an, die Fastenzeit zu nutzen, um aus dem unfruchtbaren Trott von Selbstkritik und Unzufriedenheit auszubrechen und auszuprobieren, wie sich das anfühlen kann, „7 Wochen ohne Meckern über Bauch, Beine und Co.” zu leben. Julia Warkentins Vorschläge für die Fastenzeit machen Appetit darauf, sich selbst nicht weiterhin täglich Bewertungen, Komplexe und Mäkeleien zu servieren. Stattdessen: den Kampf ums Gewicht sieben Wochen lang aussetzen, jede Mahlzeit bewusst genießen und auf die Satt- oder Hunger-Signale des Körpers achten!
Warum nicht sieben Wochen lang auf negative Gedanken über das eigene Aussehen verzichten und gezielt trainieren, „Ja” zu sich selbst zu sagen? Der Weg, sich mit den körperlichen Eigenheiten zu versöhnen, die man sich selbst wohl kaum so ausgesucht hätte, wenn man gefragt worden wäre, kann lang sein. „Das fühlt sich an, wie einem Feind die Hand zu reichen”, weiß Julia Warkentin. Aber der  Weg lohnt. Denn auf ihm kann man die permanente Unzufriedenheit hinter sich lassen, die  so viel Energie und Lebenslust raubt.
Nein, am Beginn der Expedition ins Land der Selbstannahme steht kein Ausgangsgewicht und auch kein Foto für den Vorher-Nachher-Vergleich, sondern die schlichte Frage: „Welche Sätze und Gefühle bestimmen mein Denken über mich? Wie wohl fühle ich mich in meiner Haut?”
Der Baustopp an der Dauerbaustelle Körper gehört zu Julia Warkentins Fastenkur der besonderen Art. „Wie wäre es, beim Essen einfach mal zu fragen, ob ich es genießen kann, statt immer gleich den Kalorienzähler im Hinterkopf zu haben, ob es dick oder dünn macht?”
Dazu gehört auch, sich klar zu machen, dass man Kalorien zum Leben braucht, statt jede Kalorie als Feind anzusehen. Besonders wichtig ist das für Menschen, die sich seit Jahren von einer Diät zur nächsten hungern und beinahe vergessen haben, dass wir nicht einen Körper haben, sondern  dass wir unser Körper sind: Sehen, sprechen, fühlen, hören, sich bewegen, genießen – alles ist nur in unserem Körper möglich – und der braucht eben auch Kalorien!
„Wer schön sein will, muss sich freuen”, lautet eine weitere Erkenntnis. Und weil die Dankbarkeit das Geheimnis der Freude ist, lädt Julia Warkentin dazu ein, regelmäßig aufzuschreiben, wo es Grund zur Freude und Dankbarkeit gibt.
Mit königlicher Würde durch den Tag schreiten
Für Julia Warkentin liegt die tiefste Quelle der Selbstannahme im Glauben daran, eine geliebte Tochter Gottes zu sein, auf der Gottes wohlwollender Blick ruht. Unter diesem Blick zu leben, heißt für sie,  wie mit „königlicher Würde durch den Tag zu schreiten”. Und wenn es Rückschläge in alte Muster gibt? Wenn Aschenputtel statt Königstochter zum Vorschein kommt, weil Umlernen gar nicht so einfach ist? „Hinfallen, aufstehen, Krone richten, weitergehen!”
Buchtipp
Mit ihrem Fastenkalender ermuntert Julia Warkentin Frauen, sich in der Fastenzeit bewusst auf eine „Entdeckungsreise zur eigenen Schönheit” zu machen. In 47 kurzen Texten begleitet sie ihre Leserinnen vom Aschermittwoch bis zum Ostersonntag und gibt dabei erfrischend ehrliche Tipps, wie frau ein neues Körpergefühl entwickeln kann. Die Botschaft des Büchleins ist klar: Nimm Dich so an, wie Gott Dich geschaffen hat, denn so bist Du genau richtig!
Julia Warkentin: 7 Wochen ohne Meckern über Bauch, Beine & Co.  Der etwas andere Fastenkalender.  Neukirchener Verlag, 74 Seiten, 8,99 Euro.