Tierhaltung | 29. Juni 2018

20 Tipps, die dem Besaugen vorbeugen

Von Dr. Andreas Steinwidder, HBLFA Raumberg-Gumpenstein, Karl Wurm, LWK Steiermark
Es gibt zwar kein Patentrezept, um das gegenseitige Besaugen bei Kälbern vollständig zu verhindern. Doch mit optimierten Fütterungs- und Haltungsmaßnahmen kann das Risiko deutlich vermindert werden. Hier eine Reihe von Tipps.
Kälber in Gruppenhaltung haben ein erhöhtes Risiko für gegenseitiges Besaugen. Daher ist es wichtig, sie nach der Fütterung zu beobachten, um Sauger rechtzeitig zu erkennen.
Kälber haben einen natürlichen Saugtrieb. Er wird durch physiologische Regelkreise gesteuert. Einerseits durch die Magenfüllung, andererseits durch den Blutzuckerspiegel. Bei Kälbern, die von der Kuh getrennt aufgezogen werden, müssen die  physiologischen Bedürfnisse berücksichtigt werden, um den Saugtrieb zu befriedigen. Zu beachten ist zudem, dass die Neigung zu gegenseitigem Besaugen   eine genetische Komponente hat, die jedoch durch Stress (Absetzen, Überbelegung etc.) und Fütterungsfehler verstärkt wird.
1. Kälber müssen den natürlichen Saugtrieb ausleben können. Der Tränkenuckel muss eine kleine Öffnung haben, damit die Kälber nicht zu schnell saufen.  Die Kälber sollten zumindest fünf bis acht Minuten saugen. Damit steigt der Blutzuckerspiegel, was den Saugtrieb physiologisch reduziert.
2. Alle Kälber sollten bei begrenzter Milchgabe gleichzeitig Milch trinken können.
3. Damit die Kälber früh beginnen, festes Futter aufzunehmen, geben Sie nicht zu viel Milch auf einmal. Bieten Sie jedoch mindestens 1,5 l Milch pro Mahlzeit an, damit eine physiologische Sättigung durch ausreichende Magenfüllung eintritt.
4. Halten Sie die Tränkezeiten genau ein, um Stress zu vermeiden. Gibt es öfters  Probleme mit gegenseitigem Besaugen, so ist es günstig, dreimal täglich zu tränken.
5. Kälber aus muttergebundener Aufzucht haben eine geringere Neigung zu gegenseitigem Besaugen.
6. Die Verabreichung  angesäuerter Milch vermindert die Motivation, den Saugtrieb bei anderen Kälbern zu befriedigen.
Gegenseitiges Besaugen und Verdauungsstörungen nehmen zu, wenn Nuckelöffnungen zu groß sind. Tauschen Sie kaputte Nuckel sofort aus.
7. Wenn möglich, halten Sie die Kälber nach dem Tränken rund 20 bis 30 Minuten getrennt, am besten in einem verschließbaren Einzelfressstand.
8. Bieten Sie den Kälbern nach der Tränke Ergänzungsfutter an. Grundfutter zur Sättigung sollte ihnen grundsätzlich immer angeboten werden.
9. Nach dem Absetzen müssen die Kälber ausreichend Energie aufnehmen können. Geben Sie ihnen sehr gutes Grundfutter und rund 1 bis 1,5 kg Kraftfutter pro Tag. Achten Sie darauf, dass auch in der Gruppenhaltung eine ungestörte Ergänzungsfutteraufnahme möglich ist.
10. Versorgen Sie die Absetzer mit ausreichend Strukturfutter. Bekommen sie zu viel Maissilage in Kombination mit Kraftfutter, nehmen sie weniger Heu- oder Grassilage auf. Das gegenseitige Besaugen kann als Ersatzhandlung für die ungenügende Strukturversorgung zunehmen.
11. Tränkeautomaten brauchen einen verschließbaren Fressstand, in dem die Kälber ungestört saugen können. Geben Sie den Kälbern auch am Automaten mindestens 1,5 l Milch pro Mahlzeit, damit eine Sättigung eintritt.
12. Bringen Sie Saugattrappen und Heunetze an.
13. Mindern Sie Stress, indem Sie das Absetzen von der Milch nicht zeitgleich mit dem Umstallen beziehungsweise einer totalen Futterumstellung durchführen. Versorgen Sie die Kälber ausreichend mit Mineralstoffen, Spurenelementen und Vitaminen. Dazu eignen sich täglich 30 bis 50 Gramm  kalziumreiche Mineralfuttermittel.
Bieten Sie den Kälbern nach der Tränke Ergänzungsfutter an. Achten Sie darauf, dass sie ungestört fressen können.
14. Salzlecksteine beschäftigen die Tiere. Hängen Sie die Lecksteine an einer Kette pendelnd auf, so können die Kälber gleichzeitig ihren Spieltrieb befriedigen.
15. Kälber sind neugierig und beschäftigen sich mit den Artgenossen, wenn die Haltungsumwelt keine Anreize bietet. Reizarme Haltung erhöht das Saugrisiko, ausreichend Stroh reduziert es.
16. Ein Offenfrontstall beziehungsweise ein Auslauf verbessern nicht nur die Luftqualität, die Kälber können auch ihren Erkundungstrieb besser ausleben und zeigen damit weniger Interesse, Artgenossen zu besaugen.
17. Gruppeniglus mit Außenbucht senken das Saugrisiko gegenüber Einraumbuchten.
18. Bieten Sie den Kälbern ausreichend Platz.
19. Beobachten Sie die Kälber etwa eine Stunde nach der Abendfütterung ausreichend, um Sauger rechtzeitig zu erkennen.
20. Trennen Sie Sauger von der Gruppe oder versehen Sie sie rasch mit entsprechenden Saugschutzvorrichtungen. Studien haben gezeigt, dass das gegenseitige Besaugen auch durch Nachahmung verbreitet wird.