Betrieb und Wirtschaft | 18. Februar 2014

Die Zukunft des Weltagrarhandels

Von von Kobylinski/AgE
Dem Thema Weltagrarhandel war die Wintertagung der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) in München gewidmet. Es ging dabei auch um die Auswirkungen des geplanten Freihandelsabkommens zwischen EU und USA.
Ein leidenschaftliches Plädoyer für den internationalen Agrarhandel legte DLG-Präsident  Carl-Albrecht  Bartmer ab.  Dieser  sei nicht die Ursache von Hunger und mangelnder Verteilungsgerechtigkeit, sondern ein Teil der Lösung, erklärte Bartmer vergangene Woche  in München.  Gunststandorte wie Europa tragen ihm zufolge   die ethische Verantwortung, die eigenen Potentiale gezielt zu nutzen. Prof. Joachim  von  Braun  von der Universität Bonn unterstrich die große Bedeutung des Weltagrarhandels für die effiziente Verteilung knapper Nahrungsmittel und Agrarressourcen sowie für ausländische Direktinvestitionen.
 Kritisch sieht dies der Generalsekretär der Deutschen Welthungerhilfe, Dr. Wolfgang  Jamann. Nach seiner Ansicht nutzt die Öffnung der Märkte in den Entwicklungsländern derzeit vor allem den Exportinteressen der Industrienationen.
Deutschland ist schon jetzt intensiv in den internationalen Handel mit landwirtschaftlichen Produkten eingebunden: Es ist   weltweit der zweitgrößte Importeur und gleichzeitig der drittgrößte Exporteur von  Agrarprodukten.
 Die EU als zahlungskräftiger Handelsraum nimmt insgesamt 80 Prozent der deutschen Exporte auf, gleichzeitig kommt von dort auch eine Importmenge ins Land, die den Ausfuhren wertmäßig in etwa entspricht.
EU ist Nettoimporteur
Weil die Bevölkerung außerhalb der EU weitaus stärker wachse als in der EU, müssten weitergehende Handelsbeziehungen geknüpft werden, unabhängig von den  EU-Außengrenzen, betonte Joachim von Braun.  „Insgesamt gesehen ist die EU ein Nettoimporteur von Nahrungs- und Futtermitteln”, erklärte der Agrarökonom, wobei er auch an den zunehmenden Bedarf einer Weltbevölkerung erinnerte, die bis 2050 auf neun Milliarden Menschen anwachse. Diese Zahl aber  täusche über die tatsächlichen Verhältnisse hinweg: „Wegen des gewachsenen Einkommens in vielen Ländern werden diese neun Milliarden dem  Konsum von zwölf Milliarden Menschen entsprechen”, fuhr der Wissenschaftler fort. Mit einem Freihandelsabkommen mit den USA  bekomme die EU die
Die Hohenheimer Professorin Martina Brockmeier geht davon aus, dass ein Freihandelsabkommen zwischen EU und USA kommt.
Möglichkeit, ihr Handelsvolumen deutlich zu vergrößern, zeigte sich die Hohenheimer Professorin Martina Brockmeier überzeugt. Dabei spielen  die Handelsvorteile durch den gegenseitigen Abbau der Einfuhrzölle nur eine untergeordnete Rolle. Weitaus größere Absatzeffekte  könnten erreicht werden, wenn es zu einem beidseitigen und ausgewogenen Abbau von gesetzlichen Handelsbeschränkungen und Bestimmungen käme – unter Ökonomen als nichttarifäre Handelshemmnisse bezeichnet.   Anhand der Warengruppen, die  gegenwärtig mit den USA gehandelt werden, sagte Brockmeier voraus, dass sich insbesondere bei Milch- und Käseprodukten ein großes Absatzpotential  für die EU ergeben wird. Auch bei Bier, Wein und Spirituosen  würden sich die Absatzmengen  erheblich vergrößern.
Im Gegenzug könnte sich für  die USA ein großes Marktpotential mit dem Absatz von tropischen Früchten ergeben, in gewissem Maß auch für Rindfleisch, Geflügel und Schweinefleisch.  Die Hohenheimer Wissenschaftlerin schätzt, dass rund 50 Prozent der nichttarifären Handelshemmnisse nach und nach abgebaut werden können.  Dabei wird davon ausgegangen, dass die Verbraucherinteressen innerhalb der EU weiterhin gewahrt bleiben. In diesem Sinn werde auch der Schutz vor genveränderten Erzeugnissen fortbestehen.
Nach Ansicht der Professoren Brockmeier und von Braun ist der Weg in das Partnerschaftsabkommen mit den USA nicht mehr aufhaltbar. Klärungsbedarf gebe es bei  der Länge der Übergangsphasen. Gleichwohl  werde die Beseitigung der nichttarifären Handelshemmnisse  ein langwieriger Prozess sein. 
Anreiz für viele Länder
Die beiden Wissenschaftler legten gleichzeitig  großen Wert auf die Signalwirkung, die mit dem Zustandekommen der Partnerschaft entstehe: Es werde voraussichtlich daraus ein Anreiz für viele Länder der übrigen Welt entstehen (Spill-Over-Effekt), sich ebenfalls dem Freihandel zu öffnen. Schon jetzt ist ein entsprechendes Abkommen zwischen den  USA und dem asiatischen Raum im Gespräch.
Seit 2001 sind die weltweiten  WTO-Verhandlungen (WTO- World Trade Organisation) zum Abbau der Zoll- und Handelsschranken in der Doha-Runde festgefahren. Darin sind die USA, die Entwicklungs- und Schwellenländer und die EU vertreten. Jede der drei Hauptparteien lehnte die Freihandelsvorschläge der anderen Parteien bisher ab.  Nach Ansicht der beiden Wirtschaftsexperten sei die jüngste WTO-Übereinkunft von Bali im Dezember 2013 vor allem unter dem Eindruck der kommenden EU-USA-Partnerschaft zustande gekommen.  Zwar habe die Zahl der bilateralen Abkommen auf Gegenseitigkeit seit der Jahrtausendwende drastisch zugenommen, aber kaum zu einer durchgreifenden Verbesserung geführt. Auf einer Weltkarte aufgezeichnet, gleicht die Vielzahl an länderbezogenen Verbindungslinien einem unübersichtlichen Wirrwarr, das  von den Experten als  „Spaghettischüssel”  bezeichnet wird.  Im Gegensatz dazu stehen die  gegenwärtigen Hoffnungen auf weitere Fortschritte in der WTO-Runde. Deutschland solle sich für Reformen der WTO und für multilaterale Handelsabkommen stark machen, forderte  von Braun.  Schließlich gehe es auch um den  Anschluss an die großen internationalen  Wachstumsmärkte, die nach seiner Ansicht in Indien und China liegen.