Politik | 06. Juli 2017

Brüssel kriegt bei Öko noch die Kurve

Von AgE
Die Verhandlungen zur Revision der EU-Ökoverordnung sind doch noch zu einem erfolgreichen Abschluss gekommen. Es brauchte dafür drei Jahre Verhandlungszeit mit 18 „Trilogen”.
Klarheit geschaffen: Bis die neue EU-Ökoverordnung in Kraft tritt, wird allerdings noch einige Zeit vergehen.
Im finalen Trilog aus Vertretern der EU-Kommission, des Rates und des Europaparlaments war am 28. Juni in Brüssel bis in die späten Abendstunden verhandelt worden, um noch  Knackpunkte auszuräumen.
EU-Agrarkommissar Phil Hogan zeigte sich kurz nach  Verhandlungsende erleichtert, dass nach 18 Trilogen zu der EU-Ökoverordnung und insgesamt gut drei Jahren Verhandlungen doch noch ein erfolgreicher Abschluss erreicht wurde. Aufgrund einer Reihe von Regelharmonisierungen sei die Zeit der Unsicherheit für die europäischen Biobetriebe vorbei, erklärte der Ire. Mit der Vereinbarung werde ein fairer Wettbewerb garantiert, betonte der Agrarkommissar.
Kaum Änderungen für deutsche Biobetriebe
Unter anderem einigten sich die drei Parteien darauf, dass die von vielen deutschen Verbänden kritisierte schärfere Grenzwertregelung für unerlaubte Stoffe zunächst nicht in die EU-Ökoverordnung mitaufgenommen wird. Die Schwellenwerte für unerlaubte Stoffe verbleiben auf dem gleichen Niveau wie für konventionelle Produkte. Mitgliedstaaten wie unter anderem Italien, die eigene strengere Grenzwerte im Ökosektor haben, dürfen diese beibehalten. Die EU-Kommission wird nach vier Jahren einen umfassenden Bericht über die Quellen der Verunreinigungen vorlegen. Im Anschluss soll nochmals über die Aufnahme dieses Abschnitts in die Verordnung beraten werden.
Ähnlich wie der Agrarkommissar äußerte sich der maltesische Landwirtschaftsminister Clint Camilleri, der für die EU-Mitgliedstaaten die Verhandlungen führte. Auch er erwartet von der neuen EU-Ökoverordnung eine Stärkung der Ökobranche.
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt sprach von einem „Sieg der Vernunft”. Die Kommission habe auf dem „letzten Ruck” gemerkt, dass sie auf dem falschen Weg gewesen sei. So habe man etwa 80 Prozent der Forderungen durchgesetzt. Schmidt zeigte sich davon überzeugt, dass das neue Regelwerk konventionelle und biologische Erzeuger weiterbringt. Der Berichterstatter des Europaparlaments, Martin Häusling, und der Schattenberichterstatter Norbert Lins erklärten, dass es für die deutschen Biobetriebe aller Voraussicht nach keine wesentlichen Regeländerungen geben werde. Weiterhin sei es möglich, nach den teilweise strengeren Regeln des deutschen Biorechts zu wirtschaften, betonten der Grünen- und der CDU-Politiker bei einer Pressekonferenz des EU-Parlaments.
Als besonders positiv für die deutschen Öko-Anbauer bewerteten es Häusling und Lins, dass die Importe aus Drittstaaten nach den Regeln des neuen EU-Ökorechts harmonisiert werden sollen. Die Einfuhrkontrollen würden harmonisiert und verschärft.  Beide Politiker  begrüßten den Verzicht auf die ursprünglich von der Kommission vorgeschlagene Grenzwertregelung sowie die neuen Regelungen zum Saatgut. Durch die Herausnahme der Grenzwertregelung ist laut Lins  weiterhin ein Nebeneinander der ökologischen und konventionellen Produktion möglich. Für nach wie vor „überdenkenswert” hält der CDU-Europaabgeordnete indes die im deutschsprachigen Raum übliche Praxis des „Ganz-oder-gar-nicht-Ansatzes” bei der Umstellung auf den Ökolandbau.
Außerdem einigten sich die Verhandlungspartner auf häufigere Kontrollen, die mindestens einmal im Jahr stattfinden sollten. Zudem soll es zusätzliche Risikokontrollen in allen EU-Mitgliedstaaten geben. Diese sind bereits Teil des deutschen Rechts.
Für Gewächshäuser wird eine bodengebundene Produktion vorgeschrieben; insofern darf nicht mit Nährlösungen gearbeitet werden. Ausnahmen mit zehn Jahren Bestandsschutz sind hier für die nördlichen EU-Mitgliedstaaten Finnland, Schweden und Dänemark vorgesehen.
Klarheit bei Herkunft des Saatguts
Klarheit gibt es jetzt auch hinsichtlich der Herkunft des Saatguts. Ohne besondere Zertifizierung dürfen künftig auch ökologisch erzeugte Landsorten vermarktet werden. Laut Häusling müssen diese nur noch notifiziert, aber nicht mehr zertifiziert werden. Das Anlegen von Datenbanken über die Verfügbarkeit von ökologisch produziertem Saatgut soll jetzt für alle EU-Staaten verpflichtend vorgeschrieben werden. In Deutschland ist eine solche Datenbank bereits im Einsatz.
Das Anlegen von Tierdatenbanken soll dagegen zunächst auf freiwilliger Basis erfolgen. Mittels der Datenbanken soll gewährleistet werden, dass nur noch dann konventionelle Saaten oder Tiere verwendet werden, wenn diese im Biobereich nicht verfügbar sind.
Im Rahmen des Trilogs wurde zudem stark über das von einigen Mitgliedstaaten geforderte Erlauben des Schnabelkürzens bei Geflügel sowie Enthornen bei Rindern gerungen. Beide Maßnahmen sollen in Zukunft noch mit Sondergenehmigungen möglich sein.
Kritik an der Eile
Der Präsident der EU-Gruppe der Internationalen Vereinigung ökologischer Landbaubewegungen (IFOAM EU), Christopher Stopes, bewertete die vorgenommenen Änderungen als positiv. Zugleich beklagte er, dass die Kompromisssuche zuletzt sehr „überhastet” durchgeführt worden sei. Er hätte sich eine stärkere Einbindung von Vertretern der ökologischen Anbauverbände gewünscht.
Der Ökobeauftragte des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Dr. Heinrich Graf von Bassewitz, bezeichnete die Einigung als tragfähigen Kompromiss.  Besonders begrüßte er, dass die gesonderten Rückstandswerte unerlaubter Stoffe für den Ökolandbau nun endlich vom Tisch seien.
Zeitplan
Dem jetzigen Verhandlungsergebnis muss der Agrarrat zustimmen; dies dürfte am 17. und 18. Juli der Fall sein. Die Abstimmung des Europaparlaments wird nach der Sommerpause erwartet. Da die EU-Kommission anschließend noch eine Reihe von delegierten Rechtsakten erlassen muss, dürfte die neue EU-Ökoverordnung nicht vor 2020 in Kraft treten.