Betrieb und Wirtschaft | 27. Februar 2020

Zwei Sichtweisen zum Lebensmittelhandel

Von AgE / René Bossert
Der Lebensmittel-Einzelhandel hierzulande soll weg von der Preisorientierung hin zu einer stärkeren Qualitätsorientierung, fordert der Deutsche Bauernverband.
Der Handel steht vor der Aufgabe, seine Kommunikation in Richtung Verbraucher von der reinen Preisorientierung hin zu einer stärkeren Qualitätsorientierung zu lenken”, sagte DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken in einem Interview, dass er zusammen mit dem Kaufland-Einkaufsleiter Stefan Lukes dem Nachrichtendienst  Agra-Europe gegeben hat.
Für die Landwirte sei nur schwer erträglich, dass niedrige Preise bislang mit weitem Abstand die zentrale Botschaft vieler Unternehmen des Lebensmittelhandels in der Verbraucherkommunikation seien. „Besonders groß ist der Ärger, wenn Unternehmen, die sich als Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit profilieren, zu runden Firmenjubiläen besonders stark auf die Preistaste hauen”, so Krüsken in Anspielung auf eine jüngste Werbeaktivität von Edeka. Damit würden sämtliche Bekenntnisse zur Wertschätzung von Lebensmitteln und landwirtschaftlicher Arbeit ad absurdum geführt.
Kaufland gehört zusammen mit Lidl zur Schwarz-Gruppe, die ihren Sitz in Neckarsulm bei Heilbronn hat, aber natürlich auch in der Hauptstadt vertreten ist. Während Lidl die Discount-Schiene abdeckt, ist Kaufland ein Großflächen-Vollsortimenter.

Lukes betonte in dem Gespräch  das steigende Interesse der Verbraucher an regionaler Erzeugung. Das müsse sich auch in ihrem Einkaufsverhalten niederschlagen können. „Wenn ein Lebensmittelhändler lediglich die Botschaft hat, ich bin billiger als andere, kann das nicht funktionieren”, warnte Lukes.
Prägend
Nach seiner Einschätzung werden „Regionalität und Bio” in den nächsten Jahren den Lebensmittelmarkt entscheidend prägen. Gleichzeitig erwartet Lukes, dass sich die Produktionsrichtungen künftig weiter annähern werden.
Laut Krüsken ist Regionalität für einen Teil der Betriebe eine Option und eine Chance, mehr Wertschöpfung zu erzielen. In großen Marktbereichen funktioniere jedoch das Prinzip „Aus der Region für die Region” nicht. Daher müssten Produkte deutlicher als bislang mit Standards und Herkunft ausgelobt werden können.
Als ein Kernproblem im Lebensmittelmarkt sieht Krüsken das Ungleichgewicht zwischen dem Lebensmitteleinzelhandel auf der einen sowie den Erzeugern und Verarbeitern auf der anderen Seite. Einer stärkeren Bündelung des Angebots stehe jedoch vielfach das Kartellrecht im Wege. Dies sei nicht akzeptabel, „nachdem die Kartellbehörden jahrzehntelang zugeschaut haben, wie sich die Strukturen im Lebensmitteleinzelhandel entwickelt und sich die Gewichte im Markt verschoben haben”. Hier müsse man reagieren können, gegebenenfalls mithilfe des Gesetzgebers, betonte Krüsken.
Falsche Erwartungen an gesetzliche Regelungen
Demgegenüber warnt Lukes vor falschen Erwartungen an gesetzliche Regelungen. Entscheidend für einen Umgang auf Augenhöhe seien „Wertschätzung, Anerkennung und Verlässlichkeit”. Es gehe um die Werte, für die der ehrbare Kaufmann stehe. Ob das im täglichen Umgang seinen Ausdruck finde, müsse jeder für sich bewerten. Klar sei dabei, „wer meint, der große Lebensmitteleinzelhandel könne tun und lassen, was er will, der irrt”. 
Was die Real-Zerschlagung real bedeutet
Während sich der Kaufland-Chefeinkäufer Stefan Lukes im Dialog mit dem DBV-Generalsekretär partnerschaftlich gibt und von Augenhöhe, Wertschätzung und von Werten des ehrbaren Kaufmannes spricht, berichtet die Lebensmittel Zeitung just ein paar Tage zuvor von der Situation rund um die Zerschlagung der LEH-Kette Real.
Da tun sich dann zwei Welten auf: Die Welt der Sonntagsreden und  der Kanzleramts-Diskussionsrunden auf der einen Seite und dagegen die harte Business-Realität: Letztere sieht so aus, dass die Konzentration im LEH mit der Real-Zerlegung weiter voranschreiten dürfte und die Käufer der Real-Märkte ihre Investitionen irgendwie zügig wieder einspielen müssen.
Real hat ehemals zu Metro gehört und vergleichsweise große Märkte betrieben. Die  zuletzt schwächelnde Firma ist kürzlich an einen Investor mit Namen SCP Group verkauft worden, der die Beute zerlegen will: Die meisten der 276 Märkte werden voraussichtlich an die bekannten großen Namen im LEH gehen: Kaufland, das wie Lidl zur Schwarz-Gruppe gehört, will 100 Märkte übernehmen, Edeka hat an 87 Märkten Interesse signalisiert und Rewe an 20 Standorten.
Für Kaufland mit bisher 670 Märkten und einem Jahresumsatz von knapp 14 Milliarden Euro wäre das ein großer Wachstumsschritt. Und für die Schwarz-Gruppe eine Festigung ihrer Position im Wettbewerb mit Edeka, Rewe und Aldi – wenn es Kaufland gelingt, die Integration der Real-Märkte gut hinzubekommen. Sicher ist das nicht, da Kaufland selbst in den letzten Jahren nicht ganz so erfolgreich unterwegs war wie Lidl, Aldi, Edeka und Rewe.
Wenn fast alle Großen zugreifen, werden übrigens mit der Real-Zerschlagung „elegant die Klippen des Kartellrechts umschifft”, wie die Lebensmittel Zeitung das ebenso elegant beschreibt.
Und wie zahlt Kaufland die Expansion? „Der Einkauf, so die Überzeugung, werde den Großteil der Kosten über bessere Konditionen bei der Industrie einspielen”, zitiert die Lebensmittel Zeitung einen nicht namentlich genannten Beteiligten an dem Deal. Kaufland wolle außerdem die Ware zu besseren Konditionen beziehen als Real, daraus sollen „Rohertragsverbesserungen” von 100 Millionen Euro jährlich resultieren, hat eine weitere anonyme Quelle der Lebensmittel Zeitung erzählt. Liebe Lebensmittelhersteller,  zieht euch warm an! bos