Zwei Sichtweisen zum Lebensmittelhandel
Für die Landwirte sei nur schwer erträglich, dass niedrige Preise bislang mit weitem Abstand die zentrale Botschaft vieler Unternehmen des Lebensmittelhandels in der Verbraucherkommunikation seien. „Besonders groß ist der Ärger, wenn Unternehmen, die sich als Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit profilieren, zu runden Firmenjubiläen besonders stark auf die Preistaste hauen”, so Krüsken in Anspielung auf eine jüngste Werbeaktivität von Edeka. Damit würden sämtliche Bekenntnisse zur Wertschätzung von Lebensmitteln und landwirtschaftlicher Arbeit ad absurdum geführt.
Lukes betonte in dem Gespräch das steigende Interesse der Verbraucher an regionaler Erzeugung. Das müsse sich auch in ihrem Einkaufsverhalten niederschlagen können. „Wenn ein Lebensmittelhändler lediglich die Botschaft hat, ich bin billiger als andere, kann das nicht funktionieren”, warnte Lukes.
Laut Krüsken ist Regionalität für einen Teil der Betriebe eine Option und eine Chance, mehr Wertschöpfung zu erzielen. In großen Marktbereichen funktioniere jedoch das Prinzip „Aus der Region für die Region” nicht. Daher müssten Produkte deutlicher als bislang mit Standards und Herkunft ausgelobt werden können.
Als ein Kernproblem im Lebensmittelmarkt sieht Krüsken das Ungleichgewicht zwischen dem Lebensmitteleinzelhandel auf der einen sowie den Erzeugern und Verarbeitern auf der anderen Seite. Einer stärkeren Bündelung des Angebots stehe jedoch vielfach das Kartellrecht im Wege. Dies sei nicht akzeptabel, „nachdem die Kartellbehörden jahrzehntelang zugeschaut haben, wie sich die Strukturen im Lebensmitteleinzelhandel entwickelt und sich die Gewichte im Markt verschoben haben”. Hier müsse man reagieren können, gegebenenfalls mithilfe des Gesetzgebers, betonte Krüsken.
Da tun sich dann zwei Welten auf: Die Welt der Sonntagsreden und der Kanzleramts-Diskussionsrunden auf der einen Seite und dagegen die harte Business-Realität: Letztere sieht so aus, dass die Konzentration im LEH mit der Real-Zerlegung weiter voranschreiten dürfte und die Käufer der Real-Märkte ihre Investitionen irgendwie zügig wieder einspielen müssen.
Real hat ehemals zu Metro gehört und vergleichsweise große Märkte betrieben. Die zuletzt schwächelnde Firma ist kürzlich an einen Investor mit Namen SCP Group verkauft worden, der die Beute zerlegen will: Die meisten der 276 Märkte werden voraussichtlich an die bekannten großen Namen im LEH gehen: Kaufland, das wie Lidl zur Schwarz-Gruppe gehört, will 100 Märkte übernehmen, Edeka hat an 87 Märkten Interesse signalisiert und Rewe an 20 Standorten.
Für Kaufland mit bisher 670 Märkten und einem Jahresumsatz von knapp 14 Milliarden Euro wäre das ein großer Wachstumsschritt. Und für die Schwarz-Gruppe eine Festigung ihrer Position im Wettbewerb mit Edeka, Rewe und Aldi – wenn es Kaufland gelingt, die Integration der Real-Märkte gut hinzubekommen. Sicher ist das nicht, da Kaufland selbst in den letzten Jahren nicht ganz so erfolgreich unterwegs war wie Lidl, Aldi, Edeka und Rewe.
Wenn fast alle Großen zugreifen, werden übrigens mit der Real-Zerschlagung „elegant die Klippen des Kartellrechts umschifft”, wie die Lebensmittel Zeitung das ebenso elegant beschreibt.
Und wie zahlt Kaufland die Expansion? „Der Einkauf, so die Überzeugung, werde den Großteil der Kosten über bessere Konditionen bei der Industrie einspielen”, zitiert die Lebensmittel Zeitung einen nicht namentlich genannten Beteiligten an dem Deal. Kaufland wolle außerdem die Ware zu besseren Konditionen beziehen als Real, daraus sollen „Rohertragsverbesserungen” von 100 Millionen Euro jährlich resultieren, hat eine weitere anonyme Quelle der Lebensmittel Zeitung erzählt. Liebe Lebensmittelhersteller, zieht euch warm an! bos