Politik | 10. September 2020

Zukunftskommission nimmt Arbeit auf

Von AgE
Eine Befriedung der kontroversen Debatte über Landwirtschaft verspricht sich Bundesagrarministerin Julia Klöckner von der Zukunftskommission Landwirtschaft. Sie ist am Montag unter Beteiligung von Bundeskanzlerin Angela Merkel zur ihrer konstituierenden Sitzung in Berlin zusammengekommen.
Am Montag fand im Bundeskanzleramt die konstituierende Sitzung der Zukunftskommission Landwirtschaft statt.
„Damit die junge Generation bereit ist, auch weiterhin die Höfe ihrer Eltern und damit viel Arbeit zu übernehmen, brauchen wir einen gesellschaftlichen Konsens”, betonte Klöckner. Landwirtschaft sei beileibe nicht an jeder Klima- und Umweltfrage schuld, auch wenn sie allzu schnell pauschal für vieles verantwortlich gemacht werde. Umgekehrt seien die Anliegen von Aktiven in der Umwelt-, Klima- und Tierschutzszene keine „Spinnereien”, sondern ernst zu nehmende Anliegen.
Die Ministerin bezeichnete die Einsetzung der Kommission als ein klares Bekenntnis: „Wir wollen, dass eine wirtschaftlich erfolgreiche und gesellschaftlich akzeptierte Landwirtschaft in unserem Land eine gute Zukunft hat.” Dabei gehe es nicht an, dass „die eine Seite fordert und die andere Seite umsetzen muss”. Die gesicherte Versorgung mit Lebensmitteln, familiengeführte Betriebe vor Ort, die von ihrer Arbeit verlässlich leben können, auf der einen und mehr Ressourcenschutz auf der anderen Seite müssten gleichberechtigt berücksichtigt werden.
„Höhere Standards kosten Geld”
Diskutiert werden müsse darüber, „dass höhere Standards Geld kosten”. Die hiesigen Landwirte stünden im Wettbewerb mit Importware, die teilweise unter niedrigeren Produktionsstandards erzeugt werde und deshalb kostengünstiger sei. Die Mehrheit der Verbraucherinnen und Verbraucher schaue jedoch bei Lebensmitteln nach wie vor nur auf den günstigeren Preis.
Bereitschaft zum Kompromiss zeigen
Klöckner appellierte an die 31 Kommissionsmitglieder, nicht einseitige Maximalforderungen zu erheben, sondern Kompromissbereitschaft zu zeigen. Die Kommission könne für einen Ausgleich sorgen und die Protagonisten versöhnend an einen Tisch bringen. Dabei sei klar, „das Gremium fängt nicht bei Null an”. Vorarbeiten durch die Borchert-Kommission oder durch das Bundeslandwirtschaftsministerium in Sachen Ackerbaustrategie und Förderung von Tierwohlställen lägen auf dem Tisch und würden zur Diskussion gestellt.
DBV: Veränderungen müssen finanziell darstellbar sein
Die Bereitschaft der Branche zu Veränderungen hat der Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Werner Schwarz, bekräftigt. Allerdings müssten die Veränderungen für die Betriebe und die bäuerlichen Familien „finanziell darstellbar sein”, sagte Schwarz vor der  Sitzung der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) im Bundeskanzleramt.  Gefragt seien Zukunftspfade, „die den Landwirten eine Bandbreite bieten, in denen sie sich bewegen können und die auch von der Gesellschaft anerkannt und getragen werden”. Schwarz sprach von einer großen Unterstützung der Bundesregierung.
„Ernährungswende jetzt”, lautet für den Vorsitzenden vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), Felix Prinz zu Löwenstein, die Kernaufgabe der Zukunftskommission. Sie müsse das Fundament legen für „eine enkeltaugliche Land- und Ernährungswirtschaft und gesundes Essen”.
Der Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV), Franz-Josef Holzenkamp, hat ein „ehrliches, konstruktives Miteinander aller Beteiligten, Kompromissbereitschaft und eine Abkehr von Maximalforderungen” angemahnt. Holzenkamp, selbst Mitglied der Kommission, räumte ein, dass mit den Beratungen  hohe Erwartungen und ein ambitionierter Zeitplan verbunden seien.
Hohe Erwartungen haben auch die politischen Parteien an die Arbeit der ZKL. Für den agrarpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Stegemann, kann die Kommission „die Blaupause für einen Gesellschaftsvertrag” sein. Ein solcher Gesellschaftsvertrag sei notwendig, um die Zielkonflikte in der Landwirtschaft klar zu benennen und darauf aufbauend „praxistaugliche, finanzierbare Lösungen anzubieten, die unsere Landwirte in einem globalen Markt auch tatsächlich umsetzen können”, erklärte Stegemann.
Der agrarpolitische Sprecher der CSU im Bundestag, Artur Auernhammer, erhofft sich von dem Expertengremium eine Versachlichung der zuletzt sehr polarisierten Diskussion über die Landwirtschaft.
Laut dem Agrarsprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Gero Hocker, brauchen die Landwirte in Deutschland endlich Investitionssicherheit für ihre Betriebe. Voraussetzung dafür seien konkrete und verbindliche Rahmenbedingungen, etwa für die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln. Zudem sollte dem FDP-Politiker zufolge die jüngste Novellierung der Düngeverordnung zurückgenommen werden. Wichtig seien außerdem europaweit einheitliche Standards in der Landwirtschaft.
Der agrarpolitische Sprecher der Grünen im Deutschen Bundestag, Friedrich Ostendorff, rief dazu auf, die mit der Zukunftskommission verbundenen Chancen für einen gesellschaftlichen Konsens zu nutzen. Die Betriebe bräuchten Planungssicherheit, wohin die Reise geht, und ein auskömmliches Wirtschaften. Dem Grünen-Politiker zufolge erfordert das eine radikale Neuausrichtung der Agrarpolitik und geht nur zusammen mit der Gesellschaft.
Linke-Agrarsprecherin Kirsten Tackmann bekräftigte ihre Forderung nach einer grundlegenden Neugestaltung der Agrarpolitik.  Eine soziale und ökologische Landwirtschaft mit kostendeckenden Erzeugungspreisen im Interesse des Gemeinwohls sei möglich und nötig.