Betrieb und Wirtschaft | 31. Januar 2019

Woran die Kernobstvermarktung krankt

Von Heinrich von Kobylinski
Was tun, wenn die Supermärkte zu viel preiswertes Obst im Angebot haben? Dr. Egon Treyer von der Marktgemeinschaft Bodenseeobst eG (MaBo) sprach vergangene Woche bei einer BLHV-Kreisversammlung in Kappelrodeck über die schwierige Absatzlage bei Obst.
Nach mehreren Jahren mit klimatischen Ausnahmeereignissen ist der heimische Obstsektor in eine Krise geraten. Der MaBo-Geschäftsführer hat den Eindruck, dass insbesondere das Frostjahr 2017 noch nachwirkt und andere  Marktstörungen deutlicher hervortreten lässt.
Zunächst wurde infolge der Spätfrostereignisse das Obstangebot in Mitteleuropa knapp. Was an heimischen Produkten zum Verkauf angeboten wurde,  konnte gute Preise erzielen, insbesondere Kernobst. Reklamationen gab es keine.
Jetzt, ein Jahr später,  ist die Lage anders. Die Obstbauern haben bei Äpfeln und auch Erdbeeren große Ernten eingefahren. Im letzten Herbst wurden in Deutschland gut  930000 Tonnen Tafeläpfel geerntet, gut 40 Prozent mehr als im Jahr davor. In den Nachbarländern fiel der Kontrast zum Vorjahr ebenfalls hoch aus. Polen, das Land mit dem weitaus größten Kernobstaufkommen, verzeichnete eine Ernte von über fünf Millionen Tonnen.  Knapp halb so groß ist das Aufkommen in Italien.
 
Hohe Importe
Unabhängig davon gilt Deutschland als das Land mit dem weltweit zweitgrößten Obstimportbedarf, nach Russland. Treyer rechnet mit einer Gesamteinfuhr von mindestens       500000 t Äpfeln nach Deutschland. Die Einfuhr der wichtigsten Obstarten zusammengerechnet ergibt eine Menge von 5, 1 Millionen Tonnen. Die Hälfte davon besteht aus Zitrusfrüchten und Bananen.
Obstalternativen zum Apfel sind in Deutschland im Moment hoch im Kurs, so die Beobachtung von Egon Treyer

Laut Treyer betreiben die Konsumenten weiterhin eine tendenzielle Abkehr vom Apfelkonsum und streben nach Alternativen, als ob das  Frostjahr 2017 weiterbestünde. Im Oktober 2018 ging der inländische Apfelkonsum im Vergleich zum Vorjahresmonat um 33 Prozent zurück.  Dafür erreichten in dem Jahr beispielsweise Melonen im Umfang fast die gesamte Einfuhrmenge von Äpfeln.  In derselben Größenordnung liegt auch die summierte Einfuhrmenge aus Birnen, Nektarinen und Pfirsichen. Gleichzeitig wurde 2018 der mengenstarke Aufwuchs der deutschen Äpfel von der Sonne verwöhnt. Die ausgeprägte, schmackhafte Süße dieses Kernobstes scheint in dieser Saison  von den Verbrauchern noch nicht erkannt worden zu sein.
Warum Polen so viele Äpfel produziert
In den Nachbarländern sind die  Absatzprobleme zum Teil noch  wesentlich gravierender.  In Polen können allenfalls 20 Prozent des Aufkommens  im Inland konsumiert werden. Der Rest muss in den Export oder wird Saftextrakt. Russland aber fällt als traditioneller Abnehmer aus. Daher kommt jetzt viel nach Westeuropa und auch nach Nordafrika, wohin „mit aller Gewalt” verkauft wird, mit Absatzpreisen, die Treyer zufolge nur rund ein Drittel des Bodenseepreises ausmachen.
 Auch Italien mit Südtirol treibt es stärker in den Export – und zielt  gerade auf die deutsche Kundschaft. Im Fall von Polen sieht Treyer krasse förderungspolitische Fehlsteuerungen: Für die Erstellung von Plantagen und für die Anlagen zum Lagern, Sortieren und Abpacken gab es 50-Prozent-Subventionierungen aus EU-Mitteln im Rahmen der Gemeinsamen Marktordnung (GMO). Weitere 25 Prozent kamen aus nationalen Förderquellen hinzu. So wurde eine moderne und effiziente Obsterzeugung aufgebaut, mit der die Investoren jetzt große Wettbewerbsverzerrungen verursachen. Innerhalb weniger Jahre verdoppelte sich das Mengenaufkommen, aber ohne passende Konzepte für den  Absatz der Mehrmengen.
Auf dem deutschen Markt zeigt die Erfahrung aus dem Herbst, dass mit Verkaufsaktionen in Verbindung mit speziellen Preiszugeständnissen kaum eine echte Wirkung erzielt werden kann, weil so bei den Konsumenten Verdrängungseffekte erzeugt werden. 
Deutlich wurde auch, dass die Treue der Konsumenten zu den Erzeugnissen aus der heimischen Region nicht stark ausgeprägt ist.  Optisch vergleichbare Importware bekommt leicht den Vorzug, sobald sie zu einem günstigeren Preis angeboten wird.
Koordiniert vorgehen
Nach den Erfahrungen von  Treyer funktionieren regionalbezogene Marken nur dann, wenn sie gleichzeitig auch Hausmarken der Lebensmittel-Einzelhandelsketten sind. Die Verkaufspolitik der Ketten ist ein bestimmender Faktor. Es kommt auf die  Bereitschaft  zu einem gemeinsamen,  koordinierten Vorgehen zwischen Lieferant und Abnehmer an – gerade auch, wenn es um die zeitliche und mengenmäßige Vorplanung geht.
Treyer kritisierte daher auch einzelne LEH-Ketten, die jetzt die Importware bewerben und die heimischen Erzeugnisse nicht. Der   Obstvermarkter wünschte sich ein höheres Werbebudget, wie zu Zeiten der CMA, gleichzeitig verwies er auf die zurückliegende Erdbeerkampagne, als große Mengen aus Spanien in den Verkaufsregalen lagen,  während die heimische Kampagne längst angelaufen war und das inländische Preisniveau drastisch unterboten wurde.
Gleichzeitig bedauerte Treyer den fortlaufenden  Konzentrationsprozess bei den LEH- Ketten. Neben dem Aufkauf von Spar und Tengelmann erwähnte er den aktuellen Verkauf der LEH-Kette Real –  zusammen mit Kaufland bisher ein wichtiger Abnehmer von Bodenseeobst.
Für den Obstexperten ist deshalb klar, dass sich seine Branche  gegenüber dem LEH  noch besser organisieren muss, damit es zu großen, gebündelten Angeboten kommt. Die Verwendung von neuen Sorten habe eine unterstützende Wirkung, berge aber auch ihre eigenen Probleme. Für unabhängige Einzelbetriebe wird  es nach Einschätzung von Treyer künftig noch schwerer sein, sich am Markt zu behaupten.