Das Thünen-Institut (TI) schätzt die längerfristigen Perspektiven für die Milcherzeuger ungeachtet der aktuell schwierigen Marktlage positiv ein. Das Institut geht für die kommenden Jahre insgesamt von stabilen Betriebseinkommen in der Landwirtschaft aus.
Aufwärts: Laut den Projektionen des Thünen-Instituts liegen die Einkommen je Arbeitskraft in den kommenden zehn Jahren im Schnitt über dem mittleren Niveau des vergangenen Jahrzehnts.
Für Milchprodukte bestimmten langfristig die günstigen Absatzaussichten auf den globalen Märkten die Entwicklung, heißt es in den Projektionen der „Thünen-Baseline 2015-2025”, die die Forschungseinrichtung jetzt vorgelegt hat. Darin gehen die Wissenschaftler für das Jahr 2025 von einem mittleren Milcherzeugerpreis in Deutschland von fast 38 Cent/kg aus. Steigende Erzeugerpreise und eine starke Zunahme der durchschnittlichen betrieblichen Milcherzeugung werden sich nach den Projektionen der Braunschweiger Ökonomen in der Einkommensentwicklung der Milchviehbetriebe niederschlagen.
Demnach steigt das Einkommen der Milchviehbetriebe bis 2025 im Schnitt um 35 Prozent gegenüber dem Basisjahrzeitraum und liegt damit höher als in anderen Betriebsformen. Ebenso wie die Thünen-Wissenschaftler beurteilt auch die Bundesregierung die mittel- und langfristigen Aussichten am Milchmarkt weiterhin günstig. Diese Aussichten seien nahezu unverändert und beinhalteten moderat steigende Erzeugerpreise, so der Parlamentarische Staatssekretär vom Bundeslandwirtschaftsministerium, Peter Bleser, in seiner Antwort auf eine Schriftliche Frage des Agrarsprechers der grünen Bundestagsfraktion, Friedrich Ostendorff. Der warf dem Ministerium und dessen Chef Christian Schmidt daraufhin „Wirklichkeitsferne” und Untätigkeit angesichts der aktuellen Krise auf dem Milchmarkt vor.
„Misere lediglich temporär”
Für das Thünen-Institut ist die derzeitige Misere auf dem
Milchmarkt lediglich temporär. In ihrem Bericht „Thünen-Baseline
2015–2025: Agrarökonomische Projektionen für Deutschland” sprechen die
Wissenschaftler von einer „momentanen Konsolidierungsphase nach
Auslaufen der Quotenregelung”. Langfristig kämen jedoch die günstigen
Aussichten auf den internationalen Märkten zum Tragen. In Deutschland
dürfte laut Thünen-Bericht die steigende Nachfrage nach Käse und
Milchpulver in den nächsten Jahren anhalten. Gleichzeitig werde die
Nachfrage nach Trinkmilch stagnieren, während der Verbrauch von Butter
weiter zurückgehe.
Die Forschungseinrichtung des Bundesministeriums für Ernährung und
Landwirtschaft (BMEL) erwartet aufgrund steigender Milchpreise und des
Auslaufens der Milchquotenregelung eine Ausdehnung der Milcherzeugung
hierzulande in den nächsten zehn Jahren, und zwar auf rund 37 Millionen
Tonnen. Dies würde gegenüber dem Referenzzeitraum 2009 bis 2011 einen
Zuwachs um nahezu ein Viertel bedeuten. Fortsetzen wird sich den
Modellrechnungen der Ökonomen zufolge die regionale Konzentration der
Milchproduktion im Bundesgebiet. Überdurchschnittlich wachsen wird die
Milchproduktion demnach in den Küstenregionen, am Niederrhein, in
einigen Mittelgebirgslagen sowie im Allgäu und im Voralpenland.
Stabile Einkommen erwartet
Das Thünen-Institut geht für die kommenden Jahre insgesamt von
stabilen Betriebseinkommen in der Landwirtschaft aus. Laut den
Projektionen der Thünen-Baseline liegen die Einkommen je Arbeitskraft in
den kommenden zehn Jahren im Schnitt über dem mittleren Niveau des
vergangenen Jahrzehnts. Allerdings weisen die Modellrechnungen deutliche
Unterschiede zwischen den Betriebsformen aus.
In Ackerbaubetrieben soll sich demnach das Einkommen auf dem Niveau des
Basiszeitraums 2009 bis 2011 stabilisieren. Nicht ganz erreicht werde
allerdings das Niveau der Wirtschaftsjahre 2012/13 und 2013/14. Der
deutliche Rückgang der realen Schweinefleischpreise dämpft den
Modellrechnungen zufolge die Einkommen in den Gemischt- und
Veredlungsbetrieben. Allerdings profitierten diese Betriebe von
steigenden Geflügelfleischpreisen, vergleichsweise preiswerter Energie
und günstigen Importfuttermitteln sowie den Änderungen bei den
Direktzahlungen im Rahmen der jüngsten EU-Agrarreform. Gegenüber dem
Basiszeitraum weisen die Projektionen einen Einkommensanstieg um elf
Prozent in den Gemischt- und um 16 Prozent in den Veredlungsbetrieben
aus.
Blick auf Fleisch und Getreide
Laut Thünen-Institut wird die Produktion von
Schweinefleisch in Deutschland bis 2025 um vier Prozent und die von
Geflügelfleisch um 20 Prozent steigen. Aufgrund zunehmender
Umweltauflagen sei jedoch davon auszugehen, dass sich der
Produktionszuwachs abschwächen werde. Die Rindfleischerzeugung nehme in
den kommenden Jahren leicht ab und erreiche 2025 rund 1,1 Millionen
Tonnen.
Wie aus den Projektionen der Thünen-Wissenschaftler außerdem
hervorgeht, dürften extensive Getreidearten in den kommenden Jahren
zugunsten der Weizenproduktion an Bedeutung verlieren. Bei kaum
verändertem Anbauumfang werde die Getreideerzeugung in Deutschland bis
2025 im Vergleich zum Basiszeitraum um rund 13 Prozent steigen. Die
Ölsaatenerzeugung wird dem TI zufolge aufgrund von Ertragszuwächsen
trotz deutlicher Einschränkung der Anbauflächen nahezu konstant
bleiben. Aufgrund der hohen Wettbewerbsfähigkeit von Energiemais für
die Biogaserzeugung nehme dessen Anbau zu.
Die Wissenschaftler betonen, dass ihre Baseline 2015 bis 2025 keine
Prognose der Zukunft darstelle. Beschrieben würden vielmehr zu
erwartende Entwicklungen, die unter bestimmten politischen und
ökonomischen Annahmen einträten.
Das TI geht dabei von einer Beibehaltung der derzeitigen Agrarpolitik
und einer Umsetzung der bereits beschlossenen Maßnahmen insbesondere im
Rahmen der jüngsten Reform
der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) aus. Hinsichtlich der
weltwirtschaftlichen Entwicklung liegen den Projektionen die Daten und
Informationen zugrunde, die im Juli 2015 vorlagen.
Bauernverband fordert vom Handel Trendwende
Eine Trendwende bei den Milchpreisen fordert der Deutsche Bauernverband (DBV) vom Lebensmitteleinzelhandel. In der entscheidenden Verhandlungsphase über die Preise von Käse, Trinkmilch und einigen weiteren Molkereiprodukten müsse der Handel seine Verantwortung für eine nachhaltige Landwirtschaft in Deutschland wahrnehmen, erklärte der Bauernverband am 31. März in Berlin. Notwendig sei ein kurzfristig wirksamer Aktionsplan zur Unterstützung der Landwirte, der von den Handelsunternehmen gemeinsam mit den Landwirten und den Molkereien umzusetzen sei.
Erneut verwies der DBV auf die existenzbedrohende Situation vieler Milchviehbetriebe. Erzeugerpreise im Bereich von 25 Cent/kg, wie sie in etlichen Regionen Deutschlands zu verzeichnen seien, deckten die Kosten der Milchproduktion bei weitem nicht mehr. Den Vermarktern und dem Handel wirft der Bauernverband vor, sie hätten die aufgrund von globalen Marktentwicklungen und politischen Krisen entstandene Preismisere dazu genutzt, Lebensmittel zu Niedrigstpreisen anzubieten. Zudem seien die Vermarktungsspannen in den letzten Monaten deutlich zu Lasten der Milchbauern ausgeweitet worden.
Der Bauernverband wirft den Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels vor, ihr Umgang mit ihren Lieferanten widerspreche den eigenen Nachhaltigkeitszielen. Eine fortlaufende Erhöhung von Standards verlange eine adäquate Berücksichtigung bei den Erzeugerpreisen, betonte der DBV.