Pflanzenbau | 11. Dezember 2014

Wie sich die Bayern forstlich organisiert haben

Von Johann Koch
Ausgelöst durch den Kartellamtsentscheid steht eine Strukturreform im Forst in Baden-Württemberg bevor. In solchen Zeiten ist der Blick über den Tellerrand sinnvoll. Johann Koch, Referent für Bauernwald und Jagd im Bayerischen Bauernverband, zeigt die Strukturen in Bayern auf.
Die bayerischen Forstzusammenschlüsse  können Waldbesitzer heute professionell beim Bewirtschaften unterstützen.
 
Die Forstzusammenschlüsse sind eine tragende Säule des Privatwaldes sowie des gesamten Clusters Forst und Holz in Bayern. Mit dem Waldpakt 2020 wurde zwischen der Regierung und den Vertretern des Privatwaldes die  Stärkung dieser Selbsthilfeeinrichtungen  vereinbart. Baden-Württemberg muss aufgrund der vom Bundeskartellamt erzwungenen Strukturreform seinen neuen, eigenen Weg zur Unterstützung des Privatwaldes noch finden. Vielleicht kann die Beschreibung der Situation in Bayern, trotz der Unterschiede in Historie und Struktur beider Bundesländer, den einen oder anderen Gedankenanstoß geben.
Waldpakt 2020
Neben „Schützen durch Nützen auf ganzer Waldfläche” lautet die zweite Kernbotschaft des Waldpaktes 2020: Die Forstzusammenschlüsse sind unverzichtbar, um flächendeckend eine nachhaltige Forstwirtschaft  weiterführen zu können. Dabei wird auf den Klein- und Kleinstprivatwaldbesitz  besonderes Augenmerk gelegt. Die  Staatsregierung spricht sich  für die Stärkung und Förderung der Forstwirtschaftlichen Zusammenschlüsse aus. Im Gegenzug werden  Forstzusammenschlüsse den Aufbau effizienter  Strukturen fortsetzen. Dieser forstpolitische Erfolg war nur durch das enge Zusammenwirken des Bayerischen Bauernverbandes, Bayerischen Waldbesitzerverbandes und der Forstzusammenschlüsse sowie das über Jahrzehnte gewachsene Vertrauensverhältnis zwischen Staatsregierung und Waldbesitz möglich. Der Waldpakt 2020, der  im August 2013 unterzeichnet wurde, ist die Fortschreibung des im Zuge der Forstreform 2004 erstmals zwischen Staatsregierung, Bauernverband und Waldbesitzerverband geschlossenen Waldpaktes. Den gesamten Text finden Sie unter www.bayerischerbauernverband.de/waldtag-2013.
Der Waldbesitz in Bayern ist  sehr kleinteilig strukturiert.  Die bäuerlichen Waldbesitzer erkannten deshalb  früh die Vorteile der Zusammenarbeit in Selbsthilfeorganisationen. Die ersten Forstbetriebsgemeinschaften (FBG), auch Waldbauern- oder Waldbesitzervereinigungen genannt, wurden  in den 1950er-Jahren gegründet. Ziel war und ist es, die strukturbedingten Nachteile der Bewirtschaftung, des Betriebsmitteleinkaufes und der Holzvermarktung auszugleichen.
1969 verabschiedete die Bundesregierung dazu ein Gesetz. Infolgedessen kam es in Bayern zu einer  Gründungswelle. In der Gründungsphase führten oft Mitarbeiter der Staatsforstverwaltung oder des Bauernverbandes die Geschäfte. Heute sind die FBGen selbstständig, vereinzelt bestehen noch Geschäftsbesorgungsverträge mit dem Bauernverband.
Aktuell sind über 157 000 Waldbesitzer mit rund  1,3 Mio. Hektar in 136 Forstbetriebsgemeinschaften (FBG) und sieben Forstwirtschaftlichen Vereinigungen (FV) zusammengeschlossen. Ursprünglich waren die FBGen auf der Ebene
der (Alt-)Landkreise organisiert, mittlerweile kam es jedoch wiederholt zu Fusionen.  Verbandspolitisch sind die Selbsthilfeorganisationen eng an den Landes-
ausschuss der forstwirtschaftlichen Zusammenschlüsse im Bayerischen Bauernverband angegliedert. Oft sind sie auch Mitglied im Waldbesitzerverband.
1157 Mitglieder im Durchschnitt
Durchschnittlich hatte  2013 eine bayerische FBG 1157 Mitglieder mit einer Waldfläche von 9533 Hektar und vermarktete eine Menge von 27 351 fm. Dabei ist die Bandbreite jedoch groß. Interessant ist  die Tatsache, dass die Forstzusammenschlüsse regelmäßig höhere Erlöse erzielen als der Staatsforstbetrieb. Dies ist mit den unterschiedlichen Strukturen und den daraus zwangsläufig resultierenden unterschiedlichen Vermarktungsstrategien zu begründen. Antrieb der Entwicklung der FBGen waren stets die  emotionale Bindung an den eigenen Wald und das  Streben der Waldbesitzer, das Eigentum  möglichst im Wert gesteigert an die Nachkommen weiterzugeben. Heute sind die Motive vielfältiger, denn auch die Waldbesitzer werden vielfältiger. Die Zahl der Waldbesitzer, die aus der Landwirtschaft stammen, nimmt aufgrund des Strukturwandels beständig ab, und damit auch die Fähigkeit, den Wald selbst  zu pflegen. Zudem wächst die Zahl der Waldbesitzerinnen. Aufgrund Erbteilung nimmt  die Zahl der Waldbesitzer täglich zu.
Aber auch die Strukturen auf den Märkten haben sich deutlich verändert. Die Holzindustrie hat in den letzten zehn Jahren massiv ihre Kapazitäten in Bayern ausgebaut. Das Marktgewicht drohte, sich einseitig  zum Nachteil der Waldbesitzer zu verschieben.
Auf diese strukturellen Veränderungen müssen die FBGen mit einer weiteren Professionalisierung reagieren. Stand in der Gründungsphase häufig der gemeinsame Einkauf von Material wie beispielsweise von Baumschulpflanzen, Zäunen oder Werkzeug im Vordergrund, so sind die FBGen heute immer mehr professionelle Dienstleister für den Kleinprivatwald. Die Bündelung des Rohholzangebotes sowie die Vermarktung des Holzes im Auftrag und auf Rechnung der Mitglieder oder auch im Eigengeschäft sind derzeit die wichtigsten finanziell tragenden Säulen.
Weitere Dienstleistungen
Mit Hilfe der neuen Förderrichtlinien sollen weitere Dienstleistungen angeschoben werden, wie etwa die Waldpflegeverträge oder die Fortbildung der Mitglieder. Letzteres geschieht in der Regel in enger Abstimmung mit der Forstverwaltung und deren tatkräftiger Unterstützung. Forstpolitisch sind die staatlichen Zuschüsse  verknüpft mit der Zusage der FBGen, sich um jeden Waldbesitzer zu kümmern, hat er auch noch so wenig Wald. Hier heben sich die FBGen maßgeblich von anderen forstlichen Dienstleistern ab. Die FBGen finanzieren sich aus mehreren Töpfen, die von FBG zu FBG unterschiedlich gewichtet sind. Einnahmen werden erzielt aus den Mitgliedsbeiträgen, den Entgelten für Dienstleistungen und staatlichen Fördermitteln. Sofern die FBG es wünscht, wird ihr ein Berater zeitlich befristet seitens der Forstverwaltung zur Verfügung gestellt, der bei der strategischen Weiterentwicklung der FBG Hilfestellung leisten soll.
Forstreform 2004
Die Zusammenarbeit zwischen staatlicher Forstverwaltung und den Waldbesitzern und ihren Organisationen war stets  eng. Forstpolitisches Ziel waren von Beginn an eigenverantwortlich  wirtschaftende Waldbesitzer. Die „Hilfe zur Selbsthilfe” war bereits bei der Gründung des Vereins Bayerische Waldbauernschule 1956 durch den Waldbesitzerverband und Bauernverband der tragende Gedanke.  Angetrieben durch mehrere Großkalamitäten sowie die sich ändernden Strukturen in der Säge-, Holz- und Papierindustrie haben sich die FBGen zum unverzichtbaren Partner der Waldbesitzer entwickelt.
 Eine weitere Zäsur bedeutete die Forstreform 2004. Die Einheitsverwaltung wurde aufgeteilt in die Forstverwaltung und den Betrieb, die Bayerischen Staatsforsten. Die Forstämter wurden integraler Bestandteil der Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und sind bis heute direkt dem Forstministerium angegliedert. Die Verunsicherung seitens der Mitarbeiter der Staatsforstverwaltung war aufgrund des geplanten massiven Stellenabbaus groß.
Aber auch die Waldbesitzer hatten große Bedenken, dass die Reform nicht zuletzt auch zu ihren Lasten gehen könnte. Aus der Sicht der Waldbesitzer wurde dann der Knoten mit der Unterzeichnung des Waldpaktes 2004 zwischen Staatsregierung und Privatwald durchschlagen. Darin sicherte die Staatsregierung insbesondere die Fortführung der flächendeckenden gemeinwohlorientierten Beratung der Waldbesitzer durch Revierleiter vor Ort und der forstlichen Förderung sowie die Stärkung der Forstzusammenschlüsse zu.
Die Bilanz der Forstreform 2004 ist für den Privatwald positiv. Die Reform löste eine  Professionalisierungswelle bei den FBGen aus. Sie haben so viele Mitarbeiter und Mitglieder wie noch nie. So stehen bei den Forstzusammenschlüssen 580 Personen in Lohn und Brot, wovon 256 forstlich ausgebildet sind. 324 Fachkräfte mit anderer Berufsausbildung (kaufmännisches Fachpersonal, Bürofachkräfte, Landwirte) unterstützen sie. Getragen werden die Selbsthilfeorganisationen von 1345 Ehrenamtsträgern. Damit ist die Anzahl von forstlich qualifizierten Mitarbeitern in den Forstzusammenschlüssen und der Forstverwaltung höher als vor der Reform 2004! Eine bislang bundesweit einzigartige Entwicklung.
Neben der Säule der Beratung durch die staatlichen Revierleiter wurde zusätzlich eine zweite Säule durch die Forstzusammenschlüsse aufgebaut. Dies führte zu einem Aufschwung der gesamten Branche, insbesondere aufgrund einer besseren Einbindung und Aktivierung des Kleinprivatwaldes. In diesem Zusammenhang ist es auch gelungen, den Wald als wichtiges Wirtschaftsgut ländlicher Räume  verstärkt in das Bewusstsein  zu rücken.
Die Forstzusammenschlüsse haben die Chance, die ihnen die Forstreform geboten hat, ergriffen. Sie haben professionelle Strukturen eigenverantwortlich, aber auch mit Unterstützung des Freistaates Bayern, insbesondere der Forstverwaltung, aufgebaut. So konnten sie die Mitte des letzten Jahrzehnts rapide steigende Nachfrage nach Rohholz seitens der neu aufgebauten Kapazitäten der Holzindustrie zum Vorteil ihrer Mitglieder nutzen.
Die Aufgliederung in Verwaltung und Betrieb hat den positiven Effekt, dass sich die Forstverwaltung auf die Beratung des Privatwaldes und die Zusammenarbeit mit den FBGen fokussieren kann. Ein  gewisser Nachteil ist jedoch, dass die staatlichen Berater immer weniger auf eigene Betriebserfahrung zurückgreifen können.
In Bayern stellen wir fest, dass Forstverwaltung und Privatwald nach der Reform enger zusammengerückt sind. Das spiegelt sich auf verschiedenste Art und Weise wider. So wird beispielsweise bei Sammeldurchforstungen Hand in Hand gearbeitet. Die Forstverwaltung macht die waldbauliche Beratung bis hin zum Auszeichnen von Probeflächen, die FBG organisiert die Durchforstung und führt sie durch, vom Auszeichnen der gesamten Fläche über den Unternehmereinsatz, die Holzaufnahme, die Holzabfuhr bis zur Abrechnung mit dem Sägewerk. Auch weisen die forstlichen Berater bisher nicht organisierte Waldbesitzer fachlich neutral auf die Vorteile der Mitgliedschaft in einer FBG hin.
Einigkeit zwischen Privatwald und Politik besteht in dem Ziel, dass die Wälder auch künftig flächendeckend  bewirtschaftet werden sollen. Deshalb  sollen passive Waldbesitzer motiviert werden, sich   um ihren Wald zu kümmern. Die Ansprache  passiver Waldbesitzer erfolgt durch die staatlichen Berater. Die FBGen können von dieser Beratung dann profitieren, wenn sie den Auftrag für die Durchführung der forstwirtschaftlichen Maßnahmen erhalten.
Nicht erlaubt
Eine direkte Empfehlung an die FBGen ist aus wettbewerbsrechtlichen Gründen nicht erlaubt. Die Selbsthilfeeinrichtungen besitzen jedoch hohes Vertrauen der Waldbesitzer und brauchen aufgrund ihrer Professionalität den Wettbewerb mit Forstunternehmern nicht zu scheuen.
Im Rahmen des Bildungsprogramms Wald (BiWa) bindet die Forstverwaltung die FBGen regelmäßig in die Fortbildungsmaßnahmen für die Waldbesitzer ein. Besonders eng ist die Zusammenarbeit in der Bayerischen Waldbauernschule. Die  alljährlich durchgeführte Informationstagung für Forstzusammenschlüsse ist eine gemeinsame Veranstaltung der Verbände mit der Forstverwaltung. Sie ist organisiert vom Verein Bayerische Waldbauernschule, einer  Fortbildungseinrichtung in der  Trägerschaft von Freistaat, Bauernverband und Waldbesitzerverband. Viele Forstzusammenschlüsse sind Mitglied des Schulvereins.
Sicherlich gibt es auch in Bayern zwischen Forstverwaltung und Privatwald unterschiedliche Auffassungen oder Gewichtungen zu bestimmten Themen. Durch die konstruktive Auseinandersetzung  konnten bislang immer wieder Lösungen gefunden werden, die von beiden Seiten mitgetragen wurden. Daraus resultierte letztendlich eine Stärkung der gesamten Forstwirtschaft.
Das Cluster Forst und Holz ist eines der führenden Cluster in Bayern und braucht den Vergleich mit der Automobilindustrie oder dem Maschinenbau nicht zu scheuen. Aktive, eigenverantwortlich entscheidende Waldbesitzer und ein Privatwald mit professionell geführten Selbsthilfeeinrichtungen bedeuten auch eine Stärkung der Forstverwaltung. Der Schmerz, der mit unabwendbaren Veränderungen einhergeht, sollte den Blick auf Chancen nicht trüben.
Der einzige Rat, den ich mir aus Bayern erlaube, lautet: Suchen Sie weiterhin die Zusammenarbeit zwischen Forstverwaltung und privatem und kommunalem Waldbesitz. Setzen Sie auf gegenseitiges Vertrauen und vermeiden Sie unproduktive, lähmende Neiddiskussionen. Denn nur gemeinsam wird das politische Gewicht erhalten. Viele Ängste und Befürchtungen aus dem Reformjahr 2004 haben sich in der Nachbetrachtung als völlig unberechtigt herausgestellt. Die Ergebnisse der BWI III bestätigen zudem, dass der eingeschlagene Weg in Bayern nicht zu Lasten der Wälder gegangen ist.