Betrieb und Wirtschaft | 23. März 2016

Wie die jungen Kunden ticken

Von Birgit Jacquemin
Sind jüngere Kunden eine Zielgruppe für Hofläden? Was sind ihre Besonderheiten und wie kann man sie erreichen? Birgit Jacquemin von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen hat sich ausgehend von den Ergebnissen einer Befragung zu diesen Fragen Gedanken gemacht.
Wer von jungen Kunden spricht, stellt schnell fest, dass dies eine sehr heterogene Altersgruppe ist. Denn in einem vergleichsweise kurzen Zeitabschnitt durchlaufen die 18- bis 30-Jährigen verschiedene Lebensphasen. So begleiten der erste eigene Haushalt, der Beginn einer Ausbildung und die berufliche und private Orientierungsphase das junge Erwachsenenalter. Diese Phase kann sich über das Single-Dasein, die junge Partnerschaft bis zur Familiengründung und Etablierung der ersten Familienbande erstrecken. Der Wechsel der jeweiligen Lebensphase verändert den Lebensstil. Davon betroffen sind das Freizeit- und Einkaufsverhalten und die Ernährungsgewohnheiten. Daher werden die Kaufentscheidungen für Lebensmittel von unterschiedlichen Rahmenbedingungen beeinflusst. Dazu zählen unter anderem das verfügbare Einkommen, der Bildungsgrad, der Familienstand und die soziale Gemeinschaft, in der der junge Mensch lebt. Außerdem sind die Vorerfahrungen aus der Herkunftsfamilie und die Haushaltskompetenzen, die die Jungen in der eigenen Familie erlernt haben, wichtige Kriterien. Junge Frauen setzen sich beim Einkaufen mit Ernährungsfragen intensiver auseinander. Gesunde Lebensmittel, die nicht dick machen, sind ihnen wichtig, während junge Männer genussorientierter entscheiden.
Kaufbarrieren
Wenn man gezielt junge Kunden gewinnen will, muss das Sortiment in Aufmachung, Gebindegröße und Verarbeitungsstufe passen.
Im Rahmen einer Masterarbeit an der Hochschule Münster, die sich mit der Analyse von Kaufbarrieren befasst, wurden im vergangenen Jahr junge, alleinlebende Menschen im Alter zwischen 18 und 34 Jahren gefragt: „Was hindert Sie daran, im Hofladen einzukaufen?”
203 vorwiegend weibliche Teilnehmer antworteten auf die Befragung. Die jungen Erwachsenen geben an, das Hofladenkonzept zu kennen, aber dort seltener als einmal im Monat einzukaufen. „Ich weiß nicht, wo ich den nächsten Hofladen finden kann”, so ist zu erfahren (29 Prozent der Nennungen).
Eine weitere Kaufbarriere stellt die Entfernung zum Hofladen dar. „Der Weg zum nächsten Hofladen ist mir zu weit beziehungsweise zu umständlich”, so die Rückmeldung (52 Prozent der Nennungen). Laut einer Umfrage des Allensbach-Institutes fühlen sich die unter 30-Jährigen jungen Menschen in ihrem momentanen Nahbereich sehr gebunden, obwohl sie aufgrund von Ausbildung, Beruf und Familiengründung mobil sind. 88 Prozent von ihnen leben gerne in ihrem Wohnumfeld und sie gehen noch am ehesten in ihrem Wohnort Lebensmittel einkaufen. So haben es Hofläden, die außerhalb des Nahbereichs liegen, nicht leicht, junge Käufer zu gewinnen.
Heutzutage ist das Einkaufsverhalten stark von Zeitmangel bestimmt. Denn Beschäftigte arbeiten meist länger und flexibler als früher. Oft müssen lange Anfahrtswege zur Arbeit in Kauf genommen werden. Außerdem sind angehende Mütter heute höher qualifiziert und stärker auf eine Berufstätigkeit hin orientiert, so dass der Lebensmitteleinkauf schnell und effizient erledigt werden will. Das haben viele Vermarkter bereits erkannt.
Daher mangelt es weder dem Lebensmitteleinzelhandel noch der Systemgastronomie an Angeboten und Ideen, um jungen Menschen in jeder Lebenssituation genau die richtige Lösung anzubieten. Die beiden Lebensmittel-Einzelhandelsunternehmen  Edeka und Rewe haben innovative Konzepte entwickelt. Edeka Deli bietet bis zu vierzig verschiedene Frischegerichte zum Mitnehmen. Rewe präsentiert in hochfrequentierten Citylagen das Konzept Rewe to go. Außerdem bietet der gesamte  Lebensmitteleinzelhandel mit langen Öffnungszeiten bis zwanzig Uhr und darüber hinaus einen besonderen Kundenservice, den junge Käufer gerne nutzen.
Das Bäckerei- und Fleischereihandwerk erkennt ebenfalls die Bedürfnisse. Auf das Volk der Snacker warten leckere Gerichte aus der Heißtheke oder eine Vielfalt an belegten Brötchen. Zu guter Letzt liefern Bringdienste für Pizza, Sushi & Co. schnell online bestelltes Essen zur jeder beliebigen Wunschadresse. So bleibt festzustellen: Noch nie war es für unsere Gesellschaft so leicht, sich jederzeit und überall mit Essen zu versorgen. Die Ernährungsstudie der Techniker Krankenkasse bestätigt diesen Trend. In ihrer Studie „Iss was Deutschland” ist zu lesen: „Junge Erwachsene kaufen ihre Mahlzeit überdurchschnittlich häufig im Imbiss. Jeder fünfte der unter 35-Jährigen gibt an, ein- bis zweimal die Woche Burger, Pommes oder Currywurst zu essen. Das sind fast doppelt so viele Imbissbesuche wie in der übrigen Bevölkerung.”
Soziales Netzwerk fehlt
Zeitmangel wird immer wieder als Grund genannt, weshalb junge Menschen selbst nicht häufiger kochen. Die Berufstätigen unter ihnen schränken das Kochen ebenfalls stark ein. Sie nutzen lieber ein- bis zweimal pro Woche Tiefkühlprodukte, statt Kartoffeln zu schälen oder Frischgemüse zu verarbeiten. Außerdem fehlt in vielen Ein- oder Zweipersonenhaushalten das soziale Netzwerk, um das Essen in Gemeinschaft zu erleben. So kommt die Umfrage der Techniker Krankenkasse zu dieser Aussage: „Vier von zehn setzen sich dann nicht an den Tisch, sondern nehmen den Nudelteller mit aufs Sofa.”
Direktvermarkter sind unmittelbar von der Veränderung dieser Lebensumstände betroffen. Die erntefrischen, unverarbeiteten Urprodukte, die es im Hofladen zu kaufen gibt, müssen verarbeitet und schmackhaft zubereitet werden. Traditionell geschieht die Verarbeitung in der eigenen Küche, gegessen wird am Mittagstisch oder am Abend.
 Kinder und Jugendliche unter 20 Jahren sowie junge Erwachsene zwischen 20 und 29 Jahren leben zunehmend weniger in traditionellen Familienstrukturen. 2011 wurden 34 Prozent der Neugeborenen von nichtverheirateten Frauen zur Welt gebracht. Darüber hinaus schätzen Sozialwissenschaftler, dass etwa elf Prozent der Kinder unter 18 Jahren in Patchwork-Familien leben. Die Frauen in Patchwork-Familien sind laut Bundesfamilienministerium im Vergleich zu den Müttern in den klassischen Kernfamilien häufiger in Vollzeit berufstätig.
Das Phänomen der sich verändernden Familien- und Haushaltsstrukturen wirkt sich unweigerlich auf das Ernährungs- und Einkaufsverhalten aus. Zwangsläufig nehmen die Schul- und Außerhausverpflegung für Mittagsmahlzeiten zu. Außerdem werden Kochkenntnisse zunehmend weniger in der Familie weitergegeben. Dadurch gehen Haushaltswissen und wesentliche Haushaltskompetenzen verloren, denn der Alltag in den modernen Familienstrukturen lässt kaum Zeit dazu. Zwangsläufig gehen Produktwissen und Sortimentskenntnisse bei den heranwachsenden Kundengruppen zurück. So entwickelt sich eine Informationslücke zu den urtypischen Produkten vom Hof, zur Verarbeitung und zur sachgerechten Lagerung für Zuhause. Denn alles, was die Generation nicht weitergibt, geht verloren.
Junge Menschen, aber auch Ältere, die in kleinen Ein- und Zwei-Personen-Haushalten leben, schätzen Bequemlichkeit und Entlastung. Daher setzen sie gerne auf Convenience-Angebote, die als Mehrwert Komfort und Zeitersparnis bieten. Daher sind diese Produkte gefragt. Für die „Essenszubereitung ohne Aufwand” ergeben sich zwei Themenfelder:
Bequem und zeitsparend einkaufen, wie zum Beispiel halbfertige oder vorgefertigte Speisen, Suppen, Tiefkühl- oder Mikrowellengerichte (Ready-to-cook-Produkte).
Lieferdienste (Home Delivery) von Lebensmitteln oder Fertiggerichtlieferungen, die zunehmend in Anspruch genommen werden. Die Kommunikation zwischen Anbieter und Kunden läuft über Online-Portale oder eine Liefer-App. Das bargeldlose Zahlen  per PayPal, Kreditkarte oder Sofortüberweisung ist kinderleicht. So verlagert sich die Kommunikation zunehmend in die Online-Welt, eng begleitet von Smartphones, die uns das Alltagsleben erleichtern.
Das fortschreitende digitale Zeitalter führt zu einem Wandel, auch in der Kundenkommunikation. Schon jetzt ist bekannt, dass sich Medienverhalten verändert. Dabei nutzen junge Menschen zunehmend andere Kommunikationskanäle. Statt Zeitung zu lesen, schauen sie ins Netz. Das belegt die aktuelle, repräsentative Umfrage „Lokale Welten”,  durchgeführt vom Institut für Demoskopie, Allensbach. Auf die Frage: „Wo finden Sie Einkaufstipps und Sonderangebote?” sagen 65 Prozent der über 60-Jährigen: „In der regionalen Tageszeitung.” Demgegenüber nutzen nur noch 35 Prozent der 16- bis 29-Jährigen das regionale Printmedium. Stattdessen wird auf Internetseiten gezielt nach den gewünschten Produkten gesucht. Selbst Kochbücher untermauern diesen Trend. Unzählige Rezeptdatenbanken, die im Netz zu finden sind, machen den gedruckten Rezeptbüchern Konkurrenz. Selbst lesen muss man sie nicht mehr. Denn auf dem Videokanal You tube können Kochanfänger gucken, wie es geht.
Konzept auf die Altersgruppe zuschneiden
Hofladenbetreiber, die den Kundenkreis „Junge Kunden” erschließen wollen, stehen vor Herausforderungen. Zunächst ist zu klären, ob diese Altersgruppe im betrieblichen Einzugsgebiet überhaupt vorhanden ist. Denn neben dem Altern der Gesellschaft setzt sich  dieser Trend generell fort: Städtische Regionen wachsen und ziehen junge Menschen an, während der ländliche Raum verliert. Daher müssen sich Direktvermarkter sehr genau mit ihren Standortbedingungen auseinandersetzen, um das Vermarktungskonzept inhaltlich und optisch auf die jeweilige Altersgruppe im Einzugsgebiet zuzuschneiden.
 Darüber hinaus gilt es die Bedürfnisse der Jungen zu treffen. Das hat unweigerlich Auswirkungen auf die Hofladensortimente, die Gebindegrößen, die Verarbeitungsstufen und das Erscheinungsbild von Verpackungen und der Aufmachung des Hofladens. Denn als Erfolgsformel ist ein zielgruppengerechtes Marketing im Marktauftritt wichtiger denn je.