Bei der Bewältigung des Engerlingbefalls und seiner Folgen gibt es keine einfachen Lösungen. Dafür gibt es Forschungsbedarf und bei den einzelnen Landwirten kann sich die Bekämpfung dieser Schädlinge weit über ein Jahr hinziehen. Das zeigte sich bei einem Vor-Ort-Termin des BLHV in Biberach-Prinzbach.
In Prinzbach war der Boden noch so warm, dass im Beisein von Minister Peter Hauk unter der Grasnarbe mühelos Engerlinge freigelegt werden konnten. Man musste nur leicht unter den ergrauten Stellen der Wiese scharren.
Das Ausmaß der direkten und indirekten Engerling-Schädigungen ist hoch, die Bekämpfung teuer. Sie wird zudem in der Agrarverwaltung neue und schwierige Grundsatzentscheidungen erfordern. Auch die Feststellung des einzelbetrieblichen Schadumfanges ist nicht einfach. Nach neuesten Erkenntnissen liegt allein im Regierungsbezirk Freiburg der Umfang der Schadflächen jetzt bei 1500 Hektar, weit mehr als im Ministerium bisher vermutet.
Die Schadensbeurteilung erfordert Expertenwissen: Zu den geschädigten Arealen einer Wiese gehören nicht nur die abgestorbenen, braunen Areale. Auch Bereiche, die noch grün und intakt erscheinen, können bereits unter der Narbe gefräßige Larven haben, die das Wurzelwerk zunehmend dezimieren. Für die Bearbeitung per Schlepper und (Injektions-)Gerät bedeutet das auch eine Gefahr: Je nach Steilheit der Engerlingflächen verliert die Grasnarbe an Griffigkeit und wird für den Fahrer zu einem Risiko für Abrutschungen. Nach Angaben der Österreichischen Bauernzeitung ist deshalb ab 2018 in dem Nachbarland die Zahl der tödlichen Traktorunfälle drastisch gestiegen.
In Prinzbach verwiesen sowohl Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Peter Hauk als auch Grünlandexperte Professor Martin Elsäßer auf die Erfahrungen, die in Österreich seit einigen Jahren mit dem Massenauftreten von Engerlingen im Grünland gewonnen wurden. Zuletzt waren dort 35000 ha befallen.
Martin Elsäßer spricht jetzt von einer schwierigen Lage für Baden-Württembergs Mittelgebirgslandwirte, „weil viel zusammenkommt.” Unabhängig von der Schädlingssituation wurde wegen der Trockenheit vielerorts nur die Hälfte der normalen Grünmasse geerntet. Die Engerling-Bedrohungslage wird laut Elsäßer durch den Klimawandel weiter gefördert. Milde Bodentemperaturen begünstigen den Befall ebenso wie kurze Graslängen und krautig-lückige Bestände. Hinzu kommt ein rückläufiges Angebot an Bodennährstoffen, insbesondere bei Bio-Betrieben mit einem Streben nach weiterer Biodiversität. Laut Elsäßer aber „muss das nicht zwingend so sein”, denn auch der Ertrag sei wichtig, besonders wenn auf dem Hof die Futterreserven knapp sind.
Das Land hilft mit 160000 Euro
Zusammen mit der Bekämpfung der Engerlinge komme die
allgemeine Anpassung des Grünlands an den Klimawandel. Der Fachmann
forderte den Einsatz von widerstandfähigen Gräsern, nannte Knaulgras und
Rotschwingel, ebenso auch Rot- und Weißklee. Zur weiteren Klärung der
Einsaat- und Bekämpfungsfragen wurde ein Arbeitskreis mit Experten des
LTZ und des LZBW Aulendorf gegründet. Gemeinsam mit österreichischer
Erfahrung werden ab 2021 Demonstrationsversuche mit unterschiedlichen
Bekämpfungsstrategien angelegt. Laut einer Pressemitteilung des
Stuttgarter Landwirtschaftsministeriums wurden dafür 160000 Euro
bereitgestellt, davon 60000 Euro für die Forschung. Der Rest ist für
Landwirte gedacht, in Form von Hilfen mit 150 bis 250 Euro/ha zur
Wiederherstellung geschädigter Bestände. Dafür sollen sie sich am
Monitoring rund um die Mai-/Junikäfer beteiligen, um deren Flugtermine
und um die Entwicklung der Larvenschädigung genau zu erfassen. Jetzt
allerdings, mit dem aktuellen Ausmaß der Schadfläche, scheint sich die
Frage der Zuwendungen neu zu stellen. Beim Prinzbacher Ortstermin ließ
Minister Hauk das Thema unerwähnt. Die Presseabteilung des
Landwirtschaftsministeriums teilte auf BBZ-Anfrage mit, dass „eine
Anpassung des Budgets geprüft werden kann – wenn die Flächenermittlung
abgeschlossen ist”. Angemerkt wurde auch, dass eine Grünlandneueinsaat
„sicher nicht an allen Standorten möglich sein dürfte”. Als Beispiel
wurden Steilflächen genannt.
Die Versuche selbst werden sich auf Bekämpfungsmethoden konzentrieren,
die auf Basis von Pilzen oder Nematoden wirken und die Lebenszyklen der
Käfer und deren Larven berücksichtigen. In den Flugphasen sollte der
Aufwuchs widerstandfähig und genügend hoch sein.
Martin Elsäßer empfahl insbesondere den Bio-Betrieben eine Erweiterung
ihrer Bewirtschaftungsfläche, um das rückläufige Futteraufkommen
auszugleichen. Landwirtschaftsminister Peter Hauk stellte klar, dass die
Umstellung auf Bio in der Öffentlichkeit zwar gern gesehen werde, aber
letztlich eine Entscheidung des Betriebsleiters sei, die nach den
einzelbetrieblichen Gegebenheiten ausgerichtet sein müsse.
Entschädigungen für „höhere Gewalt”, das heißt für Engerlingbefall,
notwendigen Futterzukauf und für Aufwendungen zur Neuansaat, seien somit
nicht möglich.
Nach Einschätzung des Ministers aber ist es realistisch, dass es für
die Bekämpfung der Engerlinge mittels biologischer Pflanzenschutzmittel
zu Notfallzulassungen kommen wird, so wie es bereits in Österreich der
Fall ist. Nach den dortigen Erfahrungen zeigt sich die erhoffte Wirkung
oft erst im Folgejahr der Intervention, wobei gleichzeitig auch eine
Mindestfeuchtigkeit im Boden notwendig ist. Bei starkem Befall müsste
daher laut Elsäßer auch eine mechanische Bekämpfung eingesetzt werden
mit Fräse, Zinkenrotor oder Kreiselegge. Meist sind für die 5 bis 10 cm
tiefe Maßnahme zwei Durchgänge erforderlich. Erst ab Ende Mai könnte
damit begonnen werden kann, wenn die Larven von ihrem Winterquartier in
40 cm Tiefe nach oben gezogen sind, in den Wurzelbereich der Grasnarbe.
Verwaltungstechnisch gilt die mechanische Bekämpfung dann als Umbruch,
der behördlich genehmigt werden muss.
„Außerordentlich schwierige Situation”
Die befallenen, ergrauten Flecken der ehemals einheitlich grünen Wiese gaben Anlass zu spontaner Diskussion. Auch unter grünen Partien können schon Engerlinge sein. Im Bild von links: Simon Christ, Landwirtschaftsamt Offenburg; BLHV-Präsident Werner Räpple; Landwirt Paul Buchholz, Mühlenbach; Frank Scherer, Landrat Ortenaukreis; Landwirtschaftsminister Peter Hauk.
In Prinzbach sprach BLHV-Präsident
Werner Räpple von einer „außerordentlich schwierigen Situation für die
Landwirte”. Das „Korsett” aus Vorschriften und Verordnungen
müsste deshalb ein Stück weit gelöst werden, damit die
Mittelgebirgslandwirte auch weiter Vieh halten könnten. Ulrich Müller,
Mitveranstalter und Vorsitzender des BLHV-Kreisverbandes Wolfach, fügte
hinzu, dass die Bewirtschafter von FFH-Wiesen aus der Verantwortung für
die Zusammensetzung des Gräser- und Kräuterbestands auf diesen Flächen
ausgenommen werden müssten.
Minister Hauk zeigte dafür Verständnis und vermutete, dass unter dem
Einfluss des Klimawandels die Anzahl der FFH-Wiesen nicht so bleiben
werde. Es sagte deshalb in Prinzbach zu, sich für die Herausnahme der
Alleinverantwortlichkeit der Bewirtschafter von FFH-Flächen einzusetzen,
wenn es zu festgestellten Veränderungen in der Aufwuchszusammensetzung
kommt, die durch Klimaveränderungen ausgelöst wurden.
„Wir brauchen auch produzierende Bauern”
Auch Präsident Werner Räpple bekam eine
Minister-Zusage: Hauk betonte, dass der Grünlandanteil von landesweit 35
Prozent unbedingt erhalten bleiben müsse. Gleichzeitig aber versprach
er auch, für mehr Flexibilität zu kämpfen und für eine Modifikation des
landesweiten Umbruchverbotes. „Wir brauchen nicht nur eine vielfältige
Landschaft, sondern auch produzierende Bauern”, lautete seine
Begründung. Hauk sagte deshalb zu, dass er sich auf EU-Ebene für mehr
Flexibilität im Einsatz der De-minimis-Verordnung einsetzen werde. Sie
war ursprünglich aus Wettbewerbsgründen eingeführt worden. „Bei den
Hanglagen des Schwarzwaldes aber gibt es keinen Wettbewerb unter den
Landwirten mehr, deshalb ist De-minimis dort unsinnig”, fand der
Minister.