Betrieb und Wirtschaft | 31. März 2016

Wer Flüchtlingen Arbeit geben will, muss Geduld mitbringen

Von Dr. Thomas Winter
Welche Besonderheiten sind bei der Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften oder Flüchtlingen zu bedenken? Dieser Frage war der diesjährige Technikertag der Albert-Reis-Technikerschule in Sigmaringen gewidmet.
Harald Kriewe-Biechele von der Firma Berufliche Bildung gGmbH erläuterte die Rahmenbedingungen, die für die Beschäftigung von Flüchtlingen gelten. Er ist im Kreis Sigmaringen Ansprechpartner für das Projekt „PerF – Perspektive für Flüchtlinge”. Als Coach steht er für arbeitssuchende Flüchtlinge im Rahmen des Projekts beratend zur Verfügung. Das Projekt PerF wurde auf Initiative der Bundesagentur für Arbeit ins Leben gerufen. Zielgruppe sind Flüchtlinge und Asylsuchende mit einer hohen Bleibewahrscheinlichkeit und deutschen Sprachkenntnissen. Kriewe-Biechele unterstützt  Flüchtlinge bei der Arbeitssuche und ihrer Integration in den Arbeitsmarkt. So werden zu Beginn in einer vierwöchigen Seminarphase in mehreren Gesprächen die Interessen und Qualifikationen erfragt sowie Informationen über den deutschen Arbeitsmarkt vermittelt.
Ausländische Arbeitskräfte zu beschäftigen, kann für manche Betriebe eine Entlastung bringen.

Parallel dazu wird die Anerkennung der ausländischen Bildungs- und Berufsabschlüsse in die Wege geleitet. Aus seinen bisherigen Erfahrungen weiß er, dass neben hochqualifizierten Flüchtlingen auch Flüchtlinge mit sehr niedrigem Bildungsniveau in Deutschland Schutz suchen.
Es gilt drei verschiedene Fälle zu unterscheiden, was die Arbeitserlaubnis angeht:
Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten oder Flüchtlinge, die noch in den Erstaufnahmestellen oder den Landesaufnahmestellen wohnen, dürfen generell nicht in privatwirtschaftlichen Unternehmen beschäftigt werden.
Geduldete Asylbewerber, deren Asylantrag abgelehnt wurde, bei denen aber die Abschiebung ausgesetzt ist, dürfen frühestens drei Monate ab Duldung eine Beschäftigung oder eine Ausbildung aufnehmen. Es ist die Zustimmung der Ausländerbehörde sowie der Bundesagentur für Arbeit einzuholen. Das Gleiche gilt für Asylbewerber, über deren Asylantrag noch nicht entschieden wurde.
Anerkannte Asylbewerber erhalten eine Arbeitserlaubnis und dürfen eine Arbeits- bzw. Ausbildungsstelle sofort antreten. Eine Genehmigung der Ausländerbehörde zur Arbeitsaufnahme ist nicht erforderlich. Wer als Landwirt anerkannte Asylbewerber beschäftigt, kann eine finanzielle Unterstützung durch die Bundesagentur für Arbeit beantragen. Dafür stehen verschiedene Programme zur Verfügung. Ob die Voraussetzungen für eine Förderung gegeben sind, soll man am besten mit dem Arbeitgeber-Service der Agenturen für Arbeit vor Ort abklären. Insbesondere für Beschäftigungen mit dem Ziel, Flüchtlinge auf eine Ausbildung oder für die künftige Arbeitsstelle zu qualifizieren, stehen verschiedene Förderprogramme zur Verfügung. Nach Auskunft von Kriewe-Biechele muss für solche qualifizierenden Beschäftigungen auch kein Mindestlohn bezahlt werden. Über den Einsatz eines Flüchtlings als Arbeitskraft berichtete der Landwirtschaftsmeister Martin Neher aus Mengen. Er beschäftigte einen Asylbewerber aus Eritrea. Bis der Asylbewerber auf seinem Hof offiziell endlich arbeiten konnte, seien über drei Monate vergangen, weil zuerst das Jobcenter überprüfen musste, ob nicht ein Deutscher für die Arbeit auf dem Hof zu finden sei – das ist die sogenannte Vorrangprüfung.  
Auch die Einarbeitungszeit erfordere sehr viel Zeit, Geduld und Toleranz, da aufgrund der geringen Schulbildung sowie der unzureichenden deutschen Sprachkenntnisse sehr viel und ausführlich erklärt werden musste. Ebenso fehlte dem Asylbewerber das technische Verständnis für die Bedienung von Maschinen, was zum Beispiel Auszubildende für den Beruf des Landwirts schon mitbrächten. Entsprechend verrichtete der Asylbewerber nur einfache Arbeiten, wie die Kühe zum Melken zu treiben, die Liegeboxen herzurichten, die Kälber einzustreuen, Futter nachzuschieben oder den Melkstand zu reinigen. Trotz des hohen Zeitaufwands für die Einarbeitung musste  Neher aufgrund der gesetzlichen Vorgaben vom ersten Arbeitstag an den gesetzlichen Mindestlohn bezahlen, obwohl die Kenntnisse und damit die Arbeitsleistung deutlich unter denen eines Auszubildenden lagen.
Jederzeit wieder
Ungeachtet der anfänglichen Schwierigkeiten wollte der Flüchtling eine landwirtschaftliche Ausbildung aufnehmen. Wenige Wochen nach dem Beginn der Ausbildung brach er allerdings die Schule wegen des immer stärker werdenden Heimwehs und der hohen Anforderungen an die Auszubildenden ab. Aufgrund der gemachten Erfahrungen zog Martin Neher das Fazit, dass er jederzeit wieder einen Flüchtling bei sich beschäftigen würde – allerdings zunächst nur auf Basis eines Praktikums. Am Nachmittag berichtete der ehemalige Technikerschüler Clemens Stoll aus Küssaberg-Kadelburg von seinen Erfahrungen mit ausländischen Arbeitskräften.  Stoll bewirtschaftet einen Milchviehbetrieb mit 80 Kühen und etwa 70 ha landwirtschaftlicher Fläche, auf denen er neben Getreide und Silomais Sonderkulturen wie Erdbeeren, Äpfel und Birnen kultiviert. Die erzeugten Sonderkulturen vermarktet sein Bruder im Hofladen. Er selbst hat sich durch die Herstellung von Speiseeis einen weiteren Betriebszweig aufgebaut, der ihn und seine Ehefrau insbesondere über den Sommer hinweg sehr fordert.
Aufgrund der arbeitsintensiven Produktionsverfahren setzt er neben einem ehemaligen Lehrling, den er heute als Landwirt fest angestellt hat, einen weiteren Helfer im Obstbau ein. Dazu kommen noch vier  polnische Erntehelfer sowie vier türkische Mitarbeiter auf 450-Euro-Basis. Mit den ausländischen Arbeitskräften hat er die Erfahrung gemacht, dass die Sprachbarrieren überwindbar sind. Die polnischen Arbeitskräfte sprechen häufig Deutsch, während seine türkischen Mitarbeiter kaum Deutsch sprechen. Sie kommen aus der Generation der ersten Gastarbeiter, die nach Deutschland gekommen sind. Er selbst hat die Erfahrung gemacht, dass die Arbeitsmoral und Pünktlichkeit vorbildlich sind, auch bei schlechtem Wetter.
Pünktlich am Anfang und am Ende
Allerdings zeigt sich die Pünktlichkeit auch bei Arbeitsende: So sind die ausländischen Arbeitskräfte auch bei hohem Arbeitsanfall nicht zu Überstunden bereit. Dies musste er lernen zu akzeptieren, was ihm zwischenzeitlich auch gelungen ist. Clemens Stoll hat auch schon versucht, mit deutschen Arbeitskräften die Erdbeerernte durchzuführen. Insgesamt hatten sich acht arbeitslose Deutsche zunächst bereit erklärt, ihn bei der Ernte zu unterstützen. Nach einer Arbeitswoche sei noch ein Arbeiter übriggeblieben, der heute bei ihm die Stelle im Obstbau innehat.
Er hat auch schon von Asylbewerbern Anfragen erhalten. Die erforderlichen Arbeitserlaubnisse seien ihm zwar vorgelegt worden, bei der von ihm durchgeführten Überprüfung der Arbeitserlaubnis habe es sich allerdings herausgestellt, dass es sich hierbei um Fälschungen handelte.  Mit seinen Arbeitskräften ist er derzeit sehr zufrieden. Allerdings hat er die Erfahrung gemacht, dass es für ihn als Arbeitgeber sehr wichtig ist, die Mitarbeiter stets zu motivieren, ihre Fähigkeiten zu erkennen und sie entsprechend zu beschäftigen. Was ihm zunehmend Sorge bereitet, sind die ständig steigenden Dokumentationsvorschriften. So hat er zwar die Lohnabrechnung vergeben, dennoch sind unter anderem die Dokumentationsvorschriften für das Hygienekonzept oder die Berufsgenossenschaften sehr umfangreich und würden ständig steigen. Ebenso habe er kein Problem mit der Höhe des Mindestlohns, wobei der zusätzliche Verwaltungsaufwand, der durch den Mindestlohn entstanden ist, enorm sei.