Tierhaltung | 12. April 2017

Wenn das Silo früh geöffnet werden muss ...

Von Annette Jilg, LAZBW in Aulendorf
Muss in Betrieben mit Ganzjahressilage das Silo mit dem ersten Grasschnitt aufgrund von Futterknappheit voraussichtlich vor einer Gärdauer von acht bis zehn Wochen geöffnet werden, ist dies bereits bei der Ernteplanung zu bedenken. Worauf man in diesem Fall achten sollte, zeigt der folgende Beitrag auf.
Ein hoher Schmutzanteil im Futter beeinträchtigt den Gärprozess. Um den Aufwuchs sauber zu ernten, müssen die Geräte beim Zetten und Schwaden mindestens zwei bis drei Zentimeter hoch eingestellt werden.
Der Gärprozess bei der Silagebereitung beruht auf einer Milchsäuregärung unter Luftabschluss. Ziel ist eine möglichst rasche Ansäuerung, denn dadurch kann die unerwünschte Vermehrung von Gärschädlingen unterdrückt werden. Das beim Gärprozess gebildete Kohlendioxid (CO2) wirkt ebenfalls hemmend auf die Gärschädlinge. Ein zu frühes Öffnen führt jedoch zu einem vorzeitigen Austausch des Kohlendioxids mit Sauerstoff, der noch laufende Gärprozess wird unterbrochen. Hiervon profitieren vor allem  Hefepilze, aber auch Schimmelpilze. Die Hefen verursachen die gefürchtete Nacherwärmung bei der Entnahme. Hierbei verbrauchen die Hefen zunächst den noch vorhandenen wasserlöslichen Restzucker. Die dabei stattfindende Wärmebildung bedeutet erhebliche Energie- und Trockenmasseverluste. Bestimmte Hefetypen bauen neben Zucker auch organische Säuren, wie zum Beispiel Milchsäure, ab. In der Folge steigt der pH-Wert der Silage wieder deutlich an. Dies fördert neben Schimmelpilzen auch immer  einen verstärkten Eiweißabbau, stets verbunden mit einer deutlichen Reduzierung der Eiweißqualität. Das Ausmaß dieser Prozesse hängt neben der erzielten Verdichtung und der Gärdauer in  hohem Maß auch vom Vorschub ab.
 Bei den Kühen ist aufgrund von Nacherwärmung mit einer verminderten Futteraufnahme und Durchfall sowie erhöhten Zellzahlen zu rechnen. Eine geringere Milchleistung wäre somit vorprogrammiert.
Mögliche Strategien
Je nach betrieblicher Situation sind verschiedene Strategien zur Optimierung der Futterqualität denkbar.

Zwei Silos befüllen

Eine Möglichkeit ist die Befüllung von zwei verschiedenen Silos. Eines, das für eine gezielte frühe Öffnung ausgelegt wird und die für mindestens acht Wochen benötigte Menge enthält, und ein weiteres, das für die spätere Fütterung nach einer ausreichenden Gärdauer vorgesehen ist. Dabei ist für das Silo mit der frühen Öffnung über eine geringe Füllhöhe ein möglichst hoher Vorschub von mehr als  3 m  pro Woche zu planen. Auf der  Homepage des LAZBW Aulendorf kann die maximale Silofüllhöhe mithilfe eines Excelprogrammes („Programm zur Berechnung der optimalen Silohöhe”) nach individuellen Vorgaben berechnet werden.Das Erstellen einer farbigen Markierung an der Silowand hilft in der Hektik während der Ernte, die vorher ermittelte maximale Füllhöhe für einen hohen Vorschub nicht aus den Augen zu verlieren!

Zur Überbrückung Ballensilage machen
Ebenso ist die Silierung eines Futtervorrates für etwa acht bis zehn Wochen in Form von Ballensilage denkbar. Der Vorteil besteht darin, dass die einzelnen Ballen zunehmend silieren können und der „Vorschub” unproblematisch ist. Andererseits ist der Einsatz von Ballensilage häufig im Futtermischwagen  arbeitsorganisatorisch schwieriger. Außerdem sind die Kosten je Energieeinheit in der Regel  etwas höher.

Siliermittel einsetzen
Silierzusatzstoffe benötigen eine EU-Zulassung. Geprüfte Siliermittel mit dem DLG-Gütezeichen besitzen diese. Für den Siliermitteleinsatz gibt es keine Dokumentationspflicht, bei Konservierungsmitteln ist die Verwendung nachzuweisen. Daher zur Sicherheit beim Händler nachfragen, ob es sich um ein Silier- oder Konservierungsmittel handelt!
Ein Siliermitteleinsatz kann keine Fehler im Konservierungsmanagement ausbügeln. Aber er kann den Silierprozess in bestimmten Bereichen unterstützen. Vor der Mittelwahl steht grundsätzlich die Frage nach dem gewünschten Ziel. Außerdem ist die korrekte und gleichmäßige Dosierung nach Herstellerangaben zwingend zu berücksichtigen. Empfehlenswert ist der Einsatz von Siliermitteln mit dem DLG-Gütezeichen (siehe www.guetezeichen.de), da diese durch unabhängige Versuche bereits ihre Wirksamkeit bewiesen haben.  Es ist jedoch zu beachten, dass diese Prüfung nicht die verkürzte Gärdauer beinhaltet!
Im Fall einer verkürzten Gärdauer sind die vorrangigen Ziele die Verhinderung einer Nacherwärmung bzw. eine Beschleunigung der Gärung. Entscheidend ist die Frage, ob das Silo gar nicht geschlossen, also sofort mit dem Verfüttern begonnen wird, oder ob eine Gärdauer von mindestens vier bis sechs Wochen erreicht werden kann (siehe Grafik).
Wird das Silo gar nicht erst richtig geschlossen, so können DLG-geprüfte Siliermittel der Wirkungsrichtung (WR) 2 „Verbesserung der aeroben Stabilität” (Haltbarkeit unter Lufteinfluss) zur Verhinderung der Nacherwärmung eingesetzt werden. Dieses Ziel kann über zwei Produktgruppen, nämlich chemische Mittel oder heterofermentative Milchsäurebakterien (MSBhetero), erreicht werden.  Im Fall einer verkürzten Gärdauer scheidet der Einsatz von MSBhetero jedoch aus! Denn die zur Hemmung der  Hefe- und Schimmelpilze gewünschte Essigsäurebildung findet erst im späteren Gärverlauf statt, so dass eine Mindestgärdauer von acht bis zehn Wochen  benötigt wird. In Frage kommen also im Fall der sofortigen Verfütterung nur chemische Verbindungen. Insbesondere Mittel der DLG WR 2 auf der Basis von Propion-, Benzoe- oder Sorbinsäure verhindern die Vermehrung von Gärschädlingen. Die entsprechenden Salze dieser Säuren (Propionat, Benzoat bzw. Sorbat) sind deutlich weniger korrosiv und daher anwenderfreundlicher.
Ein anderer Ansatz wäre die Beschleunigung der Gärung. In dem Fall sollte das Silo jedoch mindestens vier, besser sechs  Wochen geschlossen bleiben. Dieses Ziel lässt sich über DLG- geprüfte homofermentative Milchsäurebakterien (MSBhomo) der WR 1a oder 1b oder 1c erreichen. Die genaue Auswahl hängt vom Anwendungsbereich, also dem Ausgangsfutter, ab (siehe Tabelle 1). Die so erwirkte rasche Ansäuerung hemmt die Vermehrung von Gärschädlingen. In der Folge entstehen in der Regel höhere Milchsäuregehalte, also ein tiefer pH-Wert, und geringere Gärverluste. Der Einsatz ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn im Futter genügend Zucker für die Umsetzung durch die MSB vorhanden ist. Die Trockenmasse sollte zwischen 30 und 35 (max. 40) % liegen. Bei einem niedrigeren Trockenmassegehalt geht zu viel Substrat über den Gärsaft verloren, so dass den MSB in der Regel zu wenig Zucker zur Umsetzung in Milchsäure zur Verfügung steht. Bei einer höheren Trockenmasse wird die Verdichtung zusehends erschwert und daher steigt das Nacherwärmungsrisiko deutlich an. Außerdem erfolgt die Konservierung zunehmend nur noch über Luftabschluss. MSB erreichen ab etwa 50 % Trockenmasse ihre natürliche Einsatzgrenze.
Mit einem Einsatz von MSBhomo ist in der Regel die Reduzierung der Gehalte an Essigsäure verbunden. Dadurch steigt wiederum das Risiko einer Nacherwärmung. Um dieser vorzubeugen, muss im Fall der verkürzten Gärdauer bei dieser Siliermittelwahl ebenfalls ein schneller Vorschub von mehr als  3 m pro Woche erzielt werden. Entsprechend ist auch hier die Füllhöhe im Silo anzupassen!
Wirtschaftlich gesehen ist es sinnvoll, den Siliermitteleinsatz mit den beiden zuerst genannten Strategien zu kombinieren, also für den Futteranteil zur vorzeitigen Verfütterung einzusetzen. Denn unter Beachtung der bekannten Silierregeln kann bei guter Silierbarkeit des Aufwuchses (genügend Zucker, wenig Eiweiß bzw. Schmutz) der restliche Teil des Futters in der Regel durch eine ausreichende Gärdauer ohne Silierhilfsmittel konserviert werden. Es ist auf ein optimiertes Ernte- und Silomanagement zu achten, denn kein Siliermittel kann einen wertlosen Pflanzenbestand aufwerten oder grobe Fehler beim Silieren wettmachen!

Futterdefizit durch Grünfütterung überbrücken
Sofern die Technik zur Verfügung steht, kann das Futterdefizit auch über eine Grünfütterung überbrückt werden. Ein Betrieb mit 50 Milchkühen und 50 Stück Jungvieh benötigt täglich in Frischmasse etwa  51 dt Gras bzw. 8,5 dt Trockenmasse. Bei einer Aufwuchsdauer von vier Wochen liegt der Flächenbedarf der Herde bei rund 10 ha   Grünland (siehe Tabelle 2).
Futterplanung überdenken
Siliermittel unterdrücken Gärschädlinge, so dass solche Schimmelnester nicht entstehen. Wichtig sind auf jeden Fall eine gute Verdichtung und sofortiger Luftabschluss.
Betriebsindividuell ist dringend zu prüfen, wie knapp die diesjährige Futterplanung kalkuliert ist. Falls noch Ackerflächen zur Verfügung stehen, so könnte der Silomaisanbau ausgeweitet werden. Bei der geplanten Nutzung von Zwischenfrüchten ist zu beachten, dass die im Rahmen des Greenings begrünten Flächen futterbaulich nicht genutzt werden dürfen. Falls der Zwischenfruchtanbau noch darüber hinaus ausgedehnt werden könnte, so sind aus betriebswirtschaftlicher Sicht überjährige Kulturen zu bevorzugen. Auch die Erstellung einer Getreide-GPS kann erwogen werden. In diesem Fall ist über eine höhere Schnitthöhe für einen besseren Energiegehalt in der Silage zu sorgen. Die Ernte erfolgt bei der Teigreife des Getreides. Bei all diesen Maßnahmen dauert es jedoch auch wieder eine gewisse Zeit, bis das Futter verfügbar ist.