Pflanzenbau | 12. März 2020

Wegweiser für umstellungswillige Landwirte

Von Raiser/Wehrle
Am 9. März hat in Rastatt der erste landesweite „Umstellertag” stattgefunden. Landwirten, die sich mit dem Gedanken tragen, ihren Betrieb auf die ökologische Schiene umzusetzen, wurden Informationen aus erster Hand geboten.
Der Umstellertag konnte ein praktisch ausverkauftes Haus verzeichnen.
Wer seinen Betrieb von konventioneller auf ökologische Wirtschaftsweise umstellen will, sollte sich vorher mit vielen Fragen auseinandersetzen, wenn er nicht Schiffbruch erleiden will. Diese Erkenntnis zog sich wie ein roter Faden durch die Veranstaltung.
Motive für eine Umstellung gibt es viele – das machte Martin Weiler in seinem Vortrag deutlich. Der Geschäftsführer der Bioland-Beratung Baden-Württemberg spannte den Bogen von politischen Überzeugungen bis hin zu vielleicht eher pragmatischen Anlässen wie einer anstehenden Hofübergabe und dem dann relevanten persönlichen Interesse der Hofnachfolger.
Grundsatzfragen
Wer den Schritt wagen will, sollte nach Ansicht von Weiler außer einer tragfähigen Motivation auch bestimmte persönliche Voraussetzungen  mitbringen. Im Einzelnen nannte er:
  • Lust auf Neues. Ökolandwirtschaft ist nicht einfach nur der Verzicht zum Beispiel auf bestimmte Pflanzenschutzmittel, sondern es handelt sich um ein im Ganzen anderes Produktionssystem, das auch „weiche” und persönliche Aspekte wie Familie und Partnerschaft mit einschließt.
  • Mut zur Veränderung. Tierhaltung, -fütterung und -gesundheit, Düngung und Pflanzenschutz, Fruchtfolgen und Bodenbearbeitung laufen nach der Umstellung deutlich anders als vorher. 
  • Offenheit gegenüber Berufskollegen. Da für den Erfolg in ökologischen Produktionssystemen breit aufgestellte, fundierte und vor allem auch ständig aktualisierte Fachkenntnisse Voraussetzung sind, ist der Austausch mit anderen Praktikern besonders wichtig. Es ist üblich, sich fachlich auszutauschen und auch sich gegenseitig zu helfen.
  • Freude an einer aktiven Vermarktung. Für Ökolandwirte ist es deutlich wichtiger als für ihre konventionellen Kollegen, sich um die Absatzkanäle für ihre Produkte zu kümmern. Das beinhaltet ein aktives Suchen nach und Zugehen auf Vermarktungspartner. Kreative Ideen spielen dabei eine nicht geringe Rolle. Dieser Aspekt sollte nicht als lästige Pflicht, sondern als willkommene Herausforderung empfunden werden.
  • Das Büro im Griff haben. Im Ökolandbau ist der bürokratische Aufwand nicht kleiner, sondern größer als im konventionellen Bereich. Verträge, Dokumentationen, Zertifikate, Fristen und nicht zuletzt die Förderung machen die Leitung eines Betriebes zu einer anspruchsvollen Aufgabe. 
Martin Weiler, Geschäftsführer der Bioland-Beratung Baden-Württemberg, umriss die grundsätzlichen Aspekte einer Umstellung.
Infos zum Markt
Einen Überblick über Preise und Tendenzen auf den Märkten für Bioprodukte gab Diana Schaack. Die Fachfrau von der Agrarmarkt Informations GmbH (AMI) berichtete zu Beginn ihres Vortrages, dass die Verbraucherausgaben für Biolebensmittel in Deutschland 2019 im Vergleich zu 2018 um knapp zehn Prozent gestiegen sind. Dabei unterscheiden die Marktfachleute zwischen Lebensmitteleinzelhandel, Naturkosthandel und sonstigen Einkaufsstätten, beispielsweise Direktvermarktung, Metzgereien und Bäckereien. Die Vollsortimenter Supermärkte, Discounter und SB-Warenhäuser haben in diesem Zeitraum rund 15 Prozent Umsatzwachstum realisieren können. Mehr als die Hälfte, rund 60 Prozent der Bioware, kommt über den Lebensmitteleinzelhandel auf den Markt.
Diana Schaack, AMI
2019 ging nur bei Biobrot die verkaufte Menge um 4,3 Prozent zurück, alle anderen Produkte sind – meist im zweistelligen Bereich bis zu 18 Prozent – gewachsen.
Schaack verwies in Rastatt darauf, dass seit 2000 die Anbaufläche der ökologisch wirtschaftenden Landwirte in Deutschland von 546000 auf 1.622.000 ha gestiegen ist. Es handelt sich mit rund 600.000 ha vor allem um EU-Bio-Betriebe, gefolgt von 450.000 ha Bioland-Fläche. 93.000 ha werden nach Demeter-Richtlinien bewirtschaftet, um nur einige Zahlen zu nennen. Dennoch überwiegen die Importe bei weitem im Vergleich zur heimischen Erzeugung. Schaack plädiert in diesem Zusammenhang für die Einführung eines Logos „Bio aus Deutschland”.
Bio-Eier sind bei den Verbrauchern besonders beliebt, sie machen 14 Prozent des Gesamtmarktes aus. Es folgen Milch, Speiseöl und Frischgemüse mit rund zehn, neun und acht Prozent. „Bio-Hafer ist ein Produkt mit Zukunft”, ist die Marktexpertin überzeugt. Der Konsum steige, aber bisher werde viel Ware importiert, obwohl die Vermarkter gerne auf heimische zurückgreifen würden. 
Bei der Erzeugung von Bio-Milch liegt Bayern unangefochten an der Spitze mit 523 Millionen Kilogramm im Jahr 2019. An zweiter Stelle behauptet sich Baden-Württemberg mit 159 Millionen Kilogramm. Die anderen Bundesländer liegen im zweistelligen Bereich und fallen insgesamt deutlich ab. Bio-Milch und Bio-Milchprodukte sind ein Renner mit Steigerungsraten von über zehn bis über 30 Prozent im Jahr 2019 – verglichen mit 2018.
Ein Landwirt berichtet
Hans Holland, Ackerbauer und Schweinemäster aus Ochsenhausen, gab den Teilnehmern des Umstellertages Einblicke in die Entwicklungsgeschichte und aktuelle Aufstellung seines Naturlandbetriebes.
Hans Holland, Landwirt aus Ochsenhausen, setzt auf die Silierung und anschließende Vergärung des Kleegrases.
Bemerkenswert ist, dass seit der Umstellung 1991 die Mutterkuhhaltung sowie die Puten-Freilaufhaltung erst hinzugenommen, dann aber wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit wieder aufgegeben wurden. 
Um das für die Bodenfruchtbarkeit und die Nährstoffversorgung unverzichtbare Kleegras ohne Milchviehhaltung sinnvoll verwerten zu können, hat Holland eine Biogasanlage gebaut.
Der Landwirt betonte in Rastatt, dass ökologisch wirtschaftende Betriebe ein besonderes Augenmerk auf ihre Nährstoffbilanz  haben müssten. Wirklich geschlossene Stoffkreisläufe seien hier genauso wenig möglich wie im konventionellen Bereich. Mit den Produkten fließen ständig Nährstoffe aus den Betrieben ab, die irgendwie ersetzt werden müssen, wenn die Böden nicht auf Dauer verarmen sollen. 
Herausforderungen im Ackerbau
Werner Back (links) und sein Bioland-Berater Jonathan Kern
In einem Workshop stellte Ackerbauer Werner Back aus Phillipsburg seinen EU-Ökobetrieb vor und berichtete von seinen Erfahrungen. In einer anschließenden Fragerunde ging es um Einzelaspekte des Betriebssystems.
  • Umstellung vor acht Jahren – Eckdaten des Betriebes Back: keine Viehhaltung, 220 ha Ackerbau – 120 ha bewässerungsfähig – 50 ha Grünland für Pferdeheu und Silage; 40 ha Sojaanbau für die Firma Tajfun/Tofuherstellung, 15 bis 20 ha Körnermais. Dritte Hauptkultur sind Sonnenblumen auf leichteren Standorten. Dinkel, Winterweizen, Hafer, Erbsen. Heterogene Bodenverhältnisse im Rheingraben.  
  • Ungewöhnlich für einen Biobetrieb: Back baut kein Kleegras an und kann deshalb die ganze Betriebsfläche für den Anbau von Marktfrüchten nutzen. Wie geht das? Die Zufuhr von Stickstoff und anderen Nährstoffen ist über Biogasgülle – 25 m3/ha, rund vier Prozent Gesamtstickstoff – und Kompost gesichert.
  • Nehmen durch den Herbizidverzicht Unkräuter zu? Ungräser wie Ackerfuchsschwanz und Hirsen sind nach Aussage von Back – auch wegen der vielen Sommerungen – kein Problem. Wo möglich, wird gestriegelt. Mais, Soja und Sonnenblumen werden mit einer kameragesteuerten Fingerhacke zwei- bis dreimal bearbeitet. Disteln werden durch die Verwendung von fast horizontal schneidenden Flügelscharen klein gehalten.
  • Wie ist die Marktlage für ökologische Pflanzenprodukte? Back zeigt sich mit den Erzeugerpreisen seit der Umstellung recht zufrieden. Essenziell für eine erfolgreiche Vermarktung sei jedoch das Vorhandensein von Kapazitäten am Hof, um nach der Ernte zwischenlagern, trocknen und reinigen zu können, was auf seinem Betrieb der Fall sei. 
Ökologische Schweinehaltung
Naturland-Beraterin Martina Kozel und Schweinemäster Hans Holland beantworteten in einem Workshop Fragen zur Öko-Schweinehaltung.
  • Worauf kommt es beim Stallbau an? 90 Prozent aller Bio-Schweineställe sind Umbaulösungen. Bei Naturland stehen einem Schwein bis 110 Kilogramm 2,3 Quadratmeter inklusive eines  Quadratmeters Auslauf zu.Für Baden-Württemberg gilt: 25 Prozent des Auslaufs müssen unüberdacht sein. Im Innenbereich darf die Hälfte der Fläche mit Spalten bedeckt sein, im Außenbereich sind es nur fünf Prozent.
  • Wie vermarktet man die Bio-Schweine am besten? Ein fester Vertrag, eine feste Laufzeit und ein fester Preis: Das ist laut Kozel notwendig, um in die ökologische Schweinehaltung einzusteigen. Grundsätzlich gibt es die Möglichkeit, über Vermarktungsgesellschaften zu verkaufen. Landwirte, die direkt vermarkten wollen, bezahlen lediglich eine Lizenzgebühr für das Verbandssiegel von Naturland.
  • Ist die Freilandhaltung eine Alternative? Für die Freilandhaltung braucht es vor allem eine große Fläche und am besten sandige Böden. Außerdem ist ein dreifacher Zaun aus tierseuchenrechtlichen Gründen Pflicht. Bei Naturland sind alle Entwurmungsmittel zugelassen.
  • Wo liegen die Knackpunkte in der Sauenhaltung? Durch die längere Säugezeit von 40 Tagen werfen die Sauen nur knapp zwei Mal im Jahr. Daraus ergeben sich durchschnittlich 18,3 verkaufte Ferkel pro Sau und Jahr.
  • Pro Bio-Zuchtsau muss man durchschnittlich mit 32 Arbeitskraftstunden jährlich rechnen. Ein vollautomatischer Zuchtsauenstall kann den Arbeitszeitbedarf um gut 50 Prozent verringern, ist in der Anschaffung aber deutlich teurer.
  • Wie geht Naturland mit den Themen freie Abferkelung und Ferkelkastration um? Für die freie Abferkelung spielen Genetik, Platzangebot und die Einhaltung der Klimazonen innerhalb des Stalls eine wichtige Rolle. Naturland ist offen gegenüber allen vier Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration. Es empfiehlt sich, die Entscheidung mit dem Vermarkter abzusprechen.