Politik | 15. August 2019

"Was wir brauchen, ist ein Gesellschaftsvertrag"

Von Werner Räpple
Mit einem offenen Brief zum Thema Volksbegehren wendet sich heute BLHV-Präsident Werner Räpple an die Leserinnen und Leser der BBZ. Er erklärt, wie der BLHV bisher vorgegangen ist und warum er zusammen mit anderen Verbänden nun an einem Volksantrag arbeitet.
Liebe Bäuerinnen und Bauern,

seit Wochen beschäftigt uns nur noch ein Thema – „Volksbegehren”! Was sich für uns zum Unwort des Jahres entwickelt, geht auf einen ernsten Hintergrund zurück. Was mit identischem Verfahren in Bayern begann und dort alle Betroffenen förmlich überrollt hat, ist nun auch bei uns in Baden-Württemberg angekommen.
Und das trotz einer grün-schwarzen Landesregierung und trotz der Tatsache, dass das Land bereits viele vorbildliche Programme zur Biodiversität aufgelegt und mit Mitteln ausgestattet hat.
Nach dem Willen der Initiatoren soll uns per Gesetz auferlegt werden, was wir wie zu tun und zu unterlassen haben. Der von „Pro Biene” vorgelegte Gesetzesentwurf mit seinen Kerninhalten zum Pflanzenschutz und der Bewirtschaftungsform ist nicht modifizierbar oder verhandelbar, wie es Anhänger von Kompromissen uns glauben machen wollen. Angebliche Ausnahmeregelungen sind praxisfremd und keine Lösung. Der Gesetzesentwurf ist daher kontraproduktiv und inakzeptabel!
Der BLHV bereitet jetzt zusammen mit dem Badischen Weinbauverband und dem Landesverband für Erwerbsobstbau einen Volksantrag vor.

Das Volksbegehren wurde am 26. Juli  eingereicht, trotz unserer Anstrengungen, die Unterstützer zu einem anderen Ansatz zu bewegen. Nachdem das  Innenmisnisterium in dieser Woche das Volksbegehren für zulässig befunden hat, dürfte im September die Unterschriftensammlung beginnen.
Bessere Lösungen finden
Trotz verschiedener kritischer Stimmen haben wir ganz bewusst bislang von Medien-und anderen Kampagnen abgesehen, um den Initiatoren nicht unbeabsichtigt noch zusätzliche Beachtung und Aufwind zu verleihen. Der BLHV  hat sich  nach außen bedeckt gehalten, aber von Anfang an intensiv daran gearbeitet, Unterstützer unserer Branche zu finden, Gespräche mit Politik und verbündeten Verbänden zu führen und auch unsere Bewertung des Gesetzentwurfes in die Politik eingebracht.
Wir haben in Weinsberg einen Verbändekreis begründet, bei dem Imker, Weinbau, Erwerbsobstbau, der Landesnaturschutzverband, Bioland und beide Bauernverbände im Land  einen runden Tisch bilden, der sich um bessere Lösungen und um eine zielführende Strategie bemüht. Damit es wieder um die Sache geht und nicht  mit Existenzen gespielt wird. Die bisherige Entwicklung in der Berichterstattung gibt unserer Vorgehensweise recht – es mehren sich die kritischen Stimmen, die die überzogenen Ansätze des Volksbegehrens entlarven. Das ist gut so.
Bienen, Artenschutz, Vielfalt, eine intakte Umwelt sind unser ureigenes Interesse, weil Grundlage unserer Produktion. Um diese Dinge im Einklang zu halten, bedarf es aber einer ganzheitlichen Strategie. Einer Biodiversitätsstrategie, die außer der Landwirtschaft  auch die Gesellschaft und den Handel in die Pflicht nimmt und sich nicht mit einem Bauernopfer  freikauft für den eigenen Steingarten, die nächste Urlaubsreise oder das Billigfleisch.
 Was wir  brauchen, ist  ein Gesellschaftsvertrag! Kein Ordnungsrecht auf dem Rücken der Bauern, das per Gesetz politische Zahlen und Fristen auswirft, die jeder fachlichen Grundlage entbehren. Und nicht zuletzt: Wir brauchen ein Bekenntnis der Politik! Eine Politik, die zu komplexen Zusammenhängen steht, aufklärt, hinsteht und sich bekennt:  Will sie nun weiterhin Landwirtschaft in der Region oder nicht?
Für die  weitere Verbandsarbeit kommen verschiedene Szenarien in Betracht, die es Schritt für Schritt zu prüfen gilt. Da das Innenministerium  inzwischen grünes Licht  gegeben hat, beginnt nach weiteren Formalitäten der Schritt des Stimmensammelns.   Dies kann sich  bis März und die Befassung durch den Landtag dann  bis Sommer 2020 hinziehen.  Diese Zeit gilt es für alternative Ansätze zu nutzen und die Zeitpunkte für unsere Aktivitäten  richtig zu setzen, damit sie wirksam sind.
Wir haben  gegenüber dem Land signalisiert, unsere Vorstellungen bei der Erarbeitung eines  Alternativgesetzes einzubringen. Voraussetzung ist, dass das Alternativgesetz in gleicher Weise Interessen von Artenschutz und Bauern berücksichtigt. Pauschale Vorgaben ins Blaue hinein sind fachlich nicht vertretbar und mit uns nicht machbar.
Um Ihnen, unseren geschätzten Mitgliedern, unmittelbare Mitwirkungsmöglichkeit zu verschaffen und zugleich einem „besseren” Gesetz Vorschub zu leisten, arbeiten wir zudem mit dem Badischen Weinbauverband und dem Landesverband für Erwerbsobstbau aktuell daran,  einen Volksantrag als Alternative zum Volksbegehren zu initiieren.
Landwirtschaft nicht als Sündenbock
Der Volkantrag soll einen besseren  Weg aufzeigen, der
dem Artenschutz und der Landwirtschaft hilft;
den Artenschutz zur gesamtgesellschaftlichen Aufgabe und nicht die Landwirtschaft zum Sündenbock macht;
den Pflanzenschutz als Voraussetzung marktfähiger Produkte anerkennt;
sich zur Produktion im Inland statt zu einer Verlagerung ins Ausland bekennt und
bäuerlichen Betrieben eine Zukunft gibt.
Ein konkreter Gesetzentwurf ist – im Gegensatz zum Volksbegehren – nicht Gegenstand des Volksantrags. Fast 40000 Unterschriften sind nötig, dann muss – anders als bei unverbindlichen Petitionen – der Landtag sich mit unseren Themen befassen und dazu entscheiden. Bei den Unterschriften zählen wir dann auf Sie und Ihre Familien! Wir halten Sie über die gewohnten Quellen wie  Bezirksgeschäftsstellen, BBZ, den Badischen Winzer und unsere Homepage informiert. Ich versichere Ihnen, dass wir alle Möglichkeiten ausschöpfen werden, um ein Ergebnis in unser aller Sinne zu erzielen.