Pflanzenbau | 27. September 2018

Was lehrt uns das trockene Jahr 2018?

Von Jürgen Neumaier, LWA Offenburg
Durch die lange Trockenheit hat das Grünland regional stark gelitten. Welche Konsequenzen muss man aus diesem Jahr ziehen und was soll, was kann man jetzt tun, um dem Grünland bei der Regeneration zu helfen?
Diese Linden spenden den Tieren optimal Schatten.
Wasser ist wichtiger als Schatten, denn die Körpertemperatur wird auch bei den Rindern durch Verdunstung geregelt.   Auf der Weide trinken ranghohe Tiere zuerst an der Tränkestelle und ziehen dann in den Schatten. Rangniedere nehmen häufig zu wenig Wasser auf, weil sie der Herde folgen wollen. Bei knappen Schattenplätzen kommen sie  wieder zu kurz. Trogtränken können in kurzer Zeit viele Tiere versorgen und führen zu besserer Wasseraufnahme. Wenn die Tiere eine Pumpe zu bedienen haben, trinkt die ganze Herde zu wenig. Kurze Wege zur Tränke erleichtern den Wasserzugang und vermeiden Trittschäden. Festverlegte Leitungen sparen viel Arbeitszeit und schonen ebenfalls die Grasnarbe.
Schattenbäume
Bei  anhaltender Trockenheit fallen die Grünlandpflanzen in  folgender Reihenfolge  aus:
  • Rotschwingel, Gemeine Rispe
  • Weidelgras
  • Wiesenrispe, Wiesenschwingel, Knaulgras
  • Rotklee
  • Pippau-, Löwenzahnarten, Weißklee, Wegerich
Schon bei geringem Niederschlag oder bei reichlich Tau reagieren die meisten Arten  aber wieder mit Sprossaustrieben. Aufgrund der tiefen Wurzeln haben die Kräuter hier einen großen Vorteil.
Auch die Art der Nutzung entscheidet über die Robustheit und den Wiederaustrieb der Grasnarbe. Die durch Beweidung kurzgepflegte Grasnarbe widersteht am längsten dem Trockenstress und ist auch am schnellsten wieder grün. Es sind die horizontal am Boden entlang wachsenden Sprosse, die von den Weidetieren nicht erfasst werden und mit ihren Reservestoffen den Wiederaustrieb ermöglichen.
Grasnarbe und Weidetier sind ein durch Jahrtausende entwickeltes, perfektes Ökosystem: Es ist die stetige Pflege durch Verbiss und Tritt der Tiere, die Anpassung der Narbe an die kleinklimatischen Witterungsbedingungen und die Funktion des Bodenlebens im Wurzelraum.  Eingriffe in diese Systeme sollten möglichst minimal bleiben.
 
Grünlandumbruch
Nach einigen Grünlandbegehungen kann festgestellt werden, dass die momentanen Narbenlücken vom  20 bis  30 Prozent im Wesentlichen durch die trockenheitsempfindlichen  Arten (Gemeine Rispe und Rotschwingel) verursacht sind.  Durch Bestockung der Gräser und bodenbürtige Samen lassen sich die Lücken schnell schließen. Damit ist die Erneuerung der Grasnarbe durch Grünlandumbruch nicht sinnvoll. Im Rahmen der Bodenbearbeitung wird durch den Sauerstoffeintrag Stickstoff mineralisiert, Humus abgebaut und das Bodenleben nachhaltig beeinträchtigt. Die Folge sind die gefürchteten „Hungerjahre”, die ersten drei bis vier Jahre nach der Neuansaat. Aufgrund der starken Bodentrockenheit und der stabilen Wetterlage waren die Bedingungen für das Gelingen einer Neuansaat bisher aber ohnehin nicht gegeben.
Nachsaat
Auf Flächen mit witterungsbedingt später Heuernte haben  fast alle Gräser und Kräuter die  Samenreife erreicht. Mehrere hundert Kilo neues Saatgut sind perfekt auf der Fläche verteilt und warten auf Keimung. Hinderlich könnte eine Schicht aus abgestorbenem Pflanzenmaterial sein, das einen Keimling  vertrocknen lässt. Abhilfe könnte hier ein Arbeitsgang mit einer Prismenwalze schaffen. Derselbe Effekt lässt sich auch durch eine Beweidung erzeugen.
Wo keine Heuernte, sondern zwei bis drei Silageschnitte erfolgt sind, ist davon auszugehen, dass keine reifen Samen ausgefallen sind. Dort ist es sinnvoll, eine Nachsaat mit zwei bis drei Sorten Weidelgras auszubringen und dabei auch für Bodenschluss zu sorgen.
Weidelgras ist die züchterisch am intensivsten bearbeitete Grasart. Es ist konkurrenzstark,  regenerationsfähig und ausgesprochen keimfähig. Daneben hat es hervorragende futterbauliche Eigenschaften. Hinsichtlich der Winterhärte gibt es  große Sortenunterschiede, die es bei der Auswahl zu beachten gilt. Die Liste des Bundessortenamtes umfasst über 100 Sorten (zu finden sind deren Eigenschaften im Internet, Stichworte: Bundessortenamt und Weidelgras).
 
Empfehlungen für die nächsten Monate
  • Flächen mit „abgestandener” alter Grasnarbe (viehlose Betriebe mit Heuverkauf) vor Vegetationsende abmulchen.
  • Weidenutzung  so lange wie möglich – dies fördert die Bestockung und die Leguminosen.
  • Abschleppen von  Gülle- bzw. Festmistresten wenn möglich zwei  Monate vor dem ersten Schnitt im nächsten Jahr.
  • 2019 frühe Weidenutzung aller Flächen – auch der Wiesen – vor dem ersten Schnitt, um die Bestockung und den Klee zu fördern.
  • Weidepflege durch Mähen von Geilstellen und Weideresten bei gutem Wetter – dies sollte  immer streifenförmig geschehen, damit die Tiere dieses Material als Heu aufnehmen und so das Abfahren vermieden wird.
 Aufgrund des geringen Entzuges der jeweils abgetrockneten Grasnarben geht man allgemein davon aus, dass die Krume genügend Stickstoff enthält. Allerdings hat die Trockenheit auch das Bodenleben und die Mineralisierung eingeschränkt. Die Güllebehälter sind zum jetzigen Zeitpunkt meist voll und vor Beginn der Sperrfrist muss noch Platz geschaffen werden. Wo es machbar  ist, sollte die Gülledüngung so weit wie möglich in die kühle Witterung des Spätherbstes verlagert werden, um die Nährstoffe für den Austrieb im Frühjahr zur Verfügung zu stellen.  Vermutlich wird auch die Verwaltung aufgrund dieser Argumente die Sperrfristverschiebung für Grünland in Erwägung ziehen.