Betrieb und Wirtschaft | 19. November 2015

Was lässt sich am Schlachthof Bühl machen?

Von Heinrich von Kobylinski
Vergangene Woche hat die Diskussion um die künftige Schlachthofstruktur in Mittelbaden neuen Schub bekommen. Kann der Schlachthof Bühl nach Wegfall des Schlachthofs Offenburg 2019 deutlich ausgebaut werden?
Es geht um die Aufnahmefähigkeit des Bühler Schlachthofs.  Dabei wird dem Tierschutz ein hoher Stellenwert beigemessen. Die Landestierschutz-Beauftragte Dr. Cornelie Jäger stellte   in Bühl ein Gutachten vor, das  von Bühls Bürgermeister Wolfgang Jokerst sehr positiv aufgenommen wurde. Seine Stadt hält   28,2 % der Anteile an der Schlachthof Bühl GmbH, auf die Emmendinger  Großschlächterei Färber entfallen 31,5 % der Anteile.  Daneben gibt es einige kleinere Gesellschafter, unter anderem  die  Metzgerinnung, eine Interessengemeinschaft von Landwirten und die Stadt Ottersweier. 
Bei der Vorstellung des Gutachtens diskutierten (von links): Karl-Heinz Geißler, Andreas Bohnert, Klaus Brodbeck, Cornelie Jäger und Wolfgang Jokerst.

Gutachter Dr. Martin von Wenzlawowicz kommt zu dem Ergebnis, dass am Schlachthof Bühl „nach entsprechenden Anpassungen baulicherseits gute Voraussetzungen für eine tierschutzgerechte Schlachtung von Rindern und Schweinen bestehen.” Der Experte  des norddeutschen Instituts bsi Schwarzenbek hat den Schlachthof  vor fünf Monaten inspiziert und seine Eindrücke auf neuneinhalb Seiten wiedergegeben. 
Nichts zu Kosten
Das Gutachten betrachtet nur   Tierschutz-Aspekte. Über die Kosten von etwaigen Veränderungen werden keine Angaben gemacht.   Bühls Bürgermeister Wolfgang Jokerst  sprach von einem Gutachten, mit dem belegt werde, dass der Schlachthof Bühl mit einem vertretbaren baulichen Maßnahmenumfang ertüchtigt werden kann, wodurch er dann den Status eines zukunftsweisenden Schlachthofes bekomme. Um das umzusetzen, müsste lediglich ein  Signal aus der Ortenau kommen, damit aus dem Plan eine gemeinsam getragene Realität werden könne. 
 Dr. Maximilian Landwehr, Leiter der Abteilung Lebensmittelüberwachung am Regierungspräsidium Karlsruhe  wies auf die  hygienischen Anforderungen hin,  die vor allem dann beachtet werden sollen, wenn es um eine Steigerung der Schlachtkapazität und des Schlachttempos geht. Aus seiner Sicht  würde diese Steigerung nicht einfach sein, weil die Veränderung der gesamten Abläufe nötig wäre.   Landwehr führte dazu die erforderlichen Zeitabschnitte  und das Platzangebot für die Ausblutungen an.
Er verwies auch auf die  Kapazität des Wartestalls, der nicht mehr als 149 Schweine aufnehmen könne. Tierschutzexperte von Wenzlawowicz wies  im Gutachten  auf eine Begrenzung hin: Wegen des verfügbaren Platzangebots von 0,6 Quadratmetern je Tier dürfe die Belegung in dieser Dichte nicht über sechs Stunden hinausgehen. Andererseits ging der Experte davon aus, dass in Bühl künftig bis zu 300 Schweine pro Tag geschlachtet werden sollen.  Laut Dr. Landwehr mache die Kapazitätserweiterung auch die Anwesenheit  eines zweiten Tierarztes erforderlich.
Skeptisch
Für Michael Bauernschmid von der am Offenburger Schlachthof aktiven Vieh- und Fleischgroßhandlung Haas-Bauernschmid GmbH sind das so wichtige Argumente, dass er an der  wirtschaftlichen  Verbesserungsfähigkeit des  Standortes zweifelt. Auf Anfrage der BBZ  sagte er, dass er sich an den notwendigen Renovierungsaufwendungen in Bühl nicht beteiligen wolle.
 Landwirt Karl-Heinz Geißler aus Lichtenau verwies  am Freitag trotzdem auf die Vorteile eines zentralen, regionalen Schlachthofes, der kurze Transportwege ebenso erlaube wie die Verwirklichung einer regionalen Vermarktung, die im Bewusstsein der Verbraucher immer mehr an Ansehen gewinne.
  Die Planungen des  Schlachthofes  Bühl sehen vor, die Zahl der wöchentlichen Schlachttage künftig von drei auf fünf zu steigern. Nach Ansicht von Geschäftsführer Andreas Bohnert  wird sich der Tierbestand in den beiden Landkreisen nicht vergrößern, ebenso wie  die Zahl der Metzger.  Daraus folgert er, dass ein ertüchtigter Schlachthof Bühl  den mengenmäßigen Anforderungen gerecht werden könne.
Er räumte ein, dass in Offenburg die Zahl der jährlich geschlachteten Schweine sich zwischen 60000 und 70000 bewege und diejenige der Rinder bei 3500 liege. In Bühl sind es  15000 Schweine  und 2800 Rinder.
 Bohnert geht für die Zeit nach 2019 davon aus, dass der renovierte Schlachthof Bühl unterhalb der Summe dieser Zahlen liegen dürfte, weil schon jetzt erhebliche Anteile der Offenburger Schlachttierzahlen von außerhalb der Ortenau zugeliefert werden. Das dürfte dann  künftig wohl nicht mehr der Fall sein.
 Auch aus Sicht von Manfred Kempter, Geschäftsführer der am Schlachthof Bühl beteiligten Firma Färber, ist Bühl ein ausbaufähiger Standort. „Bühl ist nach einem Ausbau groß genug für die Region und wir sind auch investitionsbereit”, sagte er auf Anfrage der BBZ.
Wegen der Bühler Schwächen gibt es  unter den Landwirten  bezüglich der  Alternative zu Offenburg drei  Lager: Neben der Variante Bühl denken einige an eine engere Zusammenarbeit mit  Straßburg, zumal der dortige Schlachthof nicht ausgelastet ist. 
Wieder andere liebäugeln weiterhin mit dem Projekt eines Schlachthofneubaus, weil damit dann sämtliche Anforderungen an Hygiene, an Tierschutz und an Premiumfleischprogramme erfüllbar sein werden, voraussichtlich auch über einen längerfristigen Zeitraum hinweg. Bis jetzt allerdings zeichnet sich dafür noch keine finanzielle Trägerschaft ab. Lediglich von Wolfgang Reimer, Baden-Württembergs Ministerialdirektor für den Ländlichen Raum, war dafür 2013 eine Förderung in Aussicht gestellt worden –  die Bedingung aber lautete, dass ein solides Konzept  vorhanden sein müsse. 
Geißler  hingegen ist fest von der Option Bühl überzeugt und sagt: „Besser der Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.”