Politik | 13. Januar 2022

Was Frankreich besonders wichtig ist

Von AgE
Für sechs Monate, bis Ende Juni, hat Frankreich den Vorsitz im EU-Rat inne. Der französische Landwirtschaftsminister Julien Denormandie räumt den Wettbewerbsverzerrungen durch Importe oberste Priorität ein. Er werde „unsere Werte nach Brüssel tragen”, erklärte er.
Frankreichs Landwirtschaftsminister Julien Denormandie hat sich für die Ratspräsidentschaft seines Landes einiges vorgenommen.
Die Einfuhr von Waren, die unter niedrigeren Standards in Drittländern produziert worden seien, sei „Unsinn” und könne nicht länger akzeptiert werden, erklärte der Minister am 4.Januar bei seiner Neujahrspressekonferenz. Nach seinen Worten muss die Handelspolitik der Europäischen Union angepasst werden. Der Zugang zum gemeinsamen Markt müsse von der vollständigen Einhaltung der europäischen Produktionsstandards abhängig gemacht werden.
Denormandie verwies in diesem Zusammenhang erneut auf den Einsatz von Antibiotika zur Wachstumsförderung in der Mast. Mehr als zehn Jahre nach dem hiesigen Verbot dieser Praxis werde man endlich sicherstellen, dass dies auch bei Importen durchgesetzt werde. „Systematisch” bekämpft werden sollen laut dem Minister auch Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der Gemeinschaft. Alle Fragen des Pflanzenschutzes müssten auf europäischer Ebene diskutiert werden.
Weniger Pflanzenschutzmittel
Voranbringen will Frankreich Denormandie zufolge außerdem die Speicherung von Kohlenstoff in landwirtschaftlich genutzten Böden sowie die Verringerung des Einsatzes chemischer Pflanzenschutzmittel. Um die Landwirte dabei nicht in Sackgassen zu führen, sei es insbesondere notwendig, eine einheitliche Definition für biologische Pflanzenschutzmittel zu erarbeiten und die Rahmenbedingungen für neue Technologien wie Drohnen anzupassen.
Gemäß dem offiziellen Programm wird sich die französische Ratspräsidentschaft im Zusammenhang mit den Produktionsstandards von Importen vorrangig auf die Einführung „sektoraler Spiegelmaßnahmen” konzentrieren. Einfuhren sollten bestimmten Vorgaben der EU unterliegen, wann immer dies zur Stärkung des Gesundheits- oder Umweltschutzes „in größtmöglichem Umfang und unter Einhaltung der Regeln der Welthandelsorganisation (WTO)” erforderlich sei.
Gegen „importierte Entwaldung”
So weit wie möglich vorangetrieben werden soll zudem die Arbeit an der Verordnung gegen die „importierte Entwaldung”. Diese Initiative werde es der EU ermöglichen, die Zulassung von aus der Entwaldung erzeugten Produkten auf dem europäischen Markt zu verhindern, ihre Bemühungen zur Reduzierung ihres ökologischen Fußabdruckes hervorzuheben und Anreize für den Schutz und die Wiederherstellung von Wäldern auf globaler Ebene zu schaffen, heißt es dazu im Programm.
Bei der Kohlenstoffspeicherung will Frankreich einen ersten Schritt in Richtung eines europäischen Systems zur Anerkennung und Verbreitung von  Gütesiegeln erreichen. Im Pflanzenschutz wird angestrebt, die Überarbeitung der Vorgaben für die nachhaltige Verwendung voranzubringen, um den Pflanzenschutzmittelaufwand in der EU schneller zu reduzieren und die Nutzung von Alternativen zu fördern.
Drängen will Paris auch auf eine Überarbeitung der Verordnung über Statistiken zu landwirtschaftlichen Betriebsmitteln und zur landwirtschaftlichen Erzeugung. Hinsichtlich der Novellierung der europäischen Vorgaben zu geografischen Angaben von Lebensmitteln will Frankreich ebenfalls aufs Tempo drücken. Ziel sei es, das europäische Modell zu stärken und die Überarbeitung der Absatzförderung fortzusetzen, um diese wichtigen Politiken zu festigen und mit den Zielen des Green Deal abzustimmen.
Den Einfluss der EU in multilateralen Gremien zu Landwirtschafts- und Ernährungsbelangen will Paris stärken. Angeregt werden soll der Erfahrungsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten bei Prävention und Bekämpfung der Hochpathogenen Aviären Influenza (HPAI).  Ebenfalls auf der Agenda steht die Pflanzengesundheit; hier soll sich der Rat laut Programm mit den notwendigen Entwicklungen in Bezug auf die Einfuhrkontrollen und die Zertifizierung des Pflanzenhandels zwischen den Mitgliedstaaten befassen.
Berufsstand hat hohe Erwartungen
In Frankreich hat die Regierung im landwirtschaftlichen Berufsstand hohe Erwartungen an die Ratspräsidentschaft geweckt. Mit Blick auf die Ankündigung von Staatspräsident Emmanuel Macron, für ein neues europäisches Wachstumsmodell eintreten zu wollen, das wirtschaftliche Entwicklung und ehrgeizige Klimaziele miteinander in Einklang bringen soll, forderte der französische Bauernverband (FNSEA), dass die Landwirtschaft dabei eine „strategische Rolle” spielen müsse. Konkret drängt der FNSEA auf eine „allgemeine und obligatorische Kennzeichnung der Herkunft roher und verarbeiteter Lebensmittel”. Davon erhofft sich der Verband eine gerechtere Umverteilung des in der Produktionskette erzeugten Mehrwerts zugunsten der Landwirte und eine bessere Information der Verbraucher.
Zudem mahnt der FNSEA die Integration der Nachhaltigkeit in die europäische Handels- und Außenpolitik an. Die Landwirte in der EU sollten bei ihren Bemühungen für umweltfreundlichere Praktiken unterstützt und gleichzeitig durch gegenseitige Standards für importierte Produkte vor unfairem internationalem Wettbewerb geschützt werden. Im Hinblick auf die Farm-to-Fork-Strategie erwartet der französische Bauernverband „finanzielle und technische Mittel” für die EU-Landwirtschaft. Während der Pariser Ratspräsidentschaft werden zu dieser Thematik jedoch nur informelle Gespräche erwartet.
Seltene Gelegenheit
Auch die Interprofession für Vieh und Fleisch (Interbev) trat mit einer Liste von Forderungen an die Regierung heran. Für den Branchenverband kann die französische Ratspräsidentschaft nur als erfolgreich betrachtet werden, wenn das Verbot für Importe von Fleisch von „mit Antibiotika gedopten Tieren” tatsächlich erlassen wird. Interbev pocht außerdem darauf, die Einfuhr von Rindfleisch aus Ländern mit einem hohen Risiko für Entwaldung zu untersagen, sofern die Importeure nicht in der Lage sind, eine vollständige Rückverfolgbarkeit über den gesamten Lebenszyklus der Tiere zu garantieren. Verbandspräsident Jean-François Guihard bezeichnete den französischen Ratsvorsitz als „seltene Gelegenheit”, die nicht verpasst werden dürfe.