Was es mit dem 1000-Kuh-Stall auf sich hat
Die vier Betriebe werden aber nach wie vor als Einzelbetriebe weitergeführt – die Kaltenbachs und Königs halten Milchkühe, die Metzlers und die Rauchs Schweine, 120 Milchkühe und 4000 Schweine und Ferkel gibt es derzeit in Hahnennest. Hahnennest liegt zwischen Ostrach und Pfullendorf. Der Energiepark Hahnennest liegt etwas erhöht am Rande des Ostracher Weilers mit seinen gut 40 Einwohnern. Dafür wurde ein 5,7 Hektar großes Sondergebiet ausgewiesen. Das ging im Gemeinderat der Kommune mit rund 6600 Einwohnern ohne Widerstand über die Bühne, auch das Landratsamt hatte keine Einwände. Das Biogasprojekt funktioniere super, ziehen die Hahnennester Landwirte nach fast drei Jahren Betrieb ein positives Fazit ihrer Partnerschaft.
Zweifelnde Stimmen von außen habe es natürlich gegeben, aber man sei durch das Biogas-Projekt noch näher zusammengerückt, sagt Georg Rauch. „Aus Solidarität, Toleranz und Kommunikation heraus entsteht Vertrauen, wir untereinander vertrauen uns und geben uns gegenseitig Sicherheit”, bringt er die Erfahrungen auf den Punkt. Nicht zuletzt die sozialen Vorteile nennt Edwin König als wichtiges Argument: „Jeder kann mal Urlaub machen und krank sein.”
Die gemeinsame Vertrauensbasis ist groß genug, nun den zweiten Streich folgen zu lassen. Der Impuls dazu kam von den Bauplänen der Milchviehbetriebe von Edwin König (47) und Egon Kaltenbach (61). Kaltenbachs Sohn Felix (22) ist nach der Technikerausbildung in Sigmaringen mittlerweile im Betrieb tätig und bei den Königs ließen zwei Teenager mit landwirtschaftlichen Ambitionen Gedanken an die Betriebsentwicklung reifen.
Bei den Kaltenbachs wäre ein kompletter Stallneubau angestanden, sie halten bisher 70 Kühe. Bei den Königs sind es 50 Kühe mit Nachzucht. Um die 200 Kühe pro Familie wurden ins Auge gefasst, eine für die Sigmaringer Region mittlerweile gängige Größenordnung bei Entwicklungsschritten, sagt Felix Kaltenbach.
Dann enstand im Frühjahr 2014 die Idee, gemeinsam zu bauen. Und schnell war eine Investition zu viert im Gespräch, nach dem bewährten Modell: GmbH&CoKG mit jeweils 25-prozentiger Beteiligung der vier Familien. Um das Bild zu komplettieren: Bei Georg Rauch (63) ist Sohn Simon (32) bereits seit Jahren im Betrieb dabei, Thomas Metzler (49) hat zwei Kinder, die mit der landwirtschaftlichen Lehre bereits begonnen haben bzw. kurz davor stehen.
Für den Stallbau soll erneut ein Sondergebiet ausgewiesen werden. Die Haltung im Ostracher Gemeinderat sei positiv, betonen die Hahnennester Landwirte im Gespräch mit der BBZ. Der Aufstellungsbeschluss des Gemeinderats für das 5,5 Hektar große Sondergebiet ist bereits erfolgt. Jetzt müssen die Bauherren einen Bebauungsplan vorlegen.
Vor Kurzem wurden die Pläne erstmals Behördenvertretern vorgestellt. Die Haltung der Behörden von Naturschutz über Gewässer bis hin zu Veterinären und Landwirtschaftsamt sei dabei objektiv und nüchtern gewesen, sagt Georg Rauch, der auchÜberlinger BLHV-Kreisvorsitzender ist. Nun gelte es, auftauchende Fragen der Behörden abzuarbeiten. „Wir müssen jetzt unsere Hausaufgaben machen und dann einen Bauantrag stellen”, sagt Thomas Metzler. Er hofft, dass die Genehmigung innerhalb der nächsten sechs Monate vorliegen wird. Als Bauzeit veranschlagt er ein Jahr.
Der Stall soll zwei Futterachsen haben. Tiergerechtheit wird groß geschrieben, weil diese schließlich auch in höhere Leistung umgesetzt werde, wie Edwin König anmerkt. Für jede Kuh soll ein Fressplatz zur Verfügung stehen. Geplant sind Tiefboxen, die mit Stroh und separiertem Material eingestreut werden. Dieses wird vor Ort aus der eigenen Gülle separiert und hygienisiert. Entmistet wird per Schieber.
Gefüttert werden soll eine Totalmischration auf der Basis von Grassilage und Maissilage. Ob eine automatische Fütterungstechnik angeschafft wird, ist noch nicht entschieden.
Bei der Melktechnik sind dagegen die Würfel schon gefallen: Es soll ein vollautomatisches 36er-Karussell eingebaut werden, sprich jeder Melkplatz ist mit einem Roboter ausgestattet. Zu zweit kann man dann eintreiben und das automatische Melken überwachen. Solche Karusselle gibt es in Deutschland erst wenige. Die Kühe werden in 150er-Gruppen gehalten, der Wartebereich fasst eine Gruppe. Die Tiere werden in sechs Leistungsgruppen gefüttert. Melktechnik und Aufstallung sollen von der Firma GEA geliefert werden.
Letztlich ergebe sich die Kuhzahl durch die Melktechnik: „Mit dieser Kuhzahl rechnet sich die Melktechnik”, erklärt Edwin König. Eine Erweiterung des Stalles lässt das Grundstück nicht zu. „Wir sagen nicht, wir bauen jetzt für 500 Kühe und in ein paar Jahren spiegeln wir, so sind wir nicht gestrickt”, betont Thomas Metzler. Melkpersonal einzusparen, erscheint den Hahnennestern als sinnvolle Strategie. Mit 10 bis 12 zusätzlichen Angestellten wollen sie ihren 1000er-Kuhstall managen. Sie sind zuversichtlich, die nötigen Arbeitskräfte in der näheren Umgebung zu finden. Bereits jetzt beschäftigen die vier Betriebe einschließlich der Biogasanlage insgesamt 17 Arbeitskräfte. „Natürlich ist das nachher ein komplett anderes Arbeiten für uns, aber wir trauen uns zu, 1000 Kühe zu managen”, sagt Edwin König.
Die Käberaufzucht erfolgt in den bestehenden Gebäuden der Familien Kaltenbach und König. Die Jungrinderaufzucht wird ausgelagert, interessierte Betriebe hätten schon angefragt.
Mehr Fläche brauchen die vier Betriebe nicht, um die zusätzlichen Kühe in Hahnennest künftig zu füttern. Schließlich steht nachher mehr Gülle für die Biogasanlage zur Verfügung. Folglich kann der Anteil an Mais und Grassilage als Substrat zurückgefahren werden. Zurzeit liegt der Gülleanteil bei rund 52 Prozent.
Der Gülleanteil in der Biogasanlage werde zunehmen. Rund 20 000 Kubikmeter Gülle dürften aus dem neuen Kuhstall pro Jahr anfallen, das ist etwas mehr als die Hälfte der Menge, die eine Zwei-Megawatt-Biogasanlage benötigt. Dazu kommt die Schweinegülle, weil nach dem derzeitigen Stand der Planungen die Betriebe Metzler und Rauch ihre Schweinehaltung weiterführen wollen.
Wie hoch der Gülleanteil später genau liegen werde, sei allerdings derzeit noch offen, weil nicht klar sei, ob vier derzeit Gülle liefernde Betriebe weiterhin ihre Gülle bringen werden. Das Fernziel sei, die Biogasanlage zum ganz überwiegenden Teil mit Gülle und landwirtschaftlichen Abfallstoffen wie Apfel- und Traubentrester zu fahren.
Knapp ist Fläche nicht des Futters wegen, sondern wegen der Nährstoff-Überschüsse nach der Reduzierung der Stickstoff-Obergrenzen. Dem Thema wollen die Hahnennester Landwirte mit einer Separierung begegnen. Die separierten Nährstoffe könne man an andere Betriebe abgeben.
Dass die AbL sie nicht zu dem Diskussionsabend eingeladen hatte, empfinden die Hahnennester Landwirte als unfair. Sie gingen trotzdem hin und kamen im Laufe der Veranstaltung dann auch zu Wort. „Bei der Veranstaltung sind wir als Punktsieger vom Feld gegangen”, so die Einschätzung von Georg Rauch. Die weit überwiegende Zahl der Besucher seien Landwirte gewesen. Für ihn ein Zeichen dafür, dass die Bevölkerung vor Ort in dem Stall kein großes Problem sieht.
„Die Kritiker haben sich vor allem auf die Zahl 1000 eingeschossen, wenn wir vier Ställe mit je 250 Tieren bauen würden, wäre das nicht so zum Thema gemacht worden”, meint er. Allen Einwänden der Kritiker könne man gute Argumente entgegenhalten, sind sich die vier Familien einig.
Sie wollen in nächster Zeit selbst die Bevölkerung zu einer Informationsveranstaltung einladen. Überhaupt solle der Stall später für Besuchergruppen offen sein. „Wir wollen baulich eine Möglichkeit schaffen, so dass ein Bus voller Leute den Stall besichtigen kann”, kündigt Georg Rauch an.
Auswirkungen auf die Pachtpreise, Sorgen um das Grundwasser und um die Fürsorge für das einzelne Tier, fehlender Weidegang und weitere Transportwege sind für ihn Stichworte in diesem Zusammenhang.
„Mit einem Projekt in dieser Dimension stellen sich eben auch Grundsatzfragen: Wo wollen wir mit unserer Landwirtschaft in Baden-Württemberg hin?”, betont Thomas.
Deutlich geworden seien bei der Diskussion die unterschiedlichen Haltungen, sowohl in der Bevölkerung als auch bei Landwirten. Für weitere Gespräche mit den Landwirten in Hahnennest sei die AbL offen, ein Treffen sei sinnvoll, so Thomas.
Nach Angaben des Ministeriums Ländlicher Raum gibt es derzeit in Baden-Württemberg übrigens rund 50 Milchviehställe mit 200 oder mehr Kühen. bos