Betrieb und Wirtschaft | 11. März 2015

Was es mit dem 1000-Kuh-Stall auf sich hat

Von René Bossert
In Ostrach-Hahnennest im Landkreis Sigmaringen soll der größte Milchviehstall Baden-Württembergs entstehen. Vier Betriebe wollen gemeinsam 6,5 Millionen Euro investieren und 1000 Milchkühe halten. Was ist genau geplant?
Der neue Stall wäre  das zweite Großprojekt, das die Familien Kaltenbach, König, Metzler und Rauch gemeinsam stemmen. Seit 2012 betreibt das Quartett den Energiepark Hahnennest, eine Zwei-Megawatt-Biogasanlage mit angeschlossener Methangas-Aufbereitung. Dafür haben die vier Vollerwerbsbetriebe  eine GmbH& CoKG gegründet mit jeweils 25-prozentiger Beteiligung. 
Die vier Betriebe  werden aber  nach wie vor als Einzelbetriebe weitergeführt – die Kaltenbachs und Königs halten Milchkühe, die Metzlers und  die Rauchs Schweine, 120 Milchkühe und 4000 Schweine und Ferkel gibt es derzeit in Hahnennest.  Hahnennest liegt zwischen Ostrach und Pfullendorf. Der Energiepark Hahnennest liegt etwas erhöht am Rande des Ostracher Weilers mit seinen gut 40 Einwohnern.  Dafür wurde ein 5,7 Hektar großes Sondergebiet ausgewiesen. Das ging  im  Gemeinderat der Kommune mit rund 6600 Einwohnern ohne Widerstand über die Bühne, auch das Landratsamt hatte keine Einwände. Das Biogasprojekt funktioniere super, ziehen die Hahnennester Landwirte nach fast drei Jahren Betrieb ein positives Fazit ihrer Partnerschaft.
So sieht der Grundriss-Plan im Moment aus,      zeigen (v. li.) Thomas Metzler, Edwin König, Felix Kaltenbach und Georg Rauch. Links neben dem Stallgebäude schließt sich      das schmälere Melkhaus an.

 Zweifelnde Stimmen von außen habe es natürlich gegeben, aber man sei durch das Biogas-Projekt  noch näher zusammengerückt, sagt Georg Rauch. „Aus Solidarität, Toleranz und Kommunikation heraus entsteht Vertrauen, wir untereinander vertrauen uns und geben uns gegenseitig Sicherheit”, bringt  er die  Erfahrungen  auf den Punkt. Nicht zuletzt die sozialen Vorteile nennt Edwin König als wichtiges Argument: „Jeder kann mal Urlaub machen und krank sein.”
 Die gemeinsame Vertrauensbasis ist    groß genug, nun den  zweiten Streich folgen zu lassen. Der Impuls dazu kam von den Bauplänen der Milchviehbetriebe von Edwin König (47) und Egon  Kaltenbach (61). Kaltenbachs Sohn Felix (22) ist nach der Technikerausbildung in Sigmaringen mittlerweile im Betrieb tätig und bei den Königs ließen  zwei Teenager mit landwirtschaftlichen Ambitionen  Gedanken an die Betriebsentwicklung reifen.
Bei den Kaltenbachs wäre ein kompletter Stallneubau angestanden, sie halten bisher 70 Kühe. Bei den Königs sind es 50 Kühe mit Nachzucht. Um die 200 Kühe pro Familie wurden ins Auge gefasst, eine für die Sigmaringer Region mittlerweile gängige Größenordnung bei Entwicklungsschritten, sagt Felix Kaltenbach.  
Dann enstand im Frühjahr 2014 die Idee, gemeinsam zu bauen. Und schnell war eine Investition zu viert im Gespräch, nach dem bewährten Modell: GmbH&CoKG mit jeweils  25-prozentiger Beteiligung der vier Familien.  Um das Bild zu komplettieren: Bei Georg Rauch (63) ist Sohn Simon (32) bereits seit Jahren im Betrieb dabei, Thomas Metzler (49) hat zwei Kinder, die mit der landwirtschaftlichen Lehre bereits begonnen haben bzw. kurz davor stehen.
Für den Stallbau soll erneut ein Sondergebiet ausgewiesen werden. Die Haltung im Ostracher Gemeinderat sei positiv, betonen die Hahnennester Landwirte im Gespräch mit der BBZ.   Der  Aufstellungsbeschluss des Gemeinderats für das 5,5 Hektar große Sondergebiet  ist bereits erfolgt. Jetzt müssen die Bauherren einen Bebauungsplan vorlegen.   
Vor Kurzem wurden die Pläne erstmals Behördenvertretern vorgestellt. Die Haltung der Behörden von Naturschutz über Gewässer bis hin zu Veterinären und Landwirtschaftsamt sei dabei objektiv und nüchtern gewesen, sagt Georg Rauch, der auchÜberlinger  BLHV-Kreisvorsitzender ist. Nun gelte es,  auftauchende Fragen der Behörden abzuarbeiten. „Wir müssen jetzt unsere Hausaufgaben machen und dann einen Bauantrag stellen”, sagt Thomas Metzler. Er hofft, dass die Genehmigung innerhalb der nächsten sechs Monate vorliegen wird. Als Bauzeit veranschlagt er ein Jahr.
Was ist geplant?
Wie ist der derzeitige Stand ihrer Planungen? Ein maximal tiergerechter Stall für 6500 Euro pro Kuhplatz soll  entstehen.  Geplant ist ein 220 mal 58 Meter großer Außenklimastall mit Curtains an den Längsseiten.  So kann eine Querlüftung in West-Ost-Richtung stattfinden. Die langgestreckte Form wird durch das zur Verfügung stehende Grundstück erforderlich, das   unmittelbar neben der  Biogasanlage liegt.
Der Stall soll zwei Futterachsen haben. Tiergerechtheit wird groß geschrieben, weil diese schließlich auch in höhere Leistung umgesetzt werde, wie Edwin König anmerkt. Für jede Kuh soll ein Fressplatz  zur Verfügung stehen. Geplant sind Tiefboxen, die mit Stroh und separiertem Material eingestreut werden. Dieses wird vor Ort aus der eigenen Gülle separiert und hygienisiert. Entmistet wird per Schieber.
Gefüttert werden soll eine Totalmischration auf der Basis von Grassilage und Maissilage. Ob eine automatische Fütterungstechnik angeschafft wird, ist noch nicht entschieden.
Bei der Melktechnik sind dagegen die Würfel schon gefallen: Es soll ein vollautomatisches 36er-Karussell eingebaut werden, sprich jeder Melkplatz ist mit einem Roboter ausgestattet. Zu zweit kann man dann eintreiben und das automatische Melken überwachen. Solche Karusselle gibt es in Deutschland erst  wenige. Die Kühe werden in 150er-Gruppen gehalten, der Wartebereich fasst eine Gruppe. Die Tiere werden in sechs Leistungsgruppen gefüttert. Melktechnik und Aufstallung sollen von der Firma GEA geliefert werden.
Letztlich ergebe sich die Kuhzahl durch die Melktechnik: „Mit dieser Kuhzahl rechnet sich die Melktechnik”, erklärt Edwin König. Eine Erweiterung des Stalles lässt das Grundstück nicht zu. „Wir sagen nicht, wir bauen jetzt für 500 Kühe und in ein paar Jahren spiegeln wir, so sind wir nicht gestrickt”, betont Thomas Metzler.  Melkpersonal einzusparen, erscheint den Hahnennestern als sinnvolle Strategie. Mit 10 bis 12 zusätzlichen Angestellten wollen sie ihren 1000er-Kuhstall managen. Sie sind zuversichtlich, die nötigen Arbeitskräfte in der näheren Umgebung zu finden. Bereits jetzt beschäftigen die vier Betriebe einschließlich der Biogasanlage insgesamt 17 Arbeitskräfte. „Natürlich ist das nachher ein komplett anderes Arbeiten für uns, aber wir trauen uns zu, 1000 Kühe zu managen”, sagt Edwin König.
Keine Förderung
Die Rassenfrage steht für sie übrigens nicht obenan, wahrscheinlich werde es langfristig Richtung Holstein gehen, erwartet König, der selbst derzeit Fleckvieh hält. 9000 Kilogramm werden als Leistungsziel angestrebt. Förderung soll für das Projekt nicht in Anspruch genommen werden.
Die Käberaufzucht erfolgt in den bestehenden Gebäuden der Familien Kaltenbach und König. Die Jungrinderaufzucht wird ausgelagert, interessierte Betriebe hätten schon angefragt. 
Mehr Fläche brauchen die vier Betriebe nicht, um die zusätzlichen Kühe in Hahnennest künftig zu füttern. Schließlich steht nachher mehr Gülle für die Biogasanlage zur Verfügung. Folglich kann der Anteil an Mais und Grassilage als Substrat zurückgefahren werden. Zurzeit liegt der Gülleanteil bei rund 52 Prozent.   
Bisher werden von den vier Betrieben insgesamt rund 1150 Hektar Fläche bewirtschaftet, davon sind etwa 220 Hektar Grünland. Diese Fläche habe sich seit dem Bau der Biogasanlage nicht erhöht. Und auch künftig wolle man nicht auf Flächensuche gehen, betont Thomas Metzler. „Wenn wir Flächen angeboten bekommen, würden wir sie dazunehmen – wir verhalten uns  wie andere Vollerwerbsbetriebe auch”, stellt er fest.
Der Gülleanteil in der Biogasanlage werde zunehmen. Rund 20 000 Kubikmeter Gülle dürften aus dem neuen Kuhstall pro Jahr anfallen, das ist etwas mehr als die Hälfte der Menge, die eine Zwei-Megawatt-Biogasanlage benötigt. Dazu kommt die Schweinegülle, weil nach dem derzeitigen Stand der Planungen die Betriebe Metzler und Rauch ihre Schweinehaltung weiterführen wollen. 
 Wie hoch der Gülleanteil später genau liegen werde, sei allerdings derzeit noch offen, weil nicht klar sei, ob vier derzeit Gülle liefernde Betriebe weiterhin ihre Gülle bringen werden. Das Fernziel sei, die Biogasanlage zum ganz überwiegenden Teil mit Gülle und landwirtschaftlichen Abfallstoffen wie Apfel- und Traubentrester zu fahren.
Knapp ist Fläche nicht des Futters wegen, sondern wegen der Nährstoff-Überschüsse nach der Reduzierung der Stickstoff-Obergrenzen.  Dem Thema wollen die Hahnennester Landwirte mit einer Separierung begegnen.   Die separierten Nährstoffe könne man an andere Betriebe abgeben.
Die Reaktionen
Die Hahnennester Stallbaupläne sorgten und sorgen für erhebliches Interesse und Medienanfragen. Eine Liste mit 600 Unterschriften gegen das Projekt liegt vor.  Reaktionen von Politikern seien nicht negativ sondern nüchtern gewesen, betont Georg Rauch. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) hatte vor Ort zu einem Diskussionsabend eingeladen, zu dem rund 300 Leute kamen – sogar das Fernsehen berichtete. 
Dass die AbL sie nicht zu dem Diskussionsabend eingeladen hatte, empfinden die Hahnennester Landwirte als unfair. Sie gingen trotzdem hin und kamen im Laufe der Veranstaltung dann auch zu Wort. „Bei der Veranstaltung sind wir als Punktsieger vom Feld gegangen”, so die Einschätzung von Georg Rauch. Die weit überwiegende Zahl der Besucher seien Landwirte gewesen.  Für ihn ein Zeichen dafür, dass die Bevölkerung vor Ort in dem Stall kein großes Problem sieht.
 „Die Kritiker haben sich vor allem auf die Zahl 1000 eingeschossen, wenn wir vier Ställe mit je 250 Tieren bauen würden, wäre das nicht so zum Thema gemacht worden”, meint er. Allen Einwänden der Kritiker könne man gute Argumente entgegenhalten, sind sich die vier Familien einig.
 Sie wollen in nächster Zeit selbst die Bevölkerung zu einer Informationsveranstaltung einladen. Überhaupt solle der Stall später  für Besuchergruppen offen sein. „Wir wollen baulich eine Möglichkeit schaffen, so dass ein Bus voller Leute den Stall besichtigen kann”, kündigt Georg Rauch an.
AbL geht es auch ums Grundsätzliche
Die Diskussionsveranstaltung vor Ort habe an der kritischen Haltung der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) zu dem geplanten Stall nichts geändert, erklärt der baden-württembergische AbL-Geschäftsführer Dr. Frieder Thomas gegenüber der BBZ.
 Auswirkungen auf die Pachtpreise, Sorgen um das Grundwasser und um die Fürsorge für das einzelne Tier, fehlender Weidegang und weitere Transportwege sind für ihn  Stichworte in diesem Zusammenhang.
  „Mit einem  Projekt in dieser Dimension stellen sich eben auch Grundsatzfragen: Wo wollen wir mit unserer Landwirtschaft in Baden-Württemberg hin?”, betont Thomas.
Deutlich geworden seien bei der Diskussion die unterschiedlichen Haltungen, sowohl in der Bevölkerung als auch bei Landwirten.  Für weitere Gespräche mit den Landwirten in Hahnennest sei die AbL offen, ein Treffen sei sinnvoll, so Thomas.
Nach Angaben des  Ministeriums Ländlicher Raum  gibt es derzeit in Baden-Württemberg übrigens rund 50 Milchviehställe mit 200 oder mehr Kühen. bos