Land und Leute | 15. Oktober 2015

Von FFH-Flächen und Flexibilität

Von Heinrich von Kobylinski
Die Anforderungen des Naturschutzes bei FFH-Flächen können nicht überall und von jedem Flächenbewirtschafter erfüllt werden. Wegen dieser Problematik werde die Verwaltung künftig stellenweise mehr Flexibilität zeigen, hieß es vergangene Woche bei einer Veranstaltung in Oppenau-Lierbach.
Eingeladen hatte der Landschaftserhaltungsverband Ortenaukreis (LEV). Nach der Besichtigung einiger Flächen ging es bei der Aussprache mit Ministerialdirigent Wolfgang Reimer vom Stuttgarter Landwirtschaftsministerium zur Sache. Die Anforderungen in FFH-Gebieten umzusetzen, wird für die Mitglieder der Weidegemeinschaft Lierbach immer schwieriger, selbst wenn die Aktivitäten nach den großzügiger gestalteten Sätzen der Landschaftspflegerichtlinie (LPR) abgegolten werden.
 Der Waldanteil in Lierbach liegt bei über 90 Prozent. Die Grünlandflächen sind klein. Bei der  Weidegemeinschaft liegen sie zwischen 2,5 und 12 ha. Dazu sind sie steil, oft zwischen 40 und 50%. Außerdem ist  der Anteil von FFH-Flächen hoch. Niedrig ist hingegen der Tierbesatz. 
Fritz Vogt (mit Kapuze) zeigte eine Fläche: Sie liegt rechts neben dem Hofgebäude und wurde seit 2004 nicht mehr bearbeitet. Die Verbuschung ist weit fortgeschritten.
Im Gründungsjahr 2003 umfasste die Weidegemeinschaft 21 ha. Nach Angaben ihres Vorsitzenden Fritz Vogt sind es heute 24 ha. Gehalten werden insgesamt  58 Mutterschafe, acht Mutterziegen, sechs Pferde und vier Rinder. Die Zahl der Mitglieder sank von 24 auf 21.
Jetzt droht  eine Überalterung. Von der Folgegeneration wollen sich nur wenige mit den steilen Wiesen abgeben. Obendrein gibt es wegen des niedrigen Tierbesatzes kaum Winterfutterbedarf.
 Die Naturschutzbehörde erwartet das regelmäßige Abernten der FFH-Flächen. Der artenreiche und nährstoffarme Aufwuchs muss mühsam zu Heu und Heuballen gemacht werden.    Markus Birk, ein junger Hofnachfolger, berichtete, dass er Urlaubstage fürs Heumachen verwendete und am Ende die Ballen verschenkte.
Mulchen ist nicht erlaubt
Dabei liegt dem hauptberuflichen Schreiner viel an der Offenhaltung. Dennoch würde er  lieber mulchen, weil dann das Heumachen entfällt. Das aber ist in den Entwicklungsvorgaben der FFH-Managementpläne  nicht erlaubt. Nach Ansicht des Naturschutzes reduziert das verrottende Mähgut allmählich die Artenvielfalt. Man würde  gegen das  Verschlechterungsverbot verstoßen.
Wie das Festhalten an Prinzipien aber in der Praxis wirken kann, zeigte sich  beim zweiten Besichtigungspunkt: einen nicht mehr genutztern Wiesenhang, der im Lauf der Sukzession verbuscht und in seiner Artenvielfalt drastisch verarmt ist (siehe oberes Bild). Die Eigentümer wollten sich die Flächenpflege nicht mehr auferlegen und zogen 2004 weg.
Für Fritz Vogt ist das eine Gefahr, die unterschwellig weit verbreitet ist.   Er  ist überzeugt, dass die Pflege verbliebener Mähwiesen nicht durch Androhung von Sanktionen fortgeführt werden kann, sondern eher durch das Angebot echter Arbeitserleichterungen. Gleichzeitig müsse im Dialog mit dem Flächenbewirtschafter nach solchen Nutzungsarten gesucht werden, die von ihm auch tatsächlich umsetzbar sind. Die Entlohnung der Arbeiten nach den Sätzen der Landschaftspflegerichtlinie  (bis zu 1000 Euro/ha) reiche nicht aus.
Vogt berichtete von Mitgliedern, die gern Pferde halten würden, andere liebäugeln mit Damhirschen. Er selbst ist zufrieden, dass auf seinen FFH-Flächen   Schafhaltung erlaubt ist. Investitionshilfen für Zäune seien wichtig. Ebenso sollte dabei die Möglichkeit von Eigenleistungen Berücksichtigung finden.
Wolfgang Reimer zeigte sich nach der Besichtigung beeindruckt und fand, dass man in dem zugewachsenen Tal eigentlich einen Motorsägen-Trupp bräuchte. Im Anschluss daran verwies er aber auf ein laufen-
des Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Deutschland wegen Versäumnissen bei der Umsetzung von Maßnahmen- und Entwicklungsplänen in FFH-Gebieten.
Reimer zeigte sich dennoch aufgeschlossen gegenüber den Anliegen der Bewirtschafter und des BLHV und bestätigte, „dass uns vielerorts die bäuerliche Struktur wegstirbt”. Als dann ein Vertreter der Unteren Naturschutzbehörde mahnte, dass durch das Mulchen der Naturschutzstatus von FFH-Flächen verloren gehen könne, nannte Reimer ein Gegenbeispiel aus dem Regierungsbezirk Tübingen: Dort wurde wegen der auffälligen Zunahme der Biberpopulation die  „letale Vergrämung” (d. h. die Bekämpfung) des pelzigen Nagers beschlossen, der bisher geschützt ist.
Mosaikartig
Reimer blieb für den Rest der Diskussion dennoch vorsichtig: Er zeigte, dass Flexibilität beim Biberschutz nicht gleich Flexibilität bei der FFH-Mähwiese heißen könne. Auf Nachfrage von Eckhard Schmieder vom BLHV sprach Reimer  bei FFH-Flächen von „unterschiedlichen, auch mosaikartigen Bewirtschaftungslösungen, die in Abwägung getroffen werden sollten”. Wer dann auf FFH-Flächen die Erlaubnis zum Mulchen habe, könne kaum mehr LPR-Mittel erwarten.
Für Lierbach sollen unter der Moderation des LEV und in Zusammenarbeit mit der Naturschutzbehörde konzeptionelle Lösungen mit der Weidegemeinschaft und anderen Bewirtschaftern gefunden werden. Gleichzeitig könnten sich daraus Chancen ergeben für eine Förderung durch das LEADER-Programm. 
Dr. Martin Schreiner, Leiter des Ortenauer Dezernats für den Ländlichen Raum, sah darin ein Signal für den Durchbruch: „Bei der Bewirtschaftung von FFH-Einzelflächen wird es eine Flexibilität geben, die eine Abweichung vom Managementplan  zulässt”, fasste er abschließend zusammen.
Dieter Blaeß vom Freiburger Regierungspräsidium warnte  die Bewirtschafter: Wer den „Goldenen Zügel” – das heißt den finanziellen Anreiz zur Landschaftspflege – nutze, aber ohne Absprache mulche oder Damwild halte, betreibe eine aktive Verschlechterung und müsse mit Sanktionen rechnen.