Pflanzenbau | 30. Juni 2014

Viele Rapssorten haben Potenzial

Von Maria Müller-Belami, Landwirtschaftliches Technologiezentrum Augustenberg
Winterraps war 2012/2013 in Deutschland die drittwichtigste Kultur. Die Anbaufläche nahm um knapp neun Prozent zu. 1,46 Millionen Hektar erbrachten durchschnittliche Erträge von 39,5 dt/ha. Das Sortenangebot zur kommenden Aussaat wird im folgenden unter die Lupe genommen.
In Baden-Württemberg ist die Nettofläche leicht auf 60200 ha bei einem durchschnittlichen Ertragsniveau von 37 dt/ha gestiegen. Nach aktuellen Schätzungen geht es 2013/2014 mit dem Anbauumfang wieder deutlich nach unten auf rund 56300 ha. Das ergeben Zahlen des Statistischen Bundesamtes, des Statistischen Landesamtes und der Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen e.V.,  UFOP.

Aller Anfang ist schwer: Ob dieser keimende Raps ertragsmäßig ein „Hit” wird, hängt unter anderem von der richtigen Sortenwahl ab.
Von den sechs Standorten der Landessortenversuche (LSV) in der Saison 2012/2013 kamen fünf in die Auswertung. Der Standort Bösingen fiel wegen massiver Hagelschäden kurz vor der geplanten Ernte aus. Insgesamt waren die Wetterbedingungen für den Winterraps zufriedenstellend: gute Herbstentwicklung, keine Auswinterungsschäden und kaum Lager und Pilzinfektionen.
Probleme verursachte auf den Versuchsflächen der massive Zuflug von Rapsglanzkäfer, Schotenrüssler und Schotenmücke, besonders in Boxberg, Neuenstein und Krauchenwies. Der Standort Tailfingen hatte mit extremem Mäusefraß und Lager durch Starkregen zu kämpfen.
Rapsversuche werden zweifaktoriell angelegt. In Variante 1 (V1) mit N-Düngung nach guter fachlicher Praxis und ohne Fungizideinsatz wird insbesondere die Krankheitsanfälligkeit der Sorten beurteilt. Variante 2 (V2) liegt auf gleichem Düngeniveau mit praxisüblichem Fungizideinsatz.
Der Durchschnittsertrag beider Varianten in den LSV betrug 2013 knapp 55 dt/ha (V2: 55,6 dt/ha, V1: 54,3 dt/ha). Eiselau präsentiert sich als ertragsstärkster Standort mit 60 dt/ha in V1. Die hohen Ölgehalte des Vorjahres wurden 2013 nicht erreicht, der durchschnittliche Ölgehalt bewegte sich um 44,2 %, der Ölertrag lag bei 24,6 dt/ha.
Die Beurteilung der Sorten erfolgt anhand aktueller und mehrjähriger LSV-Ergebnisse. Für die Einschätzung neuer Sorten werden die Wertprüfungen (WP) und die Bundes- und EU-Sortenversuche (BSV/EUSV) herangezogen.
In Tabelle 1 stehen die Relativerträge beider Varianten im mehrjährigen adjustierten Mittel, in Tabelle 2 die Relativerträge 2013 einschließlich der neu geprüften Sorten. Der Ölgehalt und -ertrag sowie die Marktleistung sind in Tabelle 3 zu finden. In Tabelle 4 stehen die offiziellen Einstufungen laut Beschreibender Sortenliste (BSL) von den Sorten, die 2013/2014 erneut in den LSV standen.
Die Phomaanfälligkeit wird anhand der bundesweiten Phomaresistenzprüfungen beurteilt. Sorten, für die keine Prüfung vorliegt, werden nach den bisherigen Beobachtungen eingeschätzt. In den baden-württembergischen LSV werden derzeit keine Phomabonituren durchgeführt.
Mehrjährig geprüfte Sorten
Die phomatolerante Liniensorte Adriana lässt im Ertrag weiter nach. Auch Ölgehalt und Marktleistung liegen nur knapp um den Durchschnitt.
Artoga, eine spätblühende Sorte, erweist sich als zuverlässige Hochleistungshybride in beiden Varianten und auf allen LSV-Standorten. Sie erreicht in der Marktleistung mehrjährig Top-Resultate.
Im Kornertrag wird Avatar in der BSL mit der Bestnote 9 belegt. In Baden-Württemberg bleibt die Hybride 2013 und mehrjährig leicht hinter der ertragsstarken Konkurrenz zurück. Im Ölertrag kann Avatar die sehr gute Beurteilung (9) bestätigen und liefert ausgezeichnete Marktleistungen. Bei Sclerotinia und Phoma zeigen sich deutliche Anfälligkeiten.
Die Liniensorte ES Alegria kann mehrjährig weder im Ertrag noch beim Ölgehalt überzeugen. Ihre Stärke liegt in der hervorragenden Phomatoleranz. Trotz ihrer Kürze neigt die Sorte zu Lager.
Genie bestätigt 2013 und mehrjährig in V1  das hohe Ertragspotenzial. Die Sorte zeichnen weiterhin der hervorragende Ölgehalt und die gute Gesundheit und Standfestigkeit aus.
Die Hybride Marquis verliert wegen unterdurchschnittlicher Kornerträge weiter den Anschluss. Auch im Ölertrag kann die Sorte trotz guten Ölgehaltes nicht punkten, leichte Phoma- und Sclerotiniaanfälligkeiten sind erkennbar.
Die frühe und standfeste Hybride Primus zeigt ihre Ertragsstabilität vor allem in der Variante 1. Die Marktleistung bewegt sich im Mittelfeld. Aus den Vorjahresprüfungen sind Tendenzen zu höherem Phomabefall erkennbar.
PR 46 W 24/Müller 24, eine EU-Hybride, präsentiert sich mehrjährig ertragskonstant mit ausgezeichnetem Ölgehalt und -ertrag. Kritisch zu sehen sind die erhöhten Befallswerte bei Phoma.
PR 46 W 26 ist mehrjährig das Maß aller Dinge: sowohl beim Kornertrag in beiden Varianten als auch beim Ölertrag und der Marktleistung. 2013 beeindruckt die EU-Hybride ebenfalls mit hervorragenden Ergebnissen. Trotz beachtlicher Länge bleibt die Sorte standfest, zeigt allerdings höheren Phomabefall.
Die EU-Sorte Sherlock bleibt, trotz fallender Tendenz, mehrjährig ertragsstärkste Liniensorte mit hervorragenden LSV-Ergebnissen 2013 in Neuenstein und Eiselau. Die Marktleistung ist bei niedrigem Ölgehalt zufriedenstellend, bei der Standfestigkeit zeigt die Sorte Schwächen.
Sherpa ist eine sehr homogene und leistungsstarke Hybride in den verschiedenen Anbaugebieten und Varianten. Trotz unterdurchschnittlichen Ölgehaltes beeindruckt die Sorte 2013 mit einer  blendenden Marktleistung. Bei Phoma zeigen sich Schwächen.
 Standfestigkeit, Phomatoleranz und Kontinuität zeichnen die Allroundhybride Treffer aus. Besonders in der reduzierten Variante präsentiert sich die Sorte auf hohem Niveau.
Die kurze, standfeste Hybride Visby ist nach wie vor ein Garant für überdurchschnittliche Erträge und gute Marktleistung.
Neue Sorten
Winterraps im Oktober.
Für die Einschätzung der neueren Sorten werden die Ergebnisse der LSV 2013, der bundesweiten WP und  BSV und insbesondere die der regionalen Standorte analysiert.
Mit den in Deutschland zugelassenen Hybriden Midas, PT 206 und Raptor gibt es drei Prüflinge mit einem ähnlich hohen Leistungsspektrum.
Sehr früher Blühbeginn und frühe Abreife kennzeichnen die kurzstrohige Rapssorte Midas. Im bundesweiten Vergleich liegt sie in ihren Ertrags- und Qualitätsleistungen leicht hinter ihren Mitbewerbern Raptor und PT 206. Bei den LSV 2013 mit Auswertung von vier  Standor-
ten und in den mehrjährigen südwestdeutschen Versuchen überrascht sie mit sehr guten Kornerträgen, besonders in der Variante 2, und kann zur Konkurrenz aufschließen. Bei durchschnittlichem Ölgehalt erreicht die Sorte dank ihres Ertragsvermögens beachtliche Marktleistungen. Die Phoma- und Sclerotiniaanfälligkeit ist unbedeutend.
PT 206 ist eine Hochleistungshybride, die mehrjährig vor allem im Anbaugebiet Südwestdeutschland höchste Erträge bringt. An den LSV-Standorten 2013 zeigt die Sorte ihr herausragendes Potenzial besonders in der Variante 1. Mit überdurchschnittlichem Ölgehalt wird eine sehr gute Marktleistung erzielt. Die Sorte ist von langem Wuchs, standfest und spät in Blüte und Reife. In den bisherigen Prüfjahren gibt es Hinweise auf erhöhte Phomawerte.
Raptor, eine umfassend gesunde und früh blühende Hybride, besitzt  trotz ihres langen Wuchses eine hervorragende Standfestigkeit. Zu Recht erhält Raptor in der BSL im Ölgehalt die Bestnote 9 und überzeugt, in Kombination mit dem Kornertrag, mit einer exzellenten Marktleistung in den bundesweiten Versuchen. An den LSV-Standorten 2013 hinterlässt die Sorte ein eher inhomogenes Bild in beiden Varianten und ist erkennbar ertragsschwächer.
In beiden Varianten und auf fast allen Standorten der LSV 2013 zeigt die EU-Hybride Alabaster ihr hohes Leistungsvermögen im Kornertrag. Trotz niedriger Einstufungen laut BSL bei Ölgehalt (6) und Ölertrag (6) liegt die Marktleistung sehr hoch. Auch mehrjährig ist sie in Südwestdeutschland insgesamt eine Topsorte. Alabaster ist langwüchsig mit stärkerer Lagertendenz und erhöhter Sclerotinianfälligkeit. Bei Phoma bleibt die Sorte unauffällig.
NK Grandia  ist eine neue und interessante EU-Liniensorte: An den LSV-Standorten 2013, mit Ausnahme von Eiselau, beeindruckt die Sorte mit sehr hohen Kornerträgen und guter Marktleistung. Bei den zweijährigen bundesweiten  EUSV ist der Ertrag eher durchschnittlich. Der spät blühende Raps ist standfest und hat eine hervorragende Sclerotiniaresistenz, die Phomaanfälligkeit ist durchschnittlich.
Die EU-Hybride NK Linus ist eine ertragsstarke Allroundsorte auf den südwestdeutschen Standorten. Egal, ob in den LSV 2013, in den zweijährigen EUSV oder in den länderübergreifenden Versuchen: NK Linus überzeugt mit ausgezeichneten Ertragsergebnissen und kann den niedrigen Ölgehalt sehr gut kompensieren. Die Sorte ist kurz und standfest bei mittlerer Blüte und Reife. Bei Sclerotinia bleibt NK Linus unauffällig, bei Phoma zeigen sich Schwächen.
Anhangsorten
Anhangssorten sind regional bedeutende Sorten und werden an den entsprechenden LSV-Standorten mitgeprüft.
Nach wie vor attraktiv für den Rapsanbau ist die Hybride PR 46 W 20 mit einem sehr hohen Ertragsvermögen in beiden Varianten. Allerdings sind die Phomawerte kritisch.
Die langblühende Hybride Xenon besticht durch eine hervorragende Phomaresistenz und gute Erträge in V 2, zeigt aber eine unverkennbare Sclerotiniaanfälligkeit.
Arsenal, eine neue Hybridsorte, überzeugt nicht wirklich: Kornertrag, Ölgehalt und Marktleistung liegen unter dem Durchschnitt und bei der Standfestigkeit zeigen sich Mängel.
BSV und EU-Sortenversuche
Aus den kombinierten Bundes- und EU-Sortenversuchen kommen die folgenden starken Sorten, die  in den LSV 2014 stehen: die in Deutschland neu zugelassenen Hybriden Comfort und Foxx, die Liniensorte Patron sowie die EU-Hybriden DK Exstorm, Marathon und Torres.
Die Sorte Comfort erhält in der BSL hervorragende Ertrags- und Qualitätseigenschaften: Im südwestdeutschen Raum liegen die Kornerträge mehrjährig bei 105 %, die Ölerträge bei 107 % und die Marktleistung bei 106 %. Diese Ergebnisse werden in allen bisherigen Sortenprüfungen bestätigt. Bei den Krankheitsbonituren zeigt sich eine leichte Phomaanfälligkeit, bei Sclerotinia bleibt die Sorte unauffällig.
DK Exstorm ist eine spät blühende EU-Hybride mit einem großen Leistungspotenzial. Mehrjährig sind die Ergebnisse vielversprechend, besonders auf den südwestlichen Standorten: Hier erreicht die Sorte 106 % im Kornertrag, 107 % im Ölertrag und in der Marktleistung. Mit der Standfestigkeit hat die Sorte aufgrund ihrer Wuchslänge deutlich Probleme. Hervorzuheben ist die bislang gute Phomaresistenz.
Foxx, eine neue Hochleistungshybride, wird in der BSL beim Kornertrag leicht schwächer eingeschätzt als Comfort. In den mehrjährigen Prüfungen in südwestlichen Regionen kann die Sorte im Relativertrag aufschließen und die Konkurrenz mit einem Ölertrag von 108 % und einer Marktleistung von 107 % überholen. Die längere Sorte zeigt leichte Standprobleme und scheint anhand bisheriger Versuche leicht phomaempfindlich.
Marathon ist die ertragsstärkste Sorte unter den Neuvorstellungen: Im Schnitt der Prüfjahre liegen die Kornerträge bei hervorragenden 107 %.
In Kombination mit dem eher mäßigen Ölgehalt ergeben sich Marktleistungen von 106 % und darüber.
Marathon ist extrem kurzwüchsig und standfest mit frühem Blühbeginn. Abstriche gibt es bei der Phomaresistenz: Bisherige Bonituren zeigen deutlich erhöhte Werte.
Die neue Liniensorte Patron überrascht in den bundesweiten mehrjährigen Versuchen mit Ergebnissen auf Hybridniveau: Bei Ölertrag und Marktleistung liegt die Rapssorte weit über dem Durchschnitt. An manchen südwestdeutschen Standorten tut sich die Sorte schwerer: Hier werden Ertrags- und Qualitätsergebnisse um oder unter 100 % erreicht. Eine hervorragende Marktleistung um die 111 % zeigt die Sorte 2013 in Boxberg. Patron ist sehr kurzwüchsig und standfest und reift etwas später ab. Die bisher gemessenen Phomawerte liegen über dem Durchschnitt.
Die EU-Hybride Torres hat im Schnitt der zwei Prüfjahre hohe Kornerträge, die den vergleichsweise niedrigen Ölgehalt ausgleichen können, so dass die Sorte auf eine leicht überdurchschnittliche Marktleistung kommt. An den LSV-Standorten Eiselau, Boxberg und Neuenstein erreicht Torres im Anhangsortiment 2013 sehr gute Relativerträge von 107 % in V 1 und 104 % in V 2. Die längere Sorte hat Lagertendenzen, eine spätere Abreife und  im zweijährigen Mittel leicht erhöhte Phomawerte.
Weitere Informationen zu den Versuchsergebnissen LSV Winterraps gibt es unter
www.LTZ-Augustenberg.de > Pflanzenbau und Umweltschutz > Sorteninformationen > Winterraps.