„Ethik in der Landwirtschaft” lautete das Thema der Herbsttagung der Agrarsozialen Gesellschaft (ASG) vorige Woche in Göttingen. Die Regionalbischöfin der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannover hat dabei eine Schieflage in der öffentlichen Debatte über Landwirtschaft kristisiert.
Auf der ASG-Herbsttsagung wurde ein erhebliches Ungleichgewicht zwischen „Meinungsanmaßung und Wissen über Landwirtschaft” ausgemacht.
Es gebe ein erhebliches Ungleichgewicht zwischen „Meinungsanmaßung und Wissen über Landwirtschaft”, sagte Dr. Petra Bahr. „Viele kennen sich nicht aus und stellen Forderungen an die Landwirtschaft”, so die Theologin. Fehlendes Wissen in der Bevölkerung sei die Ursache, dass die Diskussion oft zwischen Romantisierung und Skandalisierung geführt werde und bei den Landwirtinnen und Landwirten auf Unverständnis stoße. Ethische Urteilskraft setze voraus, „dass man etwas von der Sache versteht”, so Bahr. Dies könne die Landwirtschaft zu Recht erwarten, wenn über sie diskutiert werde.
Es geht um Grundfragen des Lebens
Die Regionalbischöfin hält es
gleichwohl für berechtigt, dass die Auseinandersetzung über die Zukunft
der Landwirtschaft nicht nur auf den Agrarsektor begrenzt werde, weil es
um Grundfragen des Lebens und Überlebens gehe.
Nach Auffassung von Professor Peter Kunzmann von der Stiftung
Tierärztliche Hochschule Hannover muss Ethik künftig in der
landwirtschaftlichen Ausbildung eine wichtige Rolle spielen.
Berufszufriedenheit resultiere aus einem Handeln im Einklang mit den
eigenen Überzeugungen.
„Ethik hilft, sich diese überhaupt erst klarzumachen”, erklärte der
Professor für Angewandte Ethik in der Tiermedizin. Ethik biete zudem
Orientierung über das Denken von anderen. Unter den gegenwärtigen
Bedingungen sei sie damit auch die Brücke, „um sich mit anderen über
deren Erwartungen an eine nachhaltige und an modernen Bildern vom Tier
geschulte Landwirtschaft auszutauschen”. Die ASG-Vorsitzende Dr. Juliane
Rumpf unterstrich die Bedeutung des Themas „Ethik in der
Landwirtschaft”, das bisher nur eine untergeordnete Rolle spiele. Die
ehemalige schleswig-holsteinische Landwirtschaftsministerin kündigte an,
dass sich die ASG künftig weiter mit diesen Fragen beschäftigen werde.
„Die zentrale und wichtigste Leistung der Landwirtschaft bleibt auch in
Zukunft die Versorgung der Bevölkerung mit sicheren und hochwertigen
Lebensmitteln”, erklärte der Staatssekretär im nordrhein-westfälischen
Landwirtschaftsministerium, Dr. Heinrich Bottermann. Gleichzeitig werde
sich die Landwirtschaft verändern und neuen Herausforderungen stellen
müssen. Insbesondere beim Pflanzenschutz, der Stickstoffdüngung und der
Nutztierhaltung stünden Landwirte vor großen Herausforderungen. Starke
Treiber für einen Wandel sind laut Bottermann die gesellschaftlichen
Forderungen nach mehr Klima- und Umweltschutz, mehr Biodiversität und
mehr Tierwohl. Gleichzeitig brauchten die Betriebe eine belastbare
Perspektive für ein dauerhaft angemessenes Einkommen. Um diese
verschiedenen Zielsetzungen gemeinsam zu erreichen, bedürfe es neuer
Strategien und Lösungen.
Verweis auf die Zukunftskommission
Bottermann verwies auf die Zukunftskommission
Landwirtschaft (ZKL) und die Borchert-Kommission. Die hätten
beschrieben, wie mit neuen Politikansätzen der Wandel gelingen könne.
Gesellschaftlicher Konsens sei Voraussetzung, um die Zukunft der Landwirtschaft nachhaltig zu gestalten.
Das Verlassen der eigenen Filterblase, der Perspektivwechsel und die
Bereitschaft, voneinander zu lernen, nannte die Vorsitzende vom Bund der
Deutschen Landjugend (BDL), Kathrin Muus, als Faktoren für eine
„gemeinsame Vision zur Zukunft der Landwirtschaft”, die sie gemeinsam
mit Myriam Rapior von der BUNDjugend im Rahmen der Zukunftskommission
erarbeitet hat und die in den ZKL-Abschlussbericht eingegangen ist.
Neue Wege für die Landwirtschaft forderte der Agrarsprecher von Fridays
for Future, Tilman von Samson. Benötigt werde eine breite und ehrliche
Auseinandersetzung darüber, wie die Branche mit den Herausforderungen
des Klimawandels umgehen sollte. „Wir brauchen einen gerechten Wandel”,
betonte der Klimaaktivist. Ziel müsse es sein, die notwendigen
erheblichen Anpassungen mit wirtschaftlichen Perspektiven für die
Betriebe zu verbinden.