Politik | 30. Januar 2020

Viel Zuspruch vom Ministerpräsidenten

Von Walter Eberenz
Wertschätzung und viel Verständnis für ihre Anliegen konnten die Bäuerinnen und Bauern auf dem Agrartag in Donaueschingen am Samstag aus der Rede von Ministerpräsident Winfried Kretschmann herausziehen. Schnelle Lösungen für die drängenden Probleme hatte er allerdings nicht dabei.
In seiner mehrfach von Beifall begleiteten Rede sprach sich Kretschmann unter anderem klar gegen Billigpreise bei Lebensmitteln aus. „Geiz ist nicht geil, sondern hat verheerende Folgen für diesen Bereich”, unterstrich der Ministerpräsident.
„Deswegen habe ich da die Bremse reingehauen”: So unterstrich Ministerpräsident Winfried Kretschmann vor rund 600 Zuhörern in den Donaueschinger Donauhallen das Einschreiten der Landesregierung beim Volksbegehren Artenschutz von ProBiene mit einem eigenen Eckpunktepapier als Alternative. „Ich gebe zu, es hat etwas lang gedauert, aber es war noch rechtzeitig”, ergänzte Kretschmann. Der Ministerpräsident  ging so in einer direkten, klaren Sprache, die Bauern verstehen, auf das ein, was den bäuerlichen Berufsstand in den vergangenen Monaten am meisten umgetrieben hat.  „Viele Bauern fürchten um ihre Existenz. Ich konnte daher ihre Reaktionen auf das Volksbegehren gut verstehen”, stellte er sich dabei an die Seite der Bauernfamilien. Gleich zu Beginn seiner Rede betonte Kretschmann, dass er in erster Linie gekommen sei, um dem bäuerlichen Berufsstand im Land seine Wertschätzung zu zeigen. „Unsere  Familienbetriebe leisten wertvolle Arbeit”, betonte er. Dabei ließ er einfließen, dass er in einem 200-Seelen-Dorf auf der Alb aufgewachsen und mit einer Bauerntochter verheiratet sei.
Gut gefüllte Säle in den Donaueschinger Donauhallen, ob bei der Veranstaltung mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann oder bei der Weiterbildung für den Pflanzenschutz-Sachkundenachweis.
Der Hauptredner auf dem mittlerweile zehnten Agrartag  der BLHV-Kreisverbände Donaueschingen und Villingen sowie des Maschinenringes Schwarzwald-Baar zeigte  bei allen angesprochenen Themen Qualitäten klarer Direktansprache mit viel Verständnis für die Anliegen der Bauern.  Das trug ihm mehrfach den Beifall des Publikums im Saal ein.
„Weniger als für einen Kanarienvogel”
So sagte Kretschmann beispielsweise zum weitverbreiteten Verbraucherverhalten im Supermarkt: „Für Kruscht einen Haufen Geld ausgeben und bei Lebensmitteln sparen.” Preise von unter zehn Euro, die Bauern für Kälber erlösen, kommentierte er so: „Das ist ja weniger als für einen Kanarienvogel.”  Beim Thema Insektenschutz brandmarkte Kretschmann die „Unsitte” von Schottergärten mit der Bemerkung: „Vögel ernähren sich nun mal nicht von Steinen.”
Der kritische Blick auf die Mitbürger,  hier vor allem ihr Einkaufsverhalten, sowie auf den Lebensmitteleinzelhandel nahm in Kretschmanns Rede insgesamt viel Raum ein.   „Lebensmittel sollen preiswert sein, also ihren Preis wert, und nicht einfach nur billig”, forderte er.
Kretschmann fordert Gesellschaftsvertrag
Bernhard Bolkart, Vizepräsident des BLHV und Vorsitzender des mitausrichtenden Kreisverbandes Villingen, dankte dem Ministerpräsidenten für seine wertschätzende Rede auf dem Agrartag und gab ihm noch mit: „Bitte versuchen Sie in Ihrer eigenen Partei, den einen oder anderen Hardliner auszubremsen.”
Aber auch die Landwirtschaft nahm er in die Pflicht: „Nitrate und Pestizide haben im Grundwasser nichts verloren.”
„Wir brauchen einen Gesellschaftsvertrag zwischen Landwirtschaft, Handel und Verbraucher. Das ist unabdingbar. Wir müssen dieses große Rad drehen”, forderte der Ministerpräsident letztendlich unter dem Beifall des Publikums und verband dies mit der Bemerkung: „Ich will Ihnen zusagen, dass ich mich da richtig reinhängen werde.”
Dem BLHV gratulierte Kretschmann zu der erfolgreichen Initiative des Volksantrags. Konstruktiver, zivilisierter Streit  gehöre zur Demokratie und bringe die Menschen zusammen. Konfrontativer, unzivilisierter Streit treibe sie  auseinander.
Bernhard Bolkart, BLHV-Vizepräsident und Vorsitzender des  Kreisverbandes Villingen, dankte dem Ministerpräsidenten für seine wertschätzende Rede für den bäuerlichen Berufsstand  und stellte noch ein paar zusätzliche Fragen, so zum Problemthema Bruttofläche, zum wachsenden Bürokratieaufwand auf den Betrieben und zur Ausgestaltung der Düngeverordnung im Land. Auch hier zeigte Kretschmann Verständnis, ohne jedoch aus dem Stand konkrete Lösungen bieten zu  können.
BLHV-Präsident Werner Räpple bezeichnete das Volksbegehren von ProBiene rückblickend als Frontalangriff auf die Landwirtschaft: „Da waren wir froh, dass die Landesregierung reingegrätscht ist.” Ein Gesetzgebungsverfahren gehört nach seiner Überzeugung in den Landtag.
BLHV-Präsident Werner Räpple skizzierte vor Kretschmanns Rede in einem Grußwort die wesentlichen agrarpolitischen Themenfelder, die den Berufsstand beschäftigen. Mit den Eckpunkten könne man leben, auch wenn dies keine leichte Entscheidung gewesen sei, gab er dem Ministerpräsidenten auf den Weg.
Die Herausforderungen für Maschinenringe wachsen
Leonhard Ost skizzierte künftige Herausforderungen für die Maschinenringe und hatte auch Alltagsratschläge für die Berufskollegen parat. So meinte er ironisch: „Wer am Samstagnachmittag mit Gülle durch die Siedlung fährt, macht sich sehr beliebt.”
„Vom Bauerndorf zum Dorfbauer” – so skizzierte Leonhard Ost, Präsident des Bundesverbandes der Maschinenringe aus dem baye-
rischen Ellzee, auf dem Agrartag in Donaueschingen die historische Entwicklung in den Dörfern der vergangenen Jahrzehnte. Mit anderen Worten: Früher hatte fast jeder im Ort etwas mit Landwirtschaft zu tun, heute fast keiner mehr. Hinzu komme, so Ost, dass derzeit Emotionen die größte Rolle spielen, Fakten die kleinste. Keine einfachen Grundvoraussetzungen heute, aber Bauern könnten selbst etwas tun, um das Verständnis für ihre Belange zu verbessern oder im negativen Fall zu verschlechtern: „Wer am Samstagnachmittag mit Gülle durch die Siedlung fährt, macht sich sehr beliebt”, nannte er als Beispiel.
Ost rät seinen Berufskollegen gegenüber der nichtlandwirtschaftlichen Bevölkerung generell zu Offenheit und Gesprächsbereitschaft: „Reden Sie mit den Leuten. Wen man kennt und schätzt, dem vertraut man eher.” Und Bauern, ergänzte der Referent, haben gute Argumente: „Alle müssen essen.” Die Maschinenringe können diese Art Öffentlichkeitsarbeit wirksam unterstützen, betonte Ost. Er nannte hierbei beispielhaft überbetriebliches Anlegen von Blühflächen, Aktionstage, Feldtage, Infokampagnen, einen Fahrerknigge, Presseinformationen („Es ist wieder Erntezeit”) und die Initiative „Junger Ring” mit dem Ziel, auch Kinder von Nichtlandwirten mit Landwirtschaft vertraut zu machen.
Nach diesem Exkurs zum berufsständischen Selbstverständnis und Auftreten in der Öffentlichkeit ging Ost auf die künftigen Herausforderungen für die Maschinenringe ein. Nach Osts Überzeugung werden die Kosten der Technisierung und Digitalisierung eher zu einem Anstieg der überbetrieblichen Zusammenarbeit führen.  Die Nachfrage der Landwirte ändert sich mit der Zeit; in Folge werden die Dienstleistungsangebote anspruchsvoller und komplexer. „Dies stellt den Maschinenring vor wachsende Herausforderungen”, betonte Ost. Als Stichworte hierzu nannte er Kompetenzen in der Geschäftsstelle, wachsende Teamgröße, Führung, Investitionsbedarf, Herausbilden von Spezialisten.
Leonhard Ost riet in Donaueschingen zu strategischen Allianzen innerhalb der Maschinenring-Organisation: „Das erleichtert das Bewältigen der neuen Herausforderungen.”