Betrieb und Wirtschaft | 20. März 2014

Vereinfachung ist ein komplizierter Prozess

Von René Bossert
Die Gemeinsame Marktordnung (GMO) für Obst und Gemüse in der EU hat den Sektor seit 2007 vorangebracht. Doch es gibt auch Kritik von Seiten der Erzeugerorganisationen in Deutschland. Sie fordern für die Zukunft eine größere Rechtssicherheit und Vereinfachungen bei der Umsetzung.
Dies wurde bei der Fachtagung des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV) für  Obst und Gemüse am Montag in Freiburg deutlich, zu der Geschäftsführer und Gremienmitglieder von deutschen Genossenschaften zusammenkamen.
 Dr. Hermanus Versteijlen, Direktor Agrarmärkte bei der Generaldirektion Landwirtschaft  in der EU-Kommission, berichtete von den Erfahrungen mit der GMO, mit der die EU seit 2007 den Obst- und Gemüsesektor mit jährlich zwischen einer und 1,2 Milliarden Euro wettbewerbsfähiger machen will.
Hans van Es (links) und Markus Nöthen kritisierten die rückwirkend geltenden Änderungen von Bedingungen im Rahmen der GMO.
 Anerkannte Erzeugerorganisationen (EO) bekommen im  Rahmen der GMO Geld für die sogenannten operationellen Programme,  beispielsweise für eine Verbesserung ihrer Vermarktung, für Umweltmaßnahmen oder um Produkte höherer Qualität zu produzieren. In Baden sind der Obstgroßmarkt Mittelbaden (OGM), die Marktgemeinschaft Bodenseeobst (MaBo), die Obst- und Gemüseabsatzgenossenschaft (OGA) und die Reichenauer Gemüse eG als EO anerkannt, nicht aber der Erzeugergroßmarkt Südbaden (EGRO).
GMO läuft im Grundsatz weiter
Die GMO läuft im Grundsatz bis 2020 weiter, wird aber in einigen Punkten weiterentwickelt.  Bis Mitte des kommenden Jahres sollen die entsprechenden Rechtsakte formuliert werden, sagte Versteijlen.
Die GMO habe bisher den Sektor vorangebracht, war sich der Kommissionsbeamte mit dem Vertreter der Erzeugerseite in Brüssel, Dr. Hans van Es, einig. Der Holländer ist Vorsitzender der Arbeitsgruppe Obst und Gemüse bei COPA/COGECA, der Vereinigung der Bauern- und Genossenschaftsverbände auf europäischer Ebene. Es wurde investiert und das Angebot wurde besser gebündelt. Der Organisationsgrad der Erzeuger stieg, 2010 waren 16,5 % der Erzeuger Mitglied in einer der rund 1600 EO’s.  43 %  der vermarkteten Ware in der EU entfielen auf EO’s. In Deutschland liegt dieser Wert bei knapp über 50 %. Wo Licht ist, gibt es auch Schatten – und da musste sich Versteijlen in Freiburg von den Vertetern der Erzeugerseite einiges anhören. Der EU-Kommission selbst gefallen die   Unterschiede nicht, die es zwischen  den einzelnen Ländern im Bezug auf den Organisationsgrad gibt. Vor allem in Osteuropa ist der niedrig. Das will die Kommission ändern, aber weil dazu die Umverteilung von Geldern nötig sei, werde das politisch ein schwieriges Thema, erwartet Versteijlen.
Ferner sollen die Vorschriften der GMO vereinfacht werden. Die GMO sei komplizierter als alles andere, was er vorher in Brüssel erlebt habe, sagte der hochrangige Kommissionsbeamte. In der Kommission gebe es sogenannte Simplifizierungsexperten. Das Problem bei der Vereinfachung sei, dass jetzt bei der Neuformulierung der Rechtsakte auch das EU-Parlament mitspricht. „Die mischen sich schon in einem frühen Stadium ein”, berichtete Versteijlen.
Hans van Es kritisierte, dass Projekte zu oft geprüft würden und neue Vorschriften eingeführt wurden, die rückwirkend gelten sollen. Nationale Behörden fürchteten Geldstrafen aus Brüssel, in Holland gehe es hier um erhebliche Beträge.  Dieses Problem müsse auf politischer Ebene gelöst werden.
Der Holländer plädierte für eine einheitlichere Umsetzung der GMO. Die Subsidiarität müsse eingeschränkt werden, damit es mehr Rechtssicherheit gebe.
Rechtsunsicherheit
Zwei deutsche Erzeugervertreter unterstrichen seine Einschätzung und wiesen auf zusätzliche Probleme in Deutschland hin. Dr. Markus Nöthen, Geschäftsführer des Pfalzmarktes,  forderte eine bessere Kommunikation zwischen allen Betroffenen. Eine rückwirkende Umdeutung von seit Jahren geltenden Rechtstexten habe bei den Ländern und Erzeugerorganisationen zu Rechtsunsicherheit geführt. Er kritisierte unterschiedliche Herangehensweisen zwischen den einzelnen Bundesländern. Es dürfe keine Verordnung mit einem großen Auslegungsspielraum für nationale Durchführungs-Verordnungen entstehen.  Kontrollen liefen nicht effizient ab. Qualitätssicherungs-Systeme sollten seiner Meinung nach künftig nicht nur bei der Einführung, sondern dauerhaft gefördert werden. Ebenso sollten Maßnahmen zur Werbung für die regionale Herkunft förderfähig sein. Umweltschutzauflagen sollten aus dem Geltungsbereich der GMO herausgenommen werden. Dr. Egon Treyer, Geschäftsführer der MaBo, beklagte unzureichende Koordination beim Bundeslandwirtschaftsministerium und Fehler in Brüssel. Im Nachgang zu einer  Prüfung der EU-Kommission habe es Übersetzungsprobleme gegeben und selbst Fehlern im Verwaltungswege  – „und die gab es”  – könne man nicht begegnen. Die Behörden in Baden-Württemberg seien verunsichert.  Ein Schlichtungsausschuss sei dringend nötig. Den forderte auch van Es mit Blick auf die Erfahrung, dass bei Rechtsstreitigkeiten in der Regel die EU-Kommission gewinne.
Versteijlen räumte ein, dass bei Schwierigkeiten mit Kontrollen die  Kontakte zumeist zwischen Brüssel und Berlin und weniger zur EO bestehen und „dass alles sehr lange dauert” –  und fügte hinzu: „Es muss schneller gehen, wir wollen den Sektor ja unterstützen.”