USA: Schlauchlüftung auch für Warteräume
Professor Dr. Ken Nordlund von der Universität Wisconsin-Madison kennt diese Situation. „Vorwartehöfe gehören zu den Bereichen eines Milchviehbetriebes, wo der Stresspegel von Kühen ansteigt. Sie stehen dort dicht an dicht gedrängt, das alleine lässt das Stressniveau gerade rangniederer Tiere anschwellen. Wenn die Kühe dann auch noch in einer Hitzeglocke stehen, verschlimmert sich die Situation zusehends”, so der Milchviehexperte. Traditionell versucht man daher, die Kühe mit in Reihe geschalteten Ventilatoren in Kombination mit Wasserduschen zu kühlen. „Das gelingt in der Regel auch ganz gut. Doch dieses System hat seine Tücken. Gerade bei unzureichender Seitenlüftung durchwirbeln die Ventilatoren nur vorhandene Luftmassen, die Luftfeuchtigkeit erhöht sich zusehends und die Kühe geraten unter Hitzestress. Hierbei muss man immer wieder erwähnen, dass nicht nur hohe Temperaturen, sondern auch hohe Luftfeuchtigkeiten Hitzestresssymptome hervorrufen. Beides in Kombination wirkt sich demnach noch viel schlimmer aus.
Doch es gibt noch weitere Probleme. Nur direkt unterhalb der Ventilatoren hat man ausreichende Luftgeschwindigkeiten zu verzeichnen. Bei Kühen in etwa drei bis vier Metern Entfernung kommt schon nicht mehr ausreichend Luft an. Zudem hat man zwischen zwei nebeneinander installierten Ventilatoren oft Windschattenbereiche, dort kommt quasi gar keine Luftbewegung an”, so Ken Nordlund.
Einen Lösungsansatz fand er in Belüftungsschläuchen, die eigentlich für Kälberställe entwickelt wurden. Die Theorie: An der Außenwand angebrachte Ventilatoren saugen Frischluft an, die Schläuche transportieren diese dann in den Warteraum. Dabei entstehen keine Windschattenbereiche, die Luft kommt in ausreichender Menge und Geschwindigkeit bei den Kühen an, zudem ist sie nicht mit Feuchtigkeit aus dem Stall aufgeladen. Die Hitzestressgefahr verringert sich erheblich, die Kühe warten sichtlich entspannter auf den Melkvorgang (siehe PDF).
„Diese Beobachtung kann ich nur bestätigen; seit der Installation der Luftschläuche hat sich das Klima in unserem wirklich nicht idealen Vorwarteraum erheblich verbessert”, fügt Butch Guenther hinzu. Doch in der Praxis war die Umrüstung auf der Double S Dairy nicht so einfach umzusetzen. „Im Falle einer Warteraumlüftung mittels Schläuchen mussten wir ganz neue Ansätze wählen. Zwar benutzen wir hier das gleiche Programm wie bei der Kälberstall-Schlauchberechnung, aber hier enden bereits die Gemeinsamkeiten. Streben wir im Kälberstall mindestens vier Luftwechselraten je Stunde an, so unterhalten wir uns im Warteraum über 70 bis 90 Wechselraten je Stunde, also etwa einen Luftwechsel je Minute! Wollen wir auf Kälberniveau maximal 0,3 Meter pro Sekunde an Luftbewegung, so brauchen wir im Warteraum auf Kuhniveau (1,50 Meter Höhe) etwa 2 Meter pro Sekunde! Um diese hohen Luftmengen zu transportieren, benötigen wir großvolumige Schläuche mit relativ großen Austrittslöchern und leistungsstarke Ventilatoren, damit den Schläuchen nicht auf halbem Wege die Puste ausgeht. Wir können mit solchen Schläuchen keineswegs die Strecken überwinden, wie es in Kälberställen der Fall ist. Daher empfehlen wir, die Schläuche möglichst quer über dem Warteraum anzubringen. Die so erforderlichen Schlauchlängen von etwa 12 bis 15 Meter zu überwinden ist kein Problem”, erklärt Ken Nordlund die Details.
„Das war genau die Lösung, die wir uns erhofft hatten. Wir bringen nun frische Außenluft in großen Mengen gezielt in unseren Problembereich. Eine Lösung, die uns und unsere Kühe sehr zufriedenstellt. Zudem sparen wir Kosten. Heute laufen insgesamt vier Ventilatoren, hätten wir den Versuch gestartet, den Warteraum allein mit Ventilatoren zu belüften, wären erheblich mehr Ventilatoren installiert worden”, so der engagierte Herdenmanager.
Doch auch hier galt es, einige Probleme zu überwinden. Ken Nordlund: „Hier war zwar die ideale Anordnung der Ventilatoren in seitlicher Position möglich, doch das Treibegatter bereitete uns Probleme. Um den Wirkungsgrad der Schläuche voll auszuschöpfen, wollen wir sie so niedrig wie möglich über den Köpfen der Kühe befestigen. Wird der Abstand zu den Kühen bedingt durch die Treibegatterkonstruktion zu weit, verlieren wir an Effektivität. Das war bei der Mystic Valley Dairy der Fall, also musste die Trägerkonstruktion des Treibegatters geändert werden, damit wir die Schläuche direkt oberhalb des Treibegatters anbringen konnten”, so der Experte. „Der Aufwand hat sich gelohnt. Wir erreichen nun jede Ecke des Warteraums mit Frischluft, es gibt kein Gerangel mehr um die besten Plätze”, resümiert Mitch Breunig.