Politik | 29. Mai 2019

Unterschiede im Grad der Zufriedenheit

Von AgE
Klarere Regeln für die Tötung von Wölfen sieht der Gesetzentwurf zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes vor, den das Bundeskabinett am Mittwoch voriger Woche beschlossen hat.
In den Streit zwischen Bundesumwelt- und Bundeslandwirtschaftsministerium zum Umgang mit dem Wolf schaltete sich zuletzt das Kanzleramt ein und erwirkte einen Kompromiss.
Ziel ist ein besserer Schutz der Weidetierhaltung. Laut Entwurf soll künftig der Wolfsabschuss bereits genehmigt werden können, wenn bei Nutztierrissen „ernste” landwirtschaftliche oder sonstige Schäden vorliegen. Betroffene Betriebe müssen damit nicht mehr in ihrer Existenz gefährdet sein, bevor eine Entnahme möglich ist. Zudem sollen einzelne Tiere aus einem Rudel auch dann abgeschossen werden dürfen, wenn der schadensverursachende Wolf nicht sicher festgestellt werden kann. Dies soll „bis zum Ausbleiben von Schäden” fortgesetzt werden können. Das bedeutet, dass im Extremfall ein ganzes Rudel ausgemerzt werden kann. Am strengen Artenschutz für den Wolf soll jedoch grundsätzlich festgehalten werden.
Im Urteil der zwei Fachministerinnen
Bundesumweltministerin Svenja Schulze begrüßte die geplante Neuregelung als einen „vernünftigen Interessenausgleich” zwischen dem Arten- und Naturschutz und der Weidetierhaltung. Dort, wo es durch die Ausbreitung des Wolfs zu Zielkonflikten komme, könnten die künftig leichter gelöst werden. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner bezeichnete die erzielte Einigung innerhalb der Bundesregierung hingegen lediglich als „einen ersten Schritt in die richtige Richtung”. Angesichts der rasch zunehmenden Wolfspopulation und der damit ebenfalls zunehmenden Nutztierrisse hält sie eine weitergehende Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes für erforderlich.
Ähnlich äußerten sich mehrere Nutzerverbände. Demgegenüber kritisierten Umweltverbände die vorgesehene Lockerung des Tötungsverbots als zu weitgehend und warnten vor einer Aushöhlung des Artenschutzes.
Voraussetzung für einen Abschuss ist laut Gesetzentwurf, dass Wölfe vor Ort schon Nutztiere gerissen haben. Zwar sei grundsätzlich das schadensverursachende Tier selbst zu entnehmen, heißt es in der Begründung. Bereits eingetretene Schäden ließen sich jedoch nicht immer durch genetische Untersuchungen eindeutig einem Tier zuordnen. Daher reiche in bestimmten Fällen zur Entnahme eines schadensverursachenden Wolfs eine zeitliche und räumliche Nähe zu bisherigen Rissereignissen aus.
Vorsorglicher Abschuss bleibt verboten
Weiterhin verboten bleibt allerdings der vorsorgliche Abschuss. Für die Entnahme von Wölfen sollen die Naturschutzbehörden bei Bedarf auch lokale Jäger hinzuziehen können. Neu aufgenommen wird ein Fütterungsverbot für Wölfe. Damit soll unterbunden werden, dass sich die Tiere dem Menschen nähern und mit ihm vertraut werden. Eindeutig geregelt wird schließlich die Tötung von Wolfshybriden.
Nach Auffassung von Schulze schaffen die gesetzlichen Änderungen insgesamt mehr Klarheit und Rechtssicherheit für den Umgang mit dem Wolf. Die begründete Entnahme werde konkretisiert. Spezifische Vorgaben zum Umgang mit dem Wolf würden nun bundesweit geregelt. Hiervon profitieren würden die zuständigen Landesbehörden sowie die von Nutztierrissen betroffenen Schäfer und anderen Weidetierhalter. Neben Klöckner machten auch führende Vertreter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion deutlich, dass sie mit dem Regierungsentwurf noch nicht einverstanden sind. Nun will man versuchen, im parlamentarischen Verfahren noch Änderungen zu erreichen. Dazu zählen insbesondere eine Kontrolle der Wolfsbestände und deren Regulierung.
Klöckner bekräftigte das Ziel einer Eins-zu-eins-Umsetzung der Ausnahmeregelung für den Artenschutz in der Fauna-Flora-Habitat-(FFH-)Richtlinie. Gemäß dieser können die Mitgliedstaaten „unter strenger Kontrolle, selektiv und in beschränktem Ausmaß” die Entnahme einer spezifizierten Anzahl von Wölfen erlauben. Eine Neubewertung der  vorgesehenen Erleichterungen beim Wolfsabschuss will Klöckner nach Abschluss des laufenden Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) über einen Antrag Finnlands auf eine Sondergenehmigung zur Tötung von Wölfen vornehmen.  Der Generalanwalt beim EuGH hat  die Auffassung vertreten, dass die präventive Entnahme von Wölfen unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sei.
Nicht erreicht wurde die vom Agrarressort weiter geforderte Bestandsregulierung. Die dennoch erteilte Zustimmung zum Entwurf des Bundesumweltministeriums begründet das Ministerium mit der Notwendigkeit, das Gesetzgebungsverfahren in Gang zu bringen. Insbesondere das Bundeskanzleramt dürfte auf die Einigung gedrängt haben.
Aus Sicht des Generalsekretärs des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Bernhard Krüsken, wird der Entwurf für ein geändertes Bundesnaturschutzgesetz der Dimension der Herausforderung um den Wolf nicht gerecht. Wenn auch die Richtung stimme, reiche die geplante Regelung für eine Koexistenz von Wolf und Weidetierhaltung noch nicht, erklärte Krüsken.
Der DBV-Generalsekretär hatte es zuvor als „unrealistisch” bezeichnet, alle Weidetierhaltungsregionen einzuzäunen; der ländliche Raum könne kein „vollver-drahteter Hochsicherheitsraum” werden. Auch lasse sich der Konflikt zwischen Wolf und Weidetierhaltung nicht mit dem Scheckbuch lösen. Es bedürfe vielmehr einer Regulierung des Wolfsbestandes.
Zustimmung bei Schäfern
Bei den Schäfern stieß der Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Zustimmung. Er sei ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung eines erfolgreichen Miteinanders von Weidetierhaltung und Wolfspopulation, erklärte die Vereinigung Deutscher Landesschafzuchtverbände (VDL). Gleichzeitig mahnte der VDL weitergehende Änderungen des Bundesnaturschutzgesetzes an.
Einigungsdruck vom Kanzleramt
Das Bundeslandwirtschafts- und das Bundesumweltministerium hatten sich monatelang nicht auf Regeln zum Umgang mit dem Wolf verständigen können. Erst nachdem sich das Kanzleramt eingeschaltet hatte, kam es zu einer Einigung. Dabei dürfte auch eine Rolle gespielt haben, das Thema vor den anstehenden Landtagswahlen in Ostdeutschland vom Tisch zu bekommen. Ob dies gelingen wird, bleibt allerdings abzuwarten.