Politik | 27. Juni 2019

Unstimmigkeiten in der EU wegen Mercosur-Verhandlungen

Von AgE
Einige EU-Staaten wollen wegen Sorgen um ihre eigene Agrarproduktion kein schnelles Freihandelsabkommen mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten. Deutschland gehört zu den Ländern, die aufs Tempo drücken, wegen Vorteilen für eigene Industrieprodukte.
Zuletzt wurde ein erfolgreicher Abschluss  der Freihandelsgespräche zwischen der EU-Kommission und den Mercosur-Staaten für wahrscheinlich gehalten. Das hat erneut deutliche  Unstimmigkeiten zwischen Mitgliedstaaten der EU ausgelöst. So hatten sich zunächst zu Beginn der vergangenen Woche Frankreich, Polen, Irland und Belgien gegen weitere Zugeständnisse bei den Freihandelsquoten für sensible Agrarerzeugnisse in einem  Abkommen ausgesprochen.
Die Staats- und Regierungschefs dieser vier Länder hatten in einem gemeinsamen Brief an EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gefordert, vor allem die Sektoren Rindfleisch und Ethanol sowie Zucker und Geflügelfleisch besser zu schützen. Daraufhin hatten sieben weitere EU-Mitgliedstaaten, ebenfalls in einem Brief an Juncker, auf einen schnellen Abschluss der Handelsgespräche mit den Mercosur-Staaten gepocht; dazu gehörte auch Deutschland. Bundeskanzlerin Angela Merkel verlangte zusammen mit sechs weiteren Regierungschefs, unter anderem aus Spanien sowie den Niederlanden und Tschechien, das sich jetzt bietende Zeitfenster für einen erfolgreichen Abschluss „schnell” zu nutzen. Merkel und ihre Mitunterzeichner verwiesen in dem Schreiben auf die Vorteile eines Mercosur-Abkommens für den Export von Produkten aus „strategisch wichtigen Sektoren” der Europäischen Union. Dazu gehörten Autos, Autoteile, Maschinen, Chemikalien sowie Pharmazeutika. Auf Anfrage  bestätigte ein Sprecher des Bundeskanzleramtes die Unterstützung der Bundesregierung für einen baldigen Handelsabschluss.
Doppelmoral vorgeworfen
Der Generalsekretär der EU-Ausschüsse der Bauernverbände (COPA) und ländlichen Genossenschaften (COGECA), Pekka Pesonen, warf der Europäischen Kommission unterdessen Doppelmoral vor. In einem Schreiben an Juncker, Hogan und Malmström verwies der Finne auf die enorme Kluft, die zwischen den Anforderungen an die europäischen Landwirte und die Mercosur-Bauern herrsche. Gerade in der momentan besonders unsicheren Lage der EU-Landwirtschaft, die sich aus der Hängepartie um den Brexit, der anstehenden Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sowie einer Reihe von internationalen Handelsstreitigkeiten ergebe, sei dies besonders fatal.  Konkret beklagten die Dachverbände die Doppelstandards im Hinblick auf die Lebensmittelsicherheit. In Brasilien, einem Mercosur-Mitglied, seien beispielsweise seit dem vor wenigen Monaten erfolgten Amtsantritt von Präsident Jair Bolsonaro mehr als 150 neue Pflanzenschutzmittelwirkstoffe zugelassen worden. Zugleich seien in der Europäischen Union wichtige Wirkstoffe, beispielsweise für den Zuckerrübenanbau, verboten worden. Außerdem gebe es große Differenzen bei den Themen Tierschutz, Antibiotikaeinsatz und dem Einsatz von Wachstumsförderern, so Pesonen.
Unterschiedlicher Umgang mit Klimaschutz
Ein weiteres Problem sei der unterschiedliche Umgang mit dem Thema Klimaschutz, beklagte Pesonen. Während sich die EU-Landwirtschaft dazu bekenne, die Ziele des Pariser Klimaübereinkommens zu erfüllen und auch entsprechend hohe Standards einzuhalten, sei das Thema Entwaldung in den Mercosur-Gebieten nach wie vor ein großes Problem, monierte der Generalsekretär.
Sollte es tatsächlich zu einem Abschluss des Mercosur-Abkommens kommen und Brüssel bei Produkten wie Rindfleisch, Zucker, Ethanol, Geflügelfleisch, Reis und Orangensaft zu viele Zugeständnisse machen, sieht Pesonen für die nächsten Jahrzehnte die Gefahr einer Schwächung der ländlichen Räume in der EU.