Politik | 02. März 2023

Anhaltende Katastrophe für die Menschen

Von AgE
Auf die schwierige wirtschaftliche Situation in der Ukraine ein Jahr nach Kriegsbeginn hat der Direktor des Welternährungsprogramm-(WFP-)Büros in Berlin und Brüssel, Dr. Martin Frick, hingewiesen.
Maisernte 2022 im Krieg: Laut Welternährungsprogramm sind in der Ukraine durch den Krieg bereits 26 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche verlorengegangen.
„Eine der wichtigsten Kornkammern der Welt wurde vor einem Jahr in Brand gesetzt. Diese Kriegserklärung an die globale Ernährungssicherheit wirkt fort. Es ist eine anhaltende Katastrophe für die Menschen in der Ukraine und Millionen Hungernde weltweit”, stellte Frick fest.
In der Ukraine habe jeder Dritte nicht ausreichend zu essen, nahe der Frontlinie sei es jeder Zweite. Die Nahrungsmittelpreise in der Ukraine sind laut Frick gegenüber Januar 2022 um durchschnittlich 33 Prozent gestiegen, bei kriegsbedingt hoher Arbeitslosigkeit von etwa 30 Prozent. Das WFP unterstütze jeden Monat rund drei Millionen Menschen in der Ukraine durch Bargeldhilfe, Lebensmittelgutscheine oder Nahrungsmittel. Etwa 85 Prozent dieser Hilfe gingen in Gemeinden nahe der Front. Frick wies auch darauf hin, dass in der Ukraine durch den Krieg bereits 26 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche verlorengegangen seien. Im von der Ukraine kontrollierten Territorium könnten nur noch 21,8 Millionen Hektar bestellt werden; 2021 seien es noch 28,6 Millionen Hektar gewesen.
„Fruchtbarste Böden werden zerstört”
„Zerbombte und verminte Felder sind mehr als Kollateralschäden. Die fruchtbarsten Böden Europas werden zerstört”, so der WFP-Direktor. Für die Menschen, die dort Nahrungsmittel für den Export anbauten, bestehe Lebensgefahr durch Minen und nicht explodierte Munition. Geringere Erträge in der Ukraine bedeuteten höhere Preise für Importländer. So würden noch mehr Menschen in den Hunger abrutschen.
Der Krieg habe die globale Ernährungskrise weiter eskaliert, führte Frick aus. Zu Beginn des vergangenen Jahres seien 283 Millionen Menschen weltweit akut von Hunger betroffen gewesen, heute seien es 345 Millionen in 79 Ländern. „Das ist eine Folge des Kriegs gegen die Ukraine, der negative wirtschaftliche Trends, vor allem ausgelöst durch die Corona-Pandemie, verstärkt hat”, erklärte der WFP-Direktor.
Zwar hätten durch das Schwarzmeer-Getreideabkommen bisher etwa 22 Millionen Tonnen Nahrungsmittel exportiert und so die globalen Märkte stabilisiert werden können; dennoch sei der Preisindex für Nahrungsmittel immer noch auf einem Zehnjahreshoch.
Hinzu kämen drastische Preissprünge beim Dünger, die die Preise für Nahrung weiter in die Höhe trieben und 2023 zu einem Einbruch der Produktion führen könnten. Das würde noch mehr Kleinbauern und Kleinbäuerinnen aus dem Markt drängen. Frick stellte klar, „ohne Russland und die Ukraine werden wir die globale Ernährungskrise nicht in den Griff bekommen”. Ursache und Wirkung sollten aber nicht verwechselt werden. Ohne den Krieg würden heute Millionen Menschen weniger hungern.
Özdemir bekräftigt Unterstützung für die Ukraine
Die Verbundenheit des Bundeslandwirtschaftsministeriums mit der Ukraine hat Minister Cem Özdemir bekräftigt. „Der Mut und die Widerstandsfähigkeit der ukrainischen Landwirtinnen und Landwirte sind für mich unfassbar beeindruckend”, erklärte der Minister am  Donnerstag voriger Woche zum Jahrestag des völkerrechtswidrigen Angriffs Russlands. Seit dem 24. Februar 2022 griffen die Russen auch gezielt die landwirtschaftliche Infrastruktur der Ukraine an. Putins Schergen bedienten sich skrupellos an den Getreidevorräten, so Özdemir. Diese Strategie des Aushungerns gehe aber nicht auf.
Nach Özdemirs Worten zeigt die Ukraine zudem, dass sie selbst in Zeiten größter Not  noch Verantwortung für die hungernden Menschen auf dieser Welt übernimmt. „Das verdient nicht nur größten Respekt, sondern auch unsere Unterstützung. Gemeinsam mit unseren europäischen Partnern setzen wir uns daher für permanente alternative Exportrouten für ukrainisches Getreide ein”, so der Grünen-Politiker.
„Von Anfang an haben wir unsere Hilfe daran ausgerichtet, was die Ukraine am dringendsten benötigt”, hob der Minister hervor. Als zu Kriegsbeginn das Lebensnotwendigste gebraucht worden sei, habe sein Ministerium eine Koordinierungsstelle für Lebensmittelhilfen der Ernährungswirtschaft eingerichtet. Diese habe Spenden schnell und zielgerichtet in die Ukraine gebracht. Wegen der Verknappung von Strom im Winter seien zudem 125 Generatoren für landwirtschaftliche Betriebe und das Lebensmittelhandwerk organisiert worden. Diese hätten in frontnahen Gebieten die Produktion von Lebensmitteln ermöglicht. Darüber hinaus habe das Agrarressort  Tierarzneimittel und Futter in die Ukraine geschickt. „Für mich steht fest: Solange der Krieg andauert, stehen wir an der Seite der Ukraine”, versicherte Özdemir.
 Nicht zu vergessen sei, dass die Folgen des verbrecherischen russischen Krieges auch die deutsche Landwirtschaft und Fischerei stark belastet hätten. Vor allem die hohen Energiekosten hätten hierzulande den Betrieben zu schaffen gemacht. Für Betriebe in Sektoren, die in denen die Auswirkungen des Krieges besonders groß gewesen seien, habe man mehrere Hilfsprogramme zur zielgerichteten Entlastung auf den Weg gebracht.