Land und Leute | 30. Juli 2018

Tickendes, Heiliges und Silbriges

Von Gerda Oswald
Diese Folge von Urlaub bei uns führt zum Silbersteig bei Waldkirch-Suggental, zur Wallfahrtskirche St. Mansuetus in Biederbach und nach Gütenbach in ein Uhrenmuseum.
Manfred Schwer vor dem Schrank mit einigen Modellen der Hanhart-Stoppuhren, die weltweit vertrieben wurden und werden.
Ein Pilot verabschiedete sich mit einem Kuss auf die Stirn leise von seiner schlafenden Frau. Im Hangar entdeckte er, dass sie den Drücker für die integrierte Stoppuhr an seiner Hanhart-Uhr mit Nagellack rot angemalt hatte. So sollte  er immer an sie denken und wieder sicher zu ihr zurückkommen. „Das ist eine Anekdote, doch der rote Drücker war vor allem für Piloten teils lebenswichtig, damit sie nicht unbeabsichtigt draufdrückten und die Stoppuhr versehentlich auf Null zurückstellten”, sagt Manfred Schwer, der in Gütenbach durch das Hanhart-Museum führt. Denn sollte die Benzinuhr ausfallen, konnte nur noch die Stoppuhr die Flugzeit anzeigen.
60 Jahre lang arbeitete Uhrmachermeister Schwer als Konstrukteur in der Entwicklung bei der Firma Hanhart. Er kennt jedes Modell, jede Raffinesse der Uhren. Er war Mitbegründer des Museums vor drei Jahren. „Wir sind eine Firma zum Anfassen”, sagt er stolz, da könne man den Besucherinnen und Besuchern richtig was zeigen.
Die Stoppuhren waren der Grundstein des Erfolgs. Die im Jahre 1882 in der Schweiz gegründete Firma siedelte sich 1902 in Schwenningen und 1934 in Gütenbach an. Zwar sind es nicht mehr 200 Beschäftigte wie zu den Hochzeiten, doch die Uhrenproduktion überlebte als eine von wenigen im Schwarzwald mit aktuell 25 Beschäftigten. 1924 hatte der Sohn des Firmengründers, Willi Hanhart, die Idee, die sehr teuren Schweizer Stoppuhren weiterzuentwickeln. Eine günstigere Produktion ermöglichte es ihm, hochwertige Uhren zu erschwinglichem Preis für Normalverdiener herzustellen. Und das, obwohl bei einer einfachen Stoppuhr 100 Teile verbaut werden müssen.

Stoppuhren, die alle kennen
1939 entstand der legendäre Fliegerchronograph mit den zwei Nieten am Armband, der in den Kriegsjahren auch von der Wehrmacht geordert wurde. Es waren jedoch die Stoppuhren, die millionenfach in alle Welt verkauft wurden. Kein Sportunterricht, Wettlauf oder Fußballspiel ohne eine Stoppuhr aus Gütenbach. 1962 war Hanhart nach eigenen Angaben Marktführer und größter Produzent Europas für mechanische Stoppuhren. Und es gibt noch mehr im Museum zu entdecken, etwa die Spionageuhr, nicht wirklich eine Uhr, sondern ein Mikrofon als Armbanduhr getarnt. Interessant ist auch, dass 1972 das Zeitalter der Quarzuhren anbricht, wofür Hanhart eine eigene Kunststoff-Spritzerei einrichtete, als die mechanischen Uhren nicht mehr angesagt waren.
Das Museum ist mittwochs von 13 bis 16 Uhr geöffnet, für Gruppen können auch darüber hinaus Termine angeboten werden, Telefon 07723/934420. Die Bushaltestelle Maierhof ist direkt vor der Uhrenfabrik am Ortseingang.  Manfred Schwer gibt auch Tipps zur einstündigen Wanderung zum Naturdenkmal Balzer Herrgott oder zum Fallergrund, wo teilweise die TV-Serie Die
Fallers gedreht wird. Auch bietet sich an, die selbstgemachten Kuchen der Gütenbacher Frauen im Dorfcafé (Mittwoch bis Sonntag, 14 bis 18 Uhr) im örtlichen Rathaus zu genießen. Info: www.hanhart.com/museum

 
Wundertätig
Die Wallfahrtskirche St. Mansuetus (links) gibt es in Oberbiederbach seit 650 Jahren. Das 450 Jahre alte Gnadenbild Maria mit dem Jesuskind (links) hat eine bewegte, teils geheimnisvolle Geschichte und gilt heute als wundertätig.
Sie hat genau die richtige Größe, um sich heimelig zu fühlen: die Biederbacher Wallfahrtskirche St. Mansuetus im Ortsteil Kirchhöfe. Die Ausstattung ist im Barock gehalten, jedoch nicht überladen. Das Muttergottesbild mit dem Jesuskind steht auf dem linken Seitenflügel und wurde im Jahr 1778 als wundertätig anerkannt. Seit dieser Zeit begründet das 450 Jahre alte Gnadenbild die Marienwallfahrt zu „Unserer lieben Frau von Oberbiederbach”. Das Bildnis hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Eine alte Grenzlinie verlief zwischen dem vorderösterreichischen Biederbach und Freiamt, das zur Markgrafschaft Baden gehörte. So verlief auch die Religionsgrenze: Das Elztal war katholisch, Freiamt wurde unter dem badischen Einfluss evangelisch. Nach dem Konfessionswechsel entfernte man in der Kirche von Freiamt-Brettental die Muttergottesfigur und legte sie im Speicher ab. Doch die Figur kehrte immer wieder in die Kirche zurück. Der Biederbacher Johann Jakob Spath wollte ihr wohl wieder einen Ehrenplatz in einer katholischen Kirche geben und verhandelte mit dem jungen Pfarrer und dem Lehrer. Doch beide schienen sich nicht an die Absprachen zu halten, sodass er um drei Uhr in der Nacht heimlich die Muttergottes aus der Kirche holte und nach Biederbach trug. Als seine Frau davon erfuhr, und auch, dass er die Figur einkleiden wollte, sprang sie aus dem Bett und verletzte sich wohl schmerzhaft. Da bat sie ihren Mann, zu Maria um Genesung zu beten. Daraufhin wurde die Frau geheilt.
Doch der Diebstahl blieb nicht unbemerkt. Johann Georg Schlosser, Oberamtmann von Emmendingen und Schwager von Wolfgang Goethe, wollte ihn ins Zuchthaus bringen. Da kam ihm jedoch die Grenzlinie wieder zugute. Die vorderösterreichische Regierung stimmte einer Auslieferung nicht zu. Brettental wurde mit 17 Gulden entschädigt und die Marienfigur feierlich in die Kirche von Oberbiederbach getragen.
Geht man zu Fuß Richtung Friedhof und biegt dann links in die Straße nach Schlegelsberg ab,  findet man ein weiteres Zeugnis der Gläubigkeit der Oberbiederbacher. Es ist die Lourdes-Grotte mit einer großen Marienfigur. Die Ruhe, die großen Steine ringsum, die gepflegten Blumenarrangements und das Spiel von Licht und Schatten zwischen den Bäumen hindurch machen den Ort besonders. Auch hier ist es möglich, seine Gedanken schweifen zu lassen und den Blick nach Innen zu richten. Wer es ein wenig sportlicher mag, findet in Biederbach viele gut ausgeschilderte Wanderwege, wie die Königs-, Historik- oder Aussichtstour. Auch gleich bei der Kirche beginnt der vier Kilometer lange Rundweg um die Kirchhöfe. Bei der Kirche sind eine Bushaltestelle der SBG und auch ein Parkplatz. Oder man fährt noch ein Stück weiter und steigt beim Halt Höhenhäuser aus, um die grandiose Fernsicht zu genießen. Die Biederbacher Wandertage am letzten Septemberwochenende bieten verschiedene Wanderungen mit Einkehr an. Geführte Wanderungen gibt es 14-täglich von Juni bis September  (Infos: 07682/9116-12).   
Bergwerksgeschichte
Spannende Einblicke bietet der Silbersteig Suggental.
Unter und über der Erde gibt es in Suggental viel zu sehen. Der Silber- und Erzabbau brachte Reichtum im 12. und 13. Jahrhundert in den heute kleinsten Stadtteil von Waldkirch. Damals war Suggental eine beachtliche Stadt, ähnlich groß wie Freiburg mit seinen damals 5000 Einwohnern. Bereits seit dem 10. Jahrhundert wurde nach Silber, Kupfer, Blei und Eisenerz gesucht. Die Silbergrube kann man als Kleingruppe zwar nur nach Voranmeldung (info@silberbergwerk-suggental.com) besichtigen. Doch auch ein ganz spontaner und individueller Besuch ist interessant, denn „oberhalb” der Grube gibt es Spannendes zu entdecken und viel Idylle zu genießen. So kann man mit dem SBG-Bus bis zur Haltestelle Hotel Suggenbad oder direkt mit dem Auto bis zur Grube am Bürleadamshof mit Parkplatz fahren. Links, neben dem Grubeneingang, führt der Weg zum Vogesenblick, den man sich keinesfalls entgehen lassen sollte, selbst wenn man sich keinen der beiden Rundwege zutraut. Von dort aus sind nicht nur die Vogesen zu sehen, sondern auch der idyllisch gelegene Ort  Buchholz mit dem Rebberg. Der Silbersteig ist gut ausgeschildert und Tafeln vermitteln viel Wissenswertes über Blüte und Untergang der Grube. Er beginnt am Ortseingang. Es macht Sinn,
eine Taschenlampe mitzunehmen, um in  geheimnisvolle Stolleneingänge und Fledermaushöhlen zu leuchten. Dazwischen gibt es schattige Waldwege und die berühmte Fernsicht. Auch die noch vorhandene Sakristei der ehemals prächtigen Kirche „Unserer lieben Frau im Suggental” auf dem Friedhof ist ein besonderes Kleinod. Will man eine Kastanie aus dem Jahr 1670 anschauen, gilt es bis zum Vogelsanghof zu wandern. Dort steht der geschützte Baum im angrenzenden Wald. Beim Hof selbst und etwas später beim Aussichtspunkt Wissereck bietet sich eine wunderbare Fernsicht. Der untere Silbersteig ist knapp 15 Kilometer lang. Der obere Silbersteig ist anspruchsvoller und 22 Kilometer lang (Gehzeit fünf Stunden). Er beginnt beim Stolleneingang am Bürleadamshof. Doch wer die Höhenmeter bezwingt, wird mit der Schwarzenberg-Ruine, auf 659 Metern gelegen, dem Urgraben (Hanggraben) und dem Blick nach Waldkirch und in das Elztal belohnt.
Nach dem Wandern in luftiger Höhe bietet im Tal die große Linde im Gartenrestaurant des Hotels Suggenbad Schatten sowie Erfrischung und Stärkung (Montag Ruhetag, Dienstag 17 bis 23 Uhr, Mittwoch bis Freitag 11 bis 14 Uhr und 17 bis 23 Uhr, Samstag und Sonntag 11 bis 23 Uhr offen; www.suggenbad.de). Früher wurde es als Heilbad geführt. Die nahegelegene Schwefelquelle an der Talstraße findet die Nase fast ohne Beschilderung.
Ein Besuch des gegenüberliegenden Weinorts Buchholz mit der Winzergenossenschaft und den Weingütern ist für Genießer sicher eine gute Adresse.
Infos zu den Rundwegen: www.silbersteig.de