Land und Leute | 02. Juli 2020

Besondere Sicht auf Landschaft und Geschichte

Von Sylvia Pabst
Tolle Aussichten, Geschichte und Kunst – das alles bietet der Stelenweg unter dem Motto „Grenz-Steine”. Er verbindet St. Märgen mit dem Thurner. Und eine weitere Tour lässt aufhorchen: eine Wanderung die, obwohl sie bergab führt, im Himmelreich landet ...
Von der Ramshalde unterwegs nach Himmelreich mit schönem Blick auf Breitnau.
Gut, seien wir korrekt, es muss heißen 'in Himmelreich' landet. Die rund zwölf Kilometer lange Wanderung ist wunderbar abwechslungsreich, gut mit Kindern machbar und bietet – um im Bild zu bleiben – durchaus paradiesische Ausblicke. Die Rede ist vom Weg von der Ramshalde bei Breitnau ins Tal zum Bahnhof des zur Gemeinde Buchenbach gehörenden Weilers an der Höllentalbahn.
Die Haltestelle Ramshalde liegt an der Buslinie 7216, die Kirchzarten mit Hinterzarten verbindet. Aus Fahrtrichtung Breitnau kommend, gilt es direkt am Ausstieg durch einen Fußgängertunnel die Straße zu unterqueren und dem mit einer gelben Raute bezeichneten Weg Richtung Naturfreundehaus zu folgen. Tolle Ausblicke über die Weiden und Schwarzwaldhöhen, hinüber zu St. Märgen und bei guter Fernsicht zu den Vogesen sorgen von Anfang an für gute Laune.
Sonne und tolle Schwarzwaldwiesen animieren zu Luftsprüngen.
Etwa 700 Meter nach dem Naturfreundehaus auf einer Strecke durch den Wald biegt der Weg an einer Kreuzung nach rechts ab. Bald öffnet sich der Blick über verstreut liegende Höfe zum Feldbergmassiv, und mitunter lassen sich am Wegesrand an einem Tischchen bei einem Hof leckere Marmelade und Honig erstehen. Der Weg führt weiter zum Hohwart, einer Erhebung mit Bank auf 1123 Metern, und längst ist auch das für heutige Verhältnisse fast putzig wirkende Windkraftrad von 1992 in den Blick gerückt. Seine Nabe liegt auf 33 Metern Höhe. Es gilt als eine der ersten dieser Anlagen in Baden-Württemberg. Der Weg führt direkt dort vorbei, und wenige Meter unterhalb biegt er nach rechts auf den Nesselbachweg, wo an einem Teich ein Picknickplatz zur Rast einlädt. Gut gestärkt geht es weiter Richtung Nessellachen, und bald öffnet sich ein toller Blick nach Freiburg.
Hier geht’s runter zum Hofgut Rössle, wo sich die Jugendhilfe Timeout befindet.
Nessellachen ist ein ganz besonderer Ort auf knapp 1000 Metern Höhe. 2002 erwarb die Timeout-Jugendhilfe das Hofgut Rössle und schuf hier einen Platz für Kinder und Jugendliche mit schulischen und/oder familiären Problemen. Hier oben können sie sich in einer Auszeit in den Bereichen, Land-, Forst- und Hauswirtschaft engagieren und Eigenverantwortung übernehmen, aber auch freiwillig am Unterricht teilnehmen.
Auf dem Gelände steht auch die Johanneskapelle, 2007 errichtet von Schülerinnen und Schülern in einem gemeinsamen Projekt der Jugendhilfeeinrichtung mit der Freien Waldorfschule Freiburg-Wiehre. Ebenso zu entdecken sind ein großer Spielplatz wie auch Alpakas, Rinder und Schweine. Wer möchte, kann hier auch grillen, sollte dies aber vorab klären, am besten unter Telefon 07652/919275 oder per E-Mail unter verwaltung@timeout.eu. Übrigens: Regelmäßig finden hier im Festsaal unter dem Motto „Kultur im Rössle” Konzerte, Lesungen und Vorträge statt.
Wirkt fast putzig: das Windkraftrad aus dem Jahr 1992.
Weiter geht es den Weg am rechterhand liegenden Spielplatz entlang bis zu einer Gabelung. Hier gilt es sich links zu halten und etwa zwei Kilometer durch den Wald bergab Richtung Pfaffeneck-Hütte zu laufen. Wer möchte, kann dort rasten, denn auch hier gibt es eine Grillstelle, anderenfalls gilt es bereits rund 50 Meter vor der Hütte links einen schönen Pfad durch den Wald einzuschlagen, ein Schild verweist auf den Bahnhof Himmelreich. Im weiteren Verlauf wird der Wald ein wenig lichter und erinnert mit einer Mischung unter anderem aus Kiefern, Eichen, Robinien und Felsblöcken am Rand fast ein wenig an den Mittelmeerraum. Wer möchte, kann sich in Himmelreich am dortigen Hofgut stärken und/oder dort die kleine Kapelle besichtigen, bevor es mit dem Zug Richtung Freiburg oder in den Schwarzwald geht. Auch das Blumenfeld am Bahnhof lohnt einen Abstecher.
 
Vorab Plan besorgen
Die Türme der Klosterkirche Mariä Himmelfahrt in St. Märgen leuchten in der Ferne
Wer sich für Geschichte interessiert und Freude an der Schwarzwaldlandschaft hat, ist am Thurner, einer kleinen Hochebene samt Weiler südlich vom Kernort St. Märgen, genau richtig. Die abwechslungsreiche Streckenwanderung entlang der Grenz-Steine führt von der St.-Wolfgang-Kapelle vorwiegend bergab bis in die nicht zuletzt durch ihre Barockkirche berühmte Gemeinde. Gleichzeitig lockt am Ziel das Landfrauencafé Goldene Krone. Zurück fährt gegenüber von diesem Gasthaus alle zwei Stunden ein Bus Richtung Thurner/Hinterzarten.
Die Thurnerkapelle St. Wolfgang stammt aus dem 18. Jahrhundert.

Der Ausgangspunkt Haltestelle Thurner Parkplatz ist per Auto oder Bus (Linie 7216) gut erreichbar. Von hier sind es nur wenige Schritte bergauf bis zur erwähnten Kapelle, die mit farbigen Glasfenstern und beeindruckenden Deckenbildern aufwartet. Vor dem Gebäude steht die erste Stele dieser Wanderung. Es gilt in das 18. Jahrhundert einzutauchen und sich der Aufklärung und der Französischen Revolution ebenso zu widmen wie der regionalen Geschichte: Hier ist eine steinerne Reproduktion des nach dem Wiederaufbau des Klosters 1723 wieder nach St. Märgen gelangten Gnadenbilds von Maria mit dem Kinde zu sehen. Weitere acht solcher kleinen Kunstwerke aus rotem Schwarzwälder Sandstein, allesamt geschaffen von Steinmetzmeister Thomas Simon, sind auf der rund sieben Kilometer langen Strecke zu entdecken. Jede Stele steht dabei mit Reliefs, Symbolen oder Skulpturen  für ein anderes Jahrhundert Pate. Repräsentativ wurde dafür  jeweils ein Ereignis auf europäischer sowie eines auf lokaler Ebene ausgesucht. Die Reihenfolge der Grenzsteine ist dabei nicht chronologisch angeordnet.
Von der Kapelle geht es zurück zum Parkplatz. (Wer möchte, stattet beim Gasthaus ein paar weidenden Alpakas einen kleinen Besuch ab.) Wegweiser an der Thurner-Infotafel zeigen die Richtung zum Süßen Häusle und St. Märgen (Höhenweg). Es macht auf jeden Fall Sinn, sich vor Beginn der Tour unter www.sankt-maergen-kulturwege.de die Infobroschüre Grenz-Steine auszudrucken, um den nicht explizit ausgeschilderten Weg gut zu finden, zumal Netzempfang für eine Routenführung unterwegs nicht immer gegeben ist. Außerdem findet sich das Faltblatt mit etwas Glück an der Kapelle zum Mitnehmen oder ist bei der Tourist-Info in St. Märgen erhältlich. 
Der Blick durchs Rohr zeigt Freiburg. 1370 fusionierten die Klöster St. Märgen und Allerheiligen in Freiburg.
Ein besonderer Hingucker, der ein wenig gruseln lässt, ist ganz sicher die Stele auf dem Stutz, die der Pest-Epidemie Ende der 1340er-Jahre gewidmet ist. Schädel und Ratten stehen hier sinnbildlich auch für den wirtschaftlichen Einbruch, der zudem für den ökonomischen Niedergang des Klosters St. Märgen verantwortlich zeichnete und zur Vereinigung mit dem Freiburger Kloster Allerheiligen anno 1370 führte. Blickt man durch das Fernrohr, kann man Freiburg in der Ferne erblicken.
Oben auf der Geigerhöhe ist dem 20. Jahrhundert eine Stele mit einer großen Erdkugel gewidmet. Sie erinnert an die beiden Weltkriege wie auch die Globalisierung. Zudem wurden 1936 Hinterstraß und St. Märgen zu einer Gemeinde verschmolzen. Nach dem Zweiten  Weltkrieg sorgte das Wirtschaftswunder für das Aufblühen des Tourismus in und um den Ort.

Die erste Auflage des von Martin Luther übersetzten neuen Testaments erschien 1522.
Fein gearbeitet ist auch die Stele zum 15. Jahrhundert am Standort Steinbach Hirschen. Sie erinnert zum einen an Johannes Gutenbergs Buchdruckkunst, zum anderen an Demütigungen für St. Märgen, denn 1430 verbrennt das Kloster, und letztlich sehen sich Abt und Patres gezwungen, nach Allerheiligen in Freiburg zu ziehen.
Neben den Stelen entlang des Wegs sorgen die  Panorama-Ausblicke auf Dreisamtal, Rheintal und Vogesen sowie romantische Abschnitte entlang von  Wiesen und idyllische Pfade durch den Wald für Abwechlsung. Zahlreiche Bänke säumen die Strecke. Außerdem können sich Kinder auf dem Spielplatz Pfisterwald, einen knappen Kilometer vor St. Märgen, austoben. Von dort gibt es übrigens einen direkten Weg zum Naturfreibad, das je nach Wetterlage bis maximal 18 Uhr geöffnet hat. Schließlich am Ziel am Augustinerplatz und somit an der Stele zur Gründung St. Märgens angekommen, ist die Barockkirche einen Besuch wert. Am Friedhof entlang geht es dann zum Landfrauencafé Goldene Krone.
Fahrpläne für Bus und Bahn: www.efa-bw.de oder www.bahn.de