Pflanzenbau | 18. Juni 2014

Besonderheiten für den Obst- und Weinbau beim Tag der Technik in Heuchlingen

Von Martin Strauß, Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau, Weinsberg
Da es am 9. Mai bis 30 Minuten vor Veranstaltungsbeginn geregnet hatte, war die Weinbauschule Weinsberg als Veranstalter mit geschätzten 1500 Besuchern sehr zufrieden. Es waren über 100 Aussteller aus Slowenien, Frankreich, Holland, Italien und Deutschland vertreten.
Bei den Maschinenvorführungen kann oft ein direktes Gespräch zwischen Besuchern und Anbietern offene Fragen klären.
Zu sehen war auf dem Obstversuchsgut Heuchlingen Technik für alle denkbaren Einsätze im Wein- und Obstbau. Der erste Programmpunkt war, wie immer, die Vorführung technischer Besonderheiten.
Gute Sicht nach vorn
Die Frontsitzer der Firma Holder aus den Baureihen C, M und S werden bei Obstbauern und Winzern immer beliebter. Bei dieser Bauweise können Frontanbaugeräte hervorragend eingesehen werden. Der hydrostatische Antrieb ermöglicht stufenloses Fahren. Für die Praxis interessant ist der Aufbauraum über der Hinterachse, der verschiedenste Aufgaben wahrnehmen kann. Als erstes Fahrzeug fuhr ein M 480 in den Ring. Vorne angebaut war ein Sichelmulchgerät von Humus. Der Aufbauraum über der Kabine wurde von der Firma Ippendorf mit einer Arbeitsbühne ausgestattet. In Verbindung mit der vom TÜV zugelassenen Fernsteuerung ist dieses Fahrzeug in der Lage, die Aufgaben von selbstfahrenden Arbeitsbühnen zu übernehmen.
Auch der zweite Schlepper war ein Systemfahrzeug von Holder, ein C 250 mit einem Winnicut von Stoll. Der Winnicut häckselt und sammelt Obst- und Rebschnitt in der Anlage. Über eine Pickup wird das Schnittholz den hydraulisch angetriebenen Einzugswalzen zugeführt. Die Schnittlänge ist stufenlos von etwa 3 bis 8 cm einstellbar. Da ein Scheibenradhäcksler Verwendung findet, kann die Schnittlänge gleichmäßig eingehalten werden. Stark ausgefranste Schnittstellen, wie sie bei Schlegelhäckslern anzutreffen sind, gibt es fast nicht. Der Sammelbehälter befindet sich direkt hinter der Kabine des Systemschleppers und kann hydraulisch gekippt werden. Vielleicht wird die Bergung des Schnittholzes aus phytosanitären Gründen wichtiger.
Raupen für den Hang
Im Steillagenweinbau ist eine Bewirtschaftung ohne Raupen nicht denkbar. Im Vorführring konnten von Niko die HRS 70 zusammen mit der Geier 85 TLY vorgestellt werden. Bei der Niko-Raupe war ein Pflanzenschutzgerät aufgebaut. Ausgestattet mit Axialgebläse, elektrischer Bedienarmatur und Doppeldüsenstöcken gibt es keinen nennenswerten Unterschied zur Technik in Direktzuganlagen. Die Geier-Raupe wurde mit einem Mulchgerät gezeigt. Der Hersteller orientiert sich an den Besonderheiten von Geräteträgern. Die mechanische Zapfwelle hat zwei Geschwindigkeiten. Der Kraftheber erlaubt die Verwendung von Standard-Weinbaugeräten. Erwähnenswert sind das gefederte Fahrwerk und die Tempomatfunktion im stufenlosen Fahrbereich bis 10 km/h.
 Von der Baggervermietung Schaaf wurde eine selbstfahrende Grabenfräse mit Raupenlaufwerk gezeigt. Die Grabenbreite kann zwischen 10, 15 und 20 cm gewählt werden. Die maximale Grabentiefe beträgt 90 cm. Eine Verfüllschnecke rundet das Angebot ab. Mit dieser Kombination können Kabel, Bewässerungsleitungen oder Drainagerohre verlegt werden.
Stapler für das Gelände
Die Düsenauswahl ist im Obst- und Weinbau groß. Die farbliche Kennzeichnung nach ISO 10625 erleichtert die Übersicht.
Vor allem während der Ernte sind häufig Transportarbeiten erforderlich. Von der Firma Schneider wurde der Geländestapler TH 175 C von agrimac vorgestellt. In spanischen Obstbaubetrieben kommt diese Technik häufig zum Einsatz. Je nach Typ reicht die Tragkraft von 1,6 bis 3,5 t. Der Allradantrieb ermöglicht einen Einsatz im Obst- und Weinbau. Die Steigfähigkeit beträgt nach Herstellerangaben bis zu 40 %. 
Bei der Vorführung trug der Stapler das Rebenaushebegerät der Firma provitis. Dabei wird das Schnittholz überzeilig mit einer gezahnten Scheibe zum Gerät gedrückt. Von einer Schaufelkette erfasst, gelangen die Triebe zu zwei rotierenden Reifenpaaren. Diese ziehen das Rebholz aus der Unterstützungsvorrichtung. Anschließend wird es in der Zeile abgelegt. Ein am Schlepperheck mitgeführter Häcksler übernimmt die Zerkleinerung.
Immer wieder kommt es zu Schäden an Begrünungen durch Wildschweine. Zur Beseitigung dieser Schäden wurde von Clemens in Heuchlingen der Planiermeister vorgestellt. Es ist eine Maschine mit zwei gegenläufig arbeitenden Rotoren mit unterschiedlicher Drehzahl. Der vordere Rotor zerkleinert und verteilt die Unebenheiten. Der zweite Rotor verfügt über Klingenmesser und läuft schneller. Damit wird die Bodenoberfläche eingeebnet und vertikutiert. Durch den aufgebauten Säkasten kann im selben Arbeitsgang eine Begrünung übersät werden. An der Schlepperfront hatte Clemens beidseitig die Multi-Clean-Bürste angebaut. Die robusten Fäden erlauben  in einem Arbeitsgang die Kontrolle der Begrünung sowie das Ausbrechen an der Rebstammbasis.
Schlegelmulcher für links und rechts
Für dasselbe Einsatzgebiet zeigte die Firma Braun einen beidseitigen Unterstockschlegelmulcher im Frontanbau. Die Maschine hat an der Außenseite des Gehäuses – der Rebzeile zugewandt – Gummilappen montiert. Damit wird die Stammbasis von Trieben befreit. Der Bewuchs im Unterstockbereich darf dank des Schlegelmulchers auch etwas üppiger sein.
Ebenfalls von Braun wurde eine ganzflächige Rollhacke im Heckanbau gezeigt. Die Rollhackenelemente können im Winkel verstellt werden. Da sich die einzelnen „Zinken” am Boden abrollen, ist der Antrieb gesichert. Erfahrungsgemäß ist die Bearbeitungsintensität durchaus mit der einer Hohlscheibe vergleichbar. Bedeutender Unterschied ist jedoch, dass die Rollhacke bei nahezu jeder Geschwindigkeit funktioniert. Das ist ein großer Vorteil für den Einsatz dieser Technik auf nicht ganz ebenen Flächen. Ein weiterer Vorteil liegt in der Gestalt des Bearbeitungshorizontes.
Bauartbedingt wird nicht eine scharf abgeschnittene Bearbeitungskante hinterlassen, sondern ein welliger Horizont, der deutlich weniger erosionsanfällig ist. Infolge der Schrägstellung wird der Boden gelockert und bewegt, was den Bewuchs stark in der Entwicklung hemmt. Die Rollhacke ist breitenverstellbar und wie eine Scheibenegge in X-Form angeordnet. Stehen die Elemente in Fahrtrichtung, gleicht der Effekt einer Überfahrt mit einer Walze. Je mehr die einzelnen Elemente schräg zur Fahrtrichtung angestellt werden, umso intensiver ist der Eingriff. Die Intensität kann so gesteigert werden, dass der Boden wie bei einer Scheiben- oder Kreiselegge bearbeitet wird.
Gewicht zur Mitte des Schleppers verlagert
An der Schlepperfront angebaute Rollhacke zur Beikrautregulierung unter den Reihen. Gleichzeitig kann in der Zeile eine Begrünung gesät werden.
Anschließend wurde von der Firma Freilauber ein Pflanzenschutzgerät vorgestellt. Die Besonderheit an dieser Ausführung war der Überhaubenanbau. Das Überzeilengestänge mit hydraulisch angetriebenen Tangentialgebläsen ist bereits bekannt. Am Schlepperheck oder im Frontanbau an Systemfahrzeugen hat es sich vielfach bewährt. Durch den Überhaubenanbau liegt das Gewicht der dritten und vierten Teilbreite in der Schleppermitte. Da die Vortriebskraft von der Gewichtskraft auf den angetriebenen Achsen abhängt, verbessern sich Fahrsicherheit und Steigfähigkeit am Hang. Die Geräte von Freilauber fallen durch die robuste Bauweise und den Brühebehälter aus Edelstahl auf.
Als nächstes fuhr ein Anhängegerät des Typs S 1500 der Firma Wanner in den Vorführring. Es war ausgestattet mit einer neuen Bedieneinheit der Firma Innovel. Das Air-Control-System ermöglichte die stufenlose Breiteneinstellung der Luftaus-
trittsöffnung am Gebläseaufsatz. Somit konnte der Trägerluftstrom in jede Richtung eingestellt werden. Die Düsenbogen waren mit einer LED-Beleuchtung versehen. Dieses Extra lässt den Sprühstrahl auch bei Dämmerung oder in der Nacht gut erkennen.
An der Behälteroberseite war das easyFlow-System von Bayer und agrotop montiert. Beim easyFlow handelt es sich um ein zweiteiliges System zur kontaminationsfreien Befüllung von Behältern. Es gibt einen Tank- und einen Kanisteradapter, die für Präparatebehälter mit einem Deckel von  63 mm Durchmesser passen. Die Siegelfolie der Kanister wird durchstoßen, sobald angekuppelt ist. Ein unbeabsichtigtes Öffnen ist ausgeschlossen. Wird eine Teilmenge entnommen, kann alles, was mit dem Pflanzenschutzmittel in Kontakt war, gespült werden. Für die gänzliche Entleerung der Kanister ist eine Spüleinrichtung integriert.
Den Abschluss bei den Besonderheiten machte ein neuartiges Gerät zur Blattdüngung und Pflanzendesinfektion. Es sah einem Pflanzenschutzgerät sehr ähnlich. Mittels ionisierter, das heißt elektrisch geladener Wassertropfen wird Trockenkalk maschinell nassversprüht. Durch einen drehenden Wasserstrahl wird Unterdruck erzeugt. Luft wird angesaugt, beschleunigt und mit den erzeugten Wassertröpfchen mit hoher Geschwindigkeit ausgeworfen. Beigemischt werden Kalkhydrat, Branntkalk oder andere Mineralstäube. Auf dem Weg zur Zielfläche entstehen die Kalkmilchtropfen. Deren desinfizierende Wirkung wird mit einer Absenkung des pH-Wertes auf den Blättern erklärt. Die elektrische Aufladung der Tropfen soll ihre Anlagerung verbessern. Der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg liegen noch keine eigenen Erfahrungen mit dieser neuartigen Technik vor.
Mulchen und spritzen
Im Anschluss an die Präsentation der Besonderheiten wurden Mulch- und Pflanzenschutzgeräte vorgeführt. Auch diese Programmpunkte hatten regen Zulauf. Die Vorführung der Unterbaumpflegegeräte musste leider abgesagt werden. Viele Landwirte nutzten in Heuchlingen die Gelegenheit, um den Stand der Technik in Augenschein zu nehmen und mit den Ausstellern ins Gespräch zu kommen. Die gute Resonanz der Besucher und Aussteller bestärkte den Veranstalter in seiner Absicht, den nächsten Tag der Technik im Obst- und Weinbau turnusgemäß ein Jahr nach der Intervitis im Jahr 2017 vorzusehen.