Innerhalb der Koalition zeichnet sich ein Konflikt um die künftige Tierschutzpolitik ab. Während Abgeordnete der CDU/CSU in der Bundestagsdebatte des Tierschutzberichts am 2. Dezember einer erneuten Novellierung des Tierschutzgesetzes eine Absage erteilten, hält die SPD diese für unerlässlich.
Die landwirtschaftliche Tierhaltung wurde jüngst im Bundestag kontrovers diskutiert. Auch innerhalb der Koalition gibt es Streitpunkte.
Die Opposition warf der Bundesregierung Untätigkeit vor. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt betonte, er räume dem Vollzug bestehender Gesetze Vorrang gegenüber Verschärfungen ein. Weitere Verbesserungen im Tierschutz seien durch freiwillige Vereinbarungen zumeist schneller zu erreichen als durch Gesetzesänderungen, sagte der CSU-Politiker.
Die Union setzt nach den Worten ihres agrarpolitischen Sprechers Franz-Josef Holzenkamp auf Dialog statt Konfrontation beim notwendigen Umbau der Tierhaltung. Notwendig seien praktikable Lösungen statt willkürlicher Verbote.
Was die SPD haben will
Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende
Ute Vogt bekräftigte den Willen ihrer Fraktion, das Tierschutzgesetz
noch in dieser Legislaturperiode zu novellieren. Als Themen für eine
Novelle nannte sie das Verbot des Schlachtens trächtiger Tiere, die
Tötung von männlichen Küken und die Gewährleistung einer artgerechten
Haltung von Nutztieren.
Linken-Agrarsprecherin Kirsten Tackmann hielt dem Minister vor, er
habe in der Tierschutzpolitik „nichts Zählbares” vorzuweisen. Nicht
nachvollziehbar sei, dass Schmidt die Empfehlungen seines
Wissenschaftlichen Beirats Agrarpolitik zur Tierhaltung ignoriere. Nach
Auffassung von Grünen-Agrarsprecher Friedrich Ostendorff versteckt
sich der Minister hinter „Arbeitskreisen und freiwilligen
Verbindlichkeiten”, anstatt das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen.
Die erste Auseinandersetzung in Sachen Tierschutzgesetz dürfte der
Koalition bei der angekündigten gesetzlichen Einschränkung des
Schlachtens trächtiger Tiere und beim Verbot der Pelztierhaltung in
Deutschland ins Haus stehen. Nach einer Formulierungshilfe des
Bundeslandwirtschaftsministeriums sollen beide Bereiche im
Tiererzeugnisse-Handels-Verbotsgesetz geregelt werden. Begründet wird
dies mit dem Hinweis, dies sei der schnellste Weg, die Anliegen
umzusetzen. Dem Vernehmen nach hat dabei allerdings auch eine Rolle
gespielt, dass eine ebenfalls mögliche Anpassung des Tierschutzgesetzes
Begehrlichkeiten für eine Änderung weiterer Tierschutzvorschriften
wecken dürfte, nicht zuletzt beim Koalitionspartner. Laut der
Formulierungshilfe für einen Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen soll
die Abgabe von Tieren im letzten Drittel der Trächtigkeit zum Zwecke
der Schlachtung verboten werden. Eine Abgabe zu anderen Zwecken als zur
Schlachtung soll hingegen weiter zulässig sein, etwa im Zuge eines
Besitzerwechsels. Auch der Transport in andere Betriebe oder auf die
Weide soll nicht betroffen sein. Erlaubt bleiben sollen zudem
Schlachtungen zur Tierseuchenbekämpfung sowie Nottötungen. Bestehenden
Pelztierfarmen will die Bundesregierung eine Übergangsfrist von zehn
Jahren einräumen.
Gegen Alleingänge
Den alle vier Jahre von der
Bundesregierung vorzulegenden Tierschutzbericht wertete Minister Schmidt
in der Aussprache als Beleg für erhebliche Fortschritte auf diesem
Gebiet. Der CSU-Politiker unterstrich erneut seinen Anspruch,
Deutschland solle Trendsetter beim Tierwohl werden. In der
Nutztierhaltung setzt Schmidt nach eigenen Angaben auf die Entwicklung
praxistauglicher Alternativen für die Betriebe. Benötigt würden
„wettbewerbsfähige Lösungen, die auch am Markt Bestand haben”.
Eine Absage erteilte der Minister nationalen Alleingängen. Tierschutz
könne nur erfolgreich sein, „wenn wir uns in der gesamten EU zu hohen
Standards verpflichten”. Anderenfalls werde die Produktion von
Lebensmitteln ins Ausland verlagert. Schmidt sprach sich dafür aus,
Tierschutz zum Qualitätsmerkmal und Vermarktungsargument für heimische
Lebensmittel auszubauen.
Auf gutem Weg sieht der Minister seine Tierwohlinitiative. Nach der
Vereinbarung mit der Geflügelbranche würden schon ab August 2016 in den
Brütereien keine Schnäbel bei Legehennen mehr gekürzt. Zudem erneuerte
er sein Ziel, das Töten männlicher Eintagsküken 2017 zu beenden.
Erstmals ließ Schmidt erkennen, dass nach seiner Auffassung das Thema
Tierwohl auch bei der zu erwartenden Neuausrichtung der Gemeinsamen
Agrarpolitik (GAP) nach 2020 eine Rolle spielen muss.
Union setzt auf Dialog statt Konfrontation
CDU/CSU-Agrarsprecher Holzenkamp verwies
erneut auf den fehlenden gesellschaftlichen Konsens über die Art und
Weise der Tierhaltung in Deutschland. „Die Landwirtschaft muss sich
verändern”, betonte der CDU-Politiker.
Ihre Bereitschaft dazu hätten die Landwirte durch ihre Beteiligung an
der Brancheninitiative Tierwohl eindrucksvoll unter Beweis gestellt.
Außer Frage stehe dabei jedoch, dass bessere Haltungsbedingungen auch
bezahlt werden müssten, „und zwar nicht in Form einer Alimentierung,
sondern an der Ladentheke”. Holzenkamp sprach von einem notwendigen
Umbau der Tierhaltung, der allerdings vernünftig erfolgen müsse, „im
Dialog statt in Konfrontation”.
Die SPD hat nach den Worten von Fraktionsvize Vogt hohe Erwartungen an
die künftige Tierschutzpolitik der Koalition. Man brauche auch
Maßnahmen, „die dem einen oder anderen wehtun und mit denen man auch
einmal jemandem auf die Füße treten muss”. Dies gehe nicht, ohne das
Tierschutzgesetz anzupassen. „Wir müssen da noch einmal ran, wenn wir im
Sinne der Tiere etwas grundsätzlich verbessern wollen”, unterstrich
Vogt.
DLG: Gesellschaftliche Akzeptanz erarbeiten
Der Präsident der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG), Carl-Albrecht Bartmer, hat die Tierhalter gegen die aus seiner Sicht teilweise unberechtigte Kritik verteidigt, gleichzeitig aber auch notwendige Veränderungen angemahnt. Beim DLG-Kolloquium „Zukunft Nutztierhaltung: Was jetzt zu tun ist!” erklärte Bartmer am 2. Dezember in Berlin, die moderne Tierhaltung habe heute in der Bundesrepublik nur noch wenig mit dem Bild des idyllischen Bauernhofs zu tun. Gleichzeitig müsse aber anerkannt werden, dass die technische Entwicklung, aber auch ein besseres Verständnis der Ansprüche des Tieres für erhebliche Fortschritte in den Ställen gesorgt hätten. Laut dem DLG-Präsidenten sollte den Bauern angesichts des zunehmenden gesellschaftlichen Widerstands aber dennoch klar sein, dass ihr Wirtschaftssektor nur dann langfristig akzeptiert wird, wenn die Landwirtschaft die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt, nachhaltig wirtschaftet und einen verantwortungsvollen Umgang mit den Nutztieren nachweisen kann. Hierzu sind nach Überzeugung Bartmers eine offene Bestandsaufnahme sowie die Definition geeigneter Kriterien zum Tierwohl und Umweltschutz notwendig.
Professor Albert Sundrum von der Universität Kassel warnte allerdings davor, die aktuelle gesellschaftliche Ablehnung der jetzigen Tierhaltung zu unterschätzen. Sundrum betrachtet die exportorientierte Wirtschaftsweise vor diesem Hintergrund als Irrweg. Die landwirtschaftliche Fachberatung steht laut Dr. Friedhelm Adam vom Versuchsgut Haus Düsse vor dem Problem, die teilweise voneinander abweichenden Ziele der Agrarwirtschaft und der Gesellschaft unter einen Hut zu bringen. Nach seiner Einschätzung müssen bei der Fortentwicklung des Tierwohls aber auch Verbraucher und Handel ihren Beitrag leisten.
Auch Dr. Klaus-Josef Högg von der Hans Adler OHG ist sich als Vertreter der Fleischindustrie sicher, dass Tiergerechtheit aber auch Qualität in Zukunft eine noch größere Rolle spielen werden. Er geht davon aus, dass entsprechende Markenprogramme neben der exportorientierten Erzeugung zunehmen werden.