Politik | 10. Dezember 2015

Streit in der Regierung um Tierschutzpolitik

Von AgE
Innerhalb der Koalition zeichnet sich ein Konflikt um die künftige Tierschutzpolitik ab. Während Abgeordnete der CDU/CSU in der Bundestagsdebatte des Tierschutzberichts am 2. Dezember einer erneuten Novellierung des Tierschutzgesetzes eine Absage erteilten, hält die SPD diese für unerlässlich.
Die landwirtschaftliche Tierhaltung wurde jüngst im Bundestag kontrovers diskutiert. Auch innerhalb der Koalition gibt es Streitpunkte.
Die Opposition warf der Bundesregierung Untätigkeit vor. Bundeslandwirtschaftsminister Christian   Schmidt  betonte, er räume dem Vollzug bestehender Gesetze Vorrang gegenüber Verschärfungen ein. Weitere Verbesserungen im Tierschutz seien durch freiwillige Vereinbarungen zumeist schneller zu erreichen als durch Gesetzesänderungen, sagte der CSU-Politiker.
Die Union setzt nach den Worten ihres agrarpolitischen Sprechers Franz-Josef  Holzenkamp  auf Dialog statt Konfrontation beim notwendigen Umbau der Tierhaltung. Notwendig seien praktikable Lösungen statt willkürlicher Verbote.
Was die SPD haben will
Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Ute Vogt bekräftigte den Willen ihrer Fraktion, das Tierschutzgesetz noch in dieser Legislaturperiode zu novellieren. Als Themen für eine Novelle nannte sie das Verbot des Schlachtens trächtiger Tiere, die Tötung von männlichen Küken und die Gewährleistung einer artgerechten Haltung von Nutztieren.
Linken-Agrarsprecherin Kirsten Tackmann hielt dem Minister vor, er habe in der Tierschutzpolitik „nichts Zählbares” vorzuweisen. Nicht nachvollziehbar sei, dass Schmidt die Empfehlungen seines Wissenschaftlichen Beirats Agrarpolitik zur Tierhaltung ignoriere. Nach Auffassung von Grünen-Agrarsprecher Friedrich  Ostendorff  versteckt sich der Minister hinter „Arbeitskreisen und freiwilligen Verbindlichkeiten”, anstatt das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen.
Die erste Auseinandersetzung in Sachen Tierschutzgesetz dürfte der Koalition bei der angekündigten gesetzlichen Einschränkung des Schlachtens trächtiger Tiere und beim Verbot der Pelztierhaltung in Deutschland ins Haus stehen. Nach einer Formulierungshilfe des Bundeslandwirtschaftsministeriums sollen beide Bereiche im Tiererzeugnisse-Handels-Verbotsgesetz geregelt werden. Begründet wird dies mit dem Hinweis, dies sei der schnellste Weg, die Anliegen umzusetzen. Dem Vernehmen nach hat dabei allerdings auch eine Rolle gespielt, dass eine ebenfalls mögliche Anpassung des Tierschutzgesetzes Begehrlichkeiten für eine Änderung weiterer Tierschutzvorschriften wecken dürfte, nicht zuletzt beim Koalitionspartner. Laut der Formulierungshilfe für einen Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen soll die Abgabe von Tieren im letzten Drittel der Trächtigkeit zum Zwecke der Schlachtung verboten werden. Eine Abgabe zu anderen Zwecken als zur Schlachtung soll hingegen weiter zulässig sein, etwa im Zuge eines Besitzerwechsels. Auch der Transport in andere Betriebe oder auf die Weide soll nicht betroffen sein. Erlaubt bleiben sollen zudem Schlachtungen zur Tierseuchenbekämpfung sowie Nottötungen. Bestehenden Pelztierfarmen will die Bundesregierung eine Übergangsfrist von zehn Jahren einräumen.
Gegen Alleingänge
Den alle vier Jahre von der Bundesregierung vorzulegenden Tierschutzbericht wertete Minister Schmidt in der Aussprache als Beleg für erhebliche Fortschritte auf diesem Gebiet. Der CSU-Politiker unterstrich erneut seinen Anspruch, Deutschland solle Trendsetter beim Tierwohl werden. In der Nutztierhaltung setzt Schmidt nach eigenen Angaben auf die Entwicklung praxistauglicher Alternativen für die Betriebe. Benötigt würden „wettbewerbsfähige Lösungen, die auch am Markt Bestand haben”.
Eine Absage erteilte der Minister nationalen Alleingängen. Tierschutz könne nur erfolgreich sein, „wenn wir uns in der gesamten EU zu hohen Standards verpflichten”. Anderenfalls werde die Produktion von Lebensmitteln ins Ausland verlagert. Schmidt sprach sich dafür aus, Tierschutz zum Qualitätsmerkmal und Vermarktungsargument für heimische Lebensmittel auszubauen.  Auf gutem Weg sieht der Minister seine Tierwohlinitiative. Nach der Vereinbarung mit der Geflügelbranche würden schon ab August 2016 in den Brütereien keine Schnäbel bei Legehennen mehr gekürzt. Zudem erneuerte er sein Ziel, das Töten männlicher Eintagsküken 2017 zu beenden. Erstmals ließ Schmidt erkennen, dass nach seiner Auffassung das Thema Tierwohl auch bei der zu erwartenden Neuausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2020 eine Rolle spielen muss.
Union setzt auf Dialog statt Konfrontation
CDU/CSU-Agrarsprecher Holzenkamp verwies erneut auf den fehlenden gesellschaftlichen Konsens über die Art und Weise der Tierhaltung in Deutschland. „Die Landwirtschaft muss sich verändern”, betonte der CDU-Politiker.
Ihre Bereitschaft dazu hätten die Landwirte durch ihre Beteiligung an der Brancheninitiative Tierwohl eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Außer Frage stehe dabei jedoch, dass bessere Haltungsbedingungen auch bezahlt werden müssten, „und zwar nicht in Form einer Alimentierung, sondern an der Ladentheke”. Holzenkamp sprach von einem notwendigen Umbau der Tierhaltung, der allerdings vernünftig erfolgen müsse, „im Dialog statt in Konfrontation”.
Die SPD hat nach den Worten von Fraktionsvize Vogt hohe Erwartungen an die künftige Tierschutzpolitik der Koalition. Man brauche auch Maßnahmen, „die dem einen oder anderen wehtun und mit denen man auch einmal jemandem auf die Füße treten muss”. Dies gehe nicht, ohne das Tierschutzgesetz anzupassen. „Wir müssen da noch einmal ran, wenn wir im Sinne der Tiere etwas grundsätzlich verbessern wollen”, unterstrich Vogt.
DLG: Gesellschaftliche Akzeptanz erarbeiten
Der Präsident der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG), Carl-Albrecht  Bartmer, hat die Tierhalter gegen die aus seiner Sicht teilweise unberechtigte Kritik verteidigt, gleichzeitig aber auch notwendige Veränderungen angemahnt. Beim DLG-Kolloquium „Zukunft Nutztierhaltung: Was jetzt zu tun ist!” erklärte Bartmer am 2. Dezember in Berlin, die moderne Tierhaltung habe heute in der Bundesrepublik nur noch wenig mit dem Bild des idyllischen Bauernhofs zu tun. Gleichzeitig müsse aber anerkannt werden, dass die technische Entwicklung, aber auch ein besseres Verständnis der Ansprüche des Tieres für erhebliche Fortschritte in den Ställen gesorgt hätten. Laut dem DLG-Präsidenten sollte den Bauern angesichts des zunehmenden gesellschaftlichen Widerstands aber dennoch klar sein, dass ihr Wirtschaftssektor nur dann langfristig akzeptiert wird, wenn die Landwirtschaft die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt, nachhaltig wirtschaftet und einen verantwortungsvollen Umgang mit den Nutztieren nachweisen kann. Hierzu sind nach Überzeugung Bartmers eine offene Bestandsaufnahme sowie die Definition geeigneter Kriterien zum Tierwohl und Umweltschutz notwendig.
Professor Albert  Sundrum  von der Universität Kassel warnte allerdings davor, die aktuelle gesellschaftliche Ablehnung der jetzigen Tierhaltung zu unterschätzen. Sundrum betrachtet die exportorientierte Wirtschaftsweise vor diesem Hintergrund als Irrweg. Die landwirtschaftliche Fachberatung steht laut Dr. Friedhelm  Adam  vom Versuchsgut Haus Düsse vor dem Problem, die teilweise voneinander abweichenden Ziele der Agrarwirtschaft und der Gesellschaft unter einen Hut zu bringen. Nach seiner Einschätzung müssen bei der Fortentwicklung des Tierwohls aber auch Verbraucher und Handel ihren Beitrag leisten.
Auch Dr. Klaus-Josef  Högg  von der Hans Adler OHG ist sich als Vertreter der Fleischindustrie sicher, dass Tiergerechtheit aber auch Qualität in Zukunft eine noch größere Rolle spielen werden. Er geht davon aus, dass entsprechende Markenprogramme neben der exportorientierten Erzeugung zunehmen werden.