Politik | 07. November 2019

Streit der Ministerien kocht hoch

Von AgE
Wegen Verwaltungsgerichtsentscheidungen zu Biodiversitätsauflagen für die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln gibt es verhärtete Fronten zwischen Bundeslandwirtschaftsministerium, Bundesumweltministerium und Umweltbundesamt (UBA).
Das Braunschweiger Verwaltungsgericht (VG) hatte in drei Urteilen im September deutschen Behörden das Recht abgesprochen, die Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf die Umwelt vollumfänglich zu bewerten und Schutzmaßnahmen für die biologische Vielfalt und das Grundwasser vorzuschreiben. Das Umweltministerium  und das UBA hatten das Landwirtschaftsministerium danach gebeten, fristgerecht  Berufung gegen die Urteile einzulegen.  Das lehnte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner allerdings  mit Hinweis auf mögliche Wettbewerbsnachteile für die heimischen Landwirte ab – siehe BBZ 44, Seite 15.
Zwischenzeitlich hatte der Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Jochen Flasbarth, in einem Brief an das Berliner Agrarressort nochmals vor möglichen negativen Folgen für die Artenvielfalt und den Verbraucherschutz gewarnt, sollte das Agrarressort keine Berufung einlegen. Flasbarths Amtskollege im Bundeslandwirtschaftsministerium, Hermann Onko Aeikens, widersprach dieser Einschätzung aber in seiner Antwort.
In seinem Brief an das Berliner Agrarressort warnte Flasbarth, dass ohne ein Berufungsverfahren Schäden an der biologischen Vielfalt und insbesondere bei Insekten, womöglich aber auch negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, „sehenden Auges” hingenommen würden, wofür er „implizit” das Bundeslandwirtschaftsministerium verantwortlich macht. Für Flasbarth ist es „nicht vertretbar, eine derart weitreichende Frage einem erstinstanzlichen Verwaltungsgericht zu überlassen”. In seiner Antwort an den Amtskollegen weist Aeikens darauf hin, dass Berufungen vom Gericht nicht zugelassen worden seien. Infrage wären daher nur Anträge auf Berufungszulassungen gekommen, für die nach einhelliger Rechtsauffassung keine Erfolgsaussichten bestanden hätten.
Der Staatssekretär widerspricht auch der Ansicht, dass durch die ergangenen Urteile der Schutz der menschlichen Gesundheit gefährdet sei. In den Urteilen sei es lediglich darum gegangen, ob jetzt „mittelbare Auswirkungen” auf die Biodiversität berücksichtigt werden könnten. Demgegenüber würden sämtliche Risiken für Mensch, Tier und Umwelt sowie alle unvertretbaren Risiken durch „unmittelbare Auswirkungen” auf die Umwelt weiterhin bei jeder Zulassung von Pflanzenschutzmitteln ausgiebig geprüft und bewertet.
Kein rechtswidriges Verhalten
Nicht gelten lassen will Aeikens außerdem die Auffassung des Umweltbundesamtes und des Bundesumweltministeriums, die Urteile hätten weitergehende Folgen für die 2017 erneuerte Genehmigung für den umstrittenen Totalherbizidwirkstoff Glyphosat. Aeikens stellt hierzu fest, dass die entsprechende EU-Verordnung nicht festlege, dass im Zulassungsverfahren „mittelbare Auswirkungen” auf die Biodiversität zu berücksichtigen seien. Zudem sei es in den beiden Fällen, die Gegenstand der VG-Urteile gewesen seien, nicht um glyphosathaltige Produkte gegangen. Insgesamt sieht der Staatssekretär daher keine Anhaltspunkte für ein EU-rechtswidriges Verhalten der Bundesregierung, wenn kein Berufungsantrag gestellt wird. Vielmehr hält er es für dringend erforderlich, dass das UBA künftig darauf verzichtet, Einvernehmenserklärungen für Pflanzenschutzmittel an „rechtswidrige Biodiversitäts-Anwendungsbestimmungen” zu knüpfen.